Die Säle der diesjährigen Kunstausstellung sind wieder geschlos¬ sen; die Klage, daß es in Oesterreich an historischen Bildern fehle, ist in Oesterreich seit Jahren stereotyp; wie anders auch ? Ist doch das Studium der Geschichte selbst an unseren Universitäten ein unobligates und > nur für Jene vorgeschriebenes, die vom Schulgelde (zwölf Gulden C.M. jährlich) befreit sein wollen. Sie sehen also, wie hoch die Geschichte bei uns taxirt ist, aber auch sonst fehlte es an Bil¬ dern, die einen bleibenden Eindruck zurückgelassen hatten. Entwickelte Technik und gar keine Poesie charakterisiren mit wenigen Ausnahmen die diesjährige Kunstausstellung. Ammcrling's und Dannhauser's Bil¬ der (letztere abgesondert ausgestellt) und Raffelli's Gewitterlandschaft sind die bedeutendsten Erscheinungen. Auch an Ungeheuerlichen fehlte es nicht; Waldmüllcr's Kreuzesabnahme mit einem veilchenblauen Leib des Herrn und Petter's Tod des heiligen Wenzel, der so abenteuerlich gigantisch aufgefaßt ist, daß er nur Lachen erregen konnte. Auch Führich, Schmorr und Kuppelwiescr, die heilige Trias der gottseliger Maler¬ kunst, blieben hinter ihrem Rufe zurück. -- Die Anwesenheit Corne¬ lius' wurdedurch ein Souper gefeiert, das ihm die Akadcmiegab, wobei er auf einen ausgebrachten Toast erwiedert haben soll: "Ich erhebe dieses Glas auf das Wohl undGedeihen der Kunst und Künstler in Wien. Mögen sie fortan nicht blos geduldet sein, sondern geehrt und, in's Leben eingeführt, den Rang einnehmen, der ihnen in einem gebildeten Staate gebührt." Der Beifallssturm, mit dem diese Worte aufgenommen wurden, beweis't nur zu deutlich, wie unsere Künstler in gar so ge¬ ringem Grade Patrioten sein können.
Das Fronleichnamsfest wurde, wie jedes Jahr, feierlich began¬ gen und erhielt diesmal eine besondere Bedeutung. Seit längerer Zeit nämlich regt sich die Eifersucht des wirklichen Militärs gegen das paradirende Bürgercorps immer mehr; es kann diesem das goldene Portepv und die Freiheit, mit auf Hofhallen sich am Büffet zu er¬ lustigen, nicht verzeihen. Man sprengte aus, daß beide Gerechtsame den Bürgern entzogen werden sollten. Die Bürger verabredeten sich daher, bei der Frohnleichnamsprozession nicht, wie es sonst gebräuch¬ lich ist, in höchster Gala zu folgen, sondern vielmehr völlig wegzu¬ bleiben. Der Bürgermeister erließ jedoch alsobald ein gedrucktes Ma¬ nifest, worin die Bürger an ihre frühere Tapferkeit gemahnt wurden und worin die Grundlosigkeit der ausgestreuten Gerüchte angedeutet und die Anmahnung zu "tapferer Ausdauer" enthalten war (letzteres ist um so wichtiger, als die Bürgermiliz wahrend mehrstündigen Para- direns sich gewöhnlich schaarenweise in Kneipen begibt). Wirklich fehlte bei der Feier nicht ein Mann, und während die Waisenknaben ihr rührend frommes Kirchenlied sangen, marschirren die Friedenswi- daten beim Klänge Strauß'scher Quadrillen muthig hinterdrein.
Die Säle der diesjährigen Kunstausstellung sind wieder geschlos¬ sen; die Klage, daß es in Oesterreich an historischen Bildern fehle, ist in Oesterreich seit Jahren stereotyp; wie anders auch ? Ist doch das Studium der Geschichte selbst an unseren Universitäten ein unobligates und > nur für Jene vorgeschriebenes, die vom Schulgelde (zwölf Gulden C.M. jährlich) befreit sein wollen. Sie sehen also, wie hoch die Geschichte bei uns taxirt ist, aber auch sonst fehlte es an Bil¬ dern, die einen bleibenden Eindruck zurückgelassen hatten. Entwickelte Technik und gar keine Poesie charakterisiren mit wenigen Ausnahmen die diesjährige Kunstausstellung. Ammcrling's und Dannhauser's Bil¬ der (letztere abgesondert ausgestellt) und Raffelli's Gewitterlandschaft sind die bedeutendsten Erscheinungen. Auch an Ungeheuerlichen fehlte es nicht; Waldmüllcr's Kreuzesabnahme mit einem veilchenblauen Leib des Herrn und Petter's Tod des heiligen Wenzel, der so abenteuerlich gigantisch aufgefaßt ist, daß er nur Lachen erregen konnte. Auch Führich, Schmorr und Kuppelwiescr, die heilige Trias der gottseliger Maler¬ kunst, blieben hinter ihrem Rufe zurück. — Die Anwesenheit Corne¬ lius' wurdedurch ein Souper gefeiert, das ihm die Akadcmiegab, wobei er auf einen ausgebrachten Toast erwiedert haben soll: „Ich erhebe dieses Glas auf das Wohl undGedeihen der Kunst und Künstler in Wien. Mögen sie fortan nicht blos geduldet sein, sondern geehrt und, in's Leben eingeführt, den Rang einnehmen, der ihnen in einem gebildeten Staate gebührt." Der Beifallssturm, mit dem diese Worte aufgenommen wurden, beweis't nur zu deutlich, wie unsere Künstler in gar so ge¬ ringem Grade Patrioten sein können.
