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Die Grenzboten. Jg. 3, 1844, I. Semester.

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der jetzt dort "Aesthetik vom christlichen Standpunkt" liest und eine
Schrift über "die protestantische Universität" herausgegeben hat, so
mußte wenigstens ein Nauwerk, wenn er eben Universitätslehrer
sein und bleiben wollte, wohl seine Stellung als solcher kennen. Eine
Probe brauchte er nicht erst zumachen, denn diese ist längst gemacht;
er hat gegen seine Stellung gefehlt und kann sich nicht beklagen, daß
man ihn aus derselben vertrieben hat; man hat consequent gegen
ihn gehandelt. Was aber die mit seinen Vorlesungen und seiner
Wegweisung mehr oder minder zusammenhängenden Studentemmru-
hen betrifft, so weiß jeder vernünftige, klare Beobachter der Verhält¬
nisse, was er davon zu halten hat. Es ist dies freilich der Funke
eines neuen Bewußtseins, der in diese Jugend gefahren ist: die Art
aber, wie dasselbe sich äußert, ist ein Beweis, wie unsicher und halt¬
los es noch ist. Die Zeit ist vorüber, wo man mit dieser massen¬
haften Aufregung, mit diesem Enthusiasmus und seinen Demonstra¬
tionen, mit Straßenkrawall, Liedersingen, Toasten und Gedichtdecla-
mationen, rin bloßer Auflehnung gegen die bestehende Gewalt und
Verhöhnung der Polizisten ein Held der Freiheit wurde und etwas
auszurichten glaubte. Die ernste, klare, ruhige, theoretische Arbeit
und Kritik ist es allein, die uns die Thore der Zukunft öffnet, mit
allem Schreien und Raisonniren und Nenommiren kommt man zu
Nichts. Denn auch der ernsteste Skandal wird zuletzt lächerlich und
läuft in Nichts aus. Das haben die Berliner Studentenbewegun¬
gen wieder einmal recht deutlich bewiesen.


A. F.


der jetzt dort „Aesthetik vom christlichen Standpunkt" liest und eine
Schrift über „die protestantische Universität" herausgegeben hat, so
mußte wenigstens ein Nauwerk, wenn er eben Universitätslehrer
sein und bleiben wollte, wohl seine Stellung als solcher kennen. Eine
Probe brauchte er nicht erst zumachen, denn diese ist längst gemacht;
er hat gegen seine Stellung gefehlt und kann sich nicht beklagen, daß
man ihn aus derselben vertrieben hat; man hat consequent gegen
ihn gehandelt. Was aber die mit seinen Vorlesungen und seiner
Wegweisung mehr oder minder zusammenhängenden Studentemmru-
hen betrifft, so weiß jeder vernünftige, klare Beobachter der Verhält¬
nisse, was er davon zu halten hat. Es ist dies freilich der Funke
eines neuen Bewußtseins, der in diese Jugend gefahren ist: die Art
aber, wie dasselbe sich äußert, ist ein Beweis, wie unsicher und halt¬
los es noch ist. Die Zeit ist vorüber, wo man mit dieser massen¬
haften Aufregung, mit diesem Enthusiasmus und seinen Demonstra¬
tionen, mit Straßenkrawall, Liedersingen, Toasten und Gedichtdecla-
mationen, rin bloßer Auflehnung gegen die bestehende Gewalt und
Verhöhnung der Polizisten ein Held der Freiheit wurde und etwas
auszurichten glaubte. Die ernste, klare, ruhige, theoretische Arbeit
und Kritik ist es allein, die uns die Thore der Zukunft öffnet, mit
allem Schreien und Raisonniren und Nenommiren kommt man zu
Nichts. Denn auch der ernsteste Skandal wird zuletzt lächerlich und
läuft in Nichts aus. Das haben die Berliner Studentenbewegun¬
gen wieder einmal recht deutlich bewiesen.


A. F.


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[0832] der jetzt dort „Aesthetik vom christlichen Standpunkt" liest und eine Schrift über „die protestantische Universität" herausgegeben hat, so mußte wenigstens ein Nauwerk, wenn er eben Universitätslehrