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Die Grenzboten. Jg. 3, 1844, I. Semester.

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Der literarischen Welt ferne stehend, höre ich gewöhnlich nur
von bedeutenderen Erscheinungen, und da ich Ihnen über solche Nichts
zu berichten weiß, so scheinen sich nur Produktionen gleichgiltiger Art
in die Druckwelt, aber nicht in's Leben zu fördern.

Die Schauspieler Baison und Devrient waren durch einige
Wochen Rivalen am Hofburgthcater; ersterer soll bei vielem Verstände
zu kalt, letzterer bei berechnetem Feuer zu geziert gespielt haben.

Wahrend aus allen Gegenden Deutschlands und Oesterreichs die
erfreulichsten Nachrichten über den Fruchtsegen dieses Jahres eingehen,
hört man aus Böhmen, namentlich aus dem Bidschower Kreise, die
betrübendsten Nachrichten. Hagelschlag und Winde sollen die Felder
verheert haben, und der Landmann soll froh sein, wenn er nicht die
Aussicht hat, verhungern zu müssen. Bei der geringen Kulturstufe,
auf welcher der Ackerbau noch in manchen Gegenden Böhmens sich
befindet, ist ein solcher Schlag doppelt hart. -- Die geizige Wirth¬
schaft des Herrn Ballochini, ehemaligen Schneidermeisters und zeitwei¬
ligen Impresario unseres Kärnthner-Thortheaters, geht nun zu Ende.
Der Pachtcontract wurde ihm nicht wieder erneuert, sondern ein neuer
mit dem wackeren und eifrigen Direktor des Josephstädter Theaters,
Herrn Pokorny und dem bisherigen Geschäftsführer des Herrn Ballo¬
chini, Herrn Merelli, abgeschlossen. Beide übernehmen das Theater in
Compagnie; ob der Böhme und der Italiener in dieser Gemeinschaft
sich vertragen werden, wird von Manchem bezweifelt. Pokorny ist im
Publicum wegen seiner Gutmüthigkeit und Generosität beliebt. Herr
Merelli gilt als ein Zögling Ballochinischer Theaterpolitik, was kein
günstiges Vorurtheil für ihn erweckt.


-- Rainer. --
U.
Nehmt Euch ein Exempel dran"

Der Erlaß des Preußischen Ministeriums gegen den Eisen-
bahnactienschwindel, der nicht blos in Berlin und Breslau, sondern auch
in Wien, Hamburg, überhaupt an allen großen Börsenplätzen Deutsch¬
lands eine fürchterliche Krisis und ungeheuere Verluste herbeigeführt
hat, kann den Regierungen als eine große und wichtige Lehre dienen.
In Frankreich könnte eine solche Maßregel den Sturz eines
Ministeriums herbeiführen. Wir verlangen für Deutschland eine solche
Rigorosität nicht. Bei den vielfachen Geschäften, die auf den Schul¬
tern eines Gouvernements ruhen, bei den mannigfachen Decreten, die
es zu erlassen hat, kann man eine Maßregel, die namentlich
einer wohlgemeinten Absicht entsprang, nicht so hart strafen. Wohl
aber ist sie ein warnendes Ulme kekek gegen den Hochmuth, mit
welchem gewisse Staatsmänner die Kritik und den Rath der Presse


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Der literarischen Welt ferne stehend, höre ich gewöhnlich nur
von bedeutenderen Erscheinungen, und da ich Ihnen über solche Nichts
zu berichten weiß, so scheinen sich nur Produktionen gleichgiltiger Art
in die Druckwelt, aber nicht in's Leben zu fördern.

Die Schauspieler Baison und Devrient waren durch einige
Wochen Rivalen am Hofburgthcater; ersterer soll bei vielem Verstände
zu kalt, letzterer bei berechnetem Feuer zu geziert gespielt haben.

Wahrend aus allen Gegenden Deutschlands und Oesterreichs die
erfreulichsten Nachrichten über den Fruchtsegen dieses Jahres eingehen,
hört man aus Böhmen, namentlich aus dem Bidschower Kreise, die
betrübendsten Nachrichten. Hagelschlag und Winde sollen die Felder
verheert haben, und der Landmann soll froh sein, wenn er nicht die
Aussicht hat, verhungern zu müssen. Bei der geringen Kulturstufe,
auf welcher der Ackerbau noch in manchen Gegenden Böhmens sich
befindet, ist ein solcher Schlag doppelt hart. — Die geizige Wirth¬
schaft des Herrn Ballochini, ehemaligen Schneidermeisters und zeitwei¬
ligen Impresario unseres Kärnthner-Thortheaters, geht nun zu Ende.
Der Pachtcontract wurde ihm nicht wieder erneuert, sondern ein neuer
mit dem wackeren und eifrigen Direktor des Josephstädter Theaters,
Herrn Pokorny und dem bisherigen Geschäftsführer des Herrn Ballo¬
chini, Herrn Merelli, abgeschlossen. Beide übernehmen das Theater in
Compagnie; ob der Böhme und der Italiener in dieser Gemeinschaft
sich vertragen werden, wird von Manchem bezweifelt. Pokorny ist im
Publicum wegen seiner Gutmüthigkeit und Generosität beliebt. Herr
Merelli gilt als ein Zögling Ballochinischer Theaterpolitik, was kein
günstiges Vorurtheil für ihn erweckt.