Das Fronleichnamsfest wurde, wie jedes Jahr, feierlich began¬ gen und erhielt diesmal eine besondere Bedeutung. Seit längerer Zeit nämlich regt sich die Eifersucht des wirklichen Militärs gegen das paradirende Bürgercorps immer mehr; es kann diesem das goldene Portepv und die Freiheit, mit auf Hofhallen sich am Büffet zu er¬ lustigen, nicht verzeihen. Man sprengte aus, daß beide Gerechtsame den Bürgern entzogen werden sollten. Die Bürger verabredeten sich daher, bei der Frohnleichnamsprozession nicht, wie es sonst gebräuch¬ lich ist, in höchster Gala zu folgen, sondern vielmehr völlig wegzu¬ bleiben. Der Bürgermeister erließ jedoch alsobald ein gedrucktes Ma¬ nifest, worin die Bürger an ihre frühere Tapferkeit gemahnt wurden und worin die Grundlosigkeit der ausgestreuten Gerüchte angedeutet und die Anmahnung zu „tapferer Ausdauer" enthalten war (letzteres ist um so wichtiger, als die Bürgermiliz wahrend mehrstündigen Para- direns sich gewöhnlich schaarenweise in Kneipen begibt). Wirklich fehlte bei der Feier nicht ein Mann, und während die Waisenknaben ihr rührend frommes Kirchenlied sangen, marschirren die Friedenswi- daten beim Klänge Strauß'scher Quadrillen muthig hinterdrein.
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Die Säle der diesjährigen Kunstausstellung sind wieder geschlos¬
sen; die Klage, daß es in Oesterreich an historischen Bildern fehle, ist
in Oesterreich seit Jahren stereotyp; wie anders auch ? Ist doch das
Studium der Geschichte selbst an unseren Universitäten ein unobligates
und > nur für Jene vorgeschriebenes, die vom Schulgelde (zwölf
Gulden C.M. jährlich) befreit sein wollen. Sie sehen also, wie hoch
die Geschichte bei uns taxirt ist, aber auch sonst fehlte es an Bil¬
dern, die einen bleibenden Eindruck zurückgelassen hatten. Entwickelte
Technik und gar keine Poesie charakterisiren mit wenigen Ausnahmen
die diesjährige Kunstausstellung. Ammcrling's und Dannhauser's Bil¬
der (letztere abgesondert ausgestellt) und Raffelli's Gewitterlandschaft sind
die bedeutendsten Erscheinungen. Auch an Ungeheuerlichen fehlte es
nicht; Waldmüllcr's Kreuzesabnahme mit einem veilchenblauen Leib
des Herrn und Petter's Tod des heiligen Wenzel, der so abenteuerlich
gigantisch aufgefaßt ist, daß er nur Lachen erregen konnte. Auch Führich,
Schmorr und Kuppelwiescr, die heilige Trias der gottseliger Maler¬
kunst, blieben hinter ihrem Rufe zurück. — Die Anwesenheit Corne¬
lius' wurdedurch ein Souper gefeiert, das ihm die Akadcmiegab, wobei er
auf einen ausgebrachten Toast erwiedert haben soll: „Ich erhebe
dieses Glas auf das Wohl undGedeihen der Kunst und
Künstler in Wien. Mögen sie fortan nicht blos geduldet
sein, sondern geehrt und, in's Leben eingeführt, den
Rang einnehmen, der ihnen in einem gebildeten Staate
gebührt." Der Beifallssturm, mit dem diese Worte aufgenommen
wurden, beweis't nur zu deutlich, wie unsere Künstler in gar so ge¬
ringem Grade Patrioten sein können.
Das Fronleichnamsfest wurde, wie jedes Jahr, feierlich began¬
gen und erhielt diesmal eine besondere Bedeutung. Seit längerer
Zeit nämlich regt sich die Eifersucht des wirklichen Militärs gegen das
paradirende Bürgercorps immer mehr; es kann diesem das goldene
Portepv und die Freiheit, mit auf Hofhallen sich am Büffet zu er¬
lustigen, nicht verzeihen. Man sprengte aus, daß beide Gerechtsame
den Bürgern entzogen werden sollten. Die Bürger verabredeten sich
daher, bei der Frohnleichnamsprozession nicht, wie es sonst gebräuch¬
lich ist, in höchster Gala zu folgen, sondern vielmehr völlig wegzu¬
bleiben. Der Bürgermeister erließ jedoch alsobald ein gedrucktes Ma¬
nifest, worin die Bürger an ihre frühere Tapferkeit gemahnt wurden
und worin die Grundlosigkeit der ausgestreuten Gerüchte angedeutet
und die Anmahnung zu „tapferer Ausdauer" enthalten war (letzteres ist
um so wichtiger, als die Bürgermiliz wahrend mehrstündigen Para-
direns sich gewöhnlich schaarenweise in Kneipen begibt). Wirklich
fehlte bei der Feier nicht ein Mann, und während die Waisenknaben
ihr rührend frommes Kirchenlied sangen, marschirren die Friedenswi-
daten beim Klänge Strauß'scher Quadrillen muthig hinterdrein.
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Die Grenzboten. Jg. 3, 1844, I. Semester, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341546_179712/834>, abgerufen am 22.12.2024.
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