— Rainer. —
U.
Nehmt Euch ein Exempel dran»

Der Erlaß des Preußischen Ministeriums gegen den Eisen-
bahnactienschwindel, der nicht blos in Berlin und Breslau, sondern auch
in Wien, Hamburg, überhaupt an allen großen Börsenplätzen Deutsch¬
lands eine fürchterliche Krisis und ungeheuere Verluste herbeigeführt
hat, kann den Regierungen als eine große und wichtige Lehre dienen.
In Frankreich könnte eine solche Maßregel den Sturz eines
Ministeriums herbeiführen. Wir verlangen für Deutschland eine solche
Rigorosität nicht. Bei den vielfachen Geschäften, die auf den Schul¬
tern eines Gouvernements ruhen, bei den mannigfachen Decreten, die
es zu erlassen hat, kann man eine Maßregel, die namentlich
einer wohlgemeinten Absicht entsprang, nicht so hart strafen. Wohl
aber ist sie ein warnendes Ulme kekek gegen den Hochmuth, mit
welchem gewisse Staatsmänner die Kritik und den Rath der Presse


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[0835] Der literarischen Welt ferne stehend, höre ich gewöhnlich nur von bedeutenderen Erscheinungen, und da ich Ihnen über solche Nichts zu berichten weiß, so scheinen sich nur Produktionen gleichgiltiger Art in die Druckwelt, aber nicht in's Leben zu fördern. Die Schauspieler Baison und Devrient waren durch einige Wochen Rivalen am Hofburgthcater; ersterer soll bei vielem Verstände zu kalt, letzterer bei berechnetem Feuer zu geziert gespielt haben. Wahrend aus allen Gegenden Deutschlands und Oesterreichs die erfreulichsten Nachrichten über den Fruchtsegen dieses Jahres eingehen, hört man aus Böhmen, namentlich aus dem Bidschower Kreise, die betrübendsten Nachrichten. Hagelschlag und Winde sollen die Felder verheert haben, und der Landmann soll froh sein, wenn er nicht die Aussicht hat, verhungern zu müssen. Bei der geringen Kulturstufe, auf welcher der Ackerbau noch in manchen Gegenden Böhmens sich befindet, ist ein solcher Schlag doppelt hart. — Die geizige Wirth¬ schaft des Herrn Ballochini, ehemaligen Schneidermeisters und zeitwei¬ ligen Impresario unseres Kärnthner-Thortheaters, geht nun zu Ende. Der Pachtcontract wurde ihm nicht wieder erneuert, sondern ein neuer mit dem wackeren und eifrigen Direktor des Josephstädter Theaters, Herrn Pokorny und dem bisherigen Geschäftsführer des Herrn Ballo¬ chini, Herrn Merelli, abgeschlossen. Beide übernehmen das Theater in Compagnie; ob der Böhme und der Italiener in dieser Gemeinschaft sich vertragen werden, wird von Manchem bezweifelt. Pokorny ist im Publicum wegen seiner Gutmüthigkeit und Generosität beliebt. Herr Merelli gilt als ein Zögling Ballochinischer Theaterpolitik, was kein günstiges Vorurtheil für ihn erweckt. — Rainer. — U. Nehmt Euch ein Exempel dran» Der Erlaß des Preußischen Ministeriums gegen den Eisen- bahnactienschwindel, der nicht blos in Berlin und Breslau, sondern auch in Wien, Hamburg, überhaupt an allen großen Börsenplätzen Deutsch¬ lands eine fürchterliche Krisis und ungeheuere Verluste herbeigeführt hat, kann den Regierungen als eine große und wichtige Lehre dienen. In Frankreich könnte eine solche Maßregel den Sturz eines Ministeriums herbeiführen. Wir verlangen für Deutschland eine solche Rigorosität nicht. Bei den vielfachen Geschäften, die auf den Schul¬ tern eines Gouvernements ruhen, bei den mannigfachen Decreten, die es zu erlassen hat, kann man eine Maßregel, die namentlich einer wohlgemeinten Absicht entsprang, nicht so hart strafen. Wohl aber ist sie ein warnendes Ulme kekek gegen den Hochmuth, mit welchem gewisse Staatsmänner die Kritik und den Rath der Presse 107 -i-

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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 3, 1844, I. Semester, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341546_179712/835>, abgerufen am 29.06.2024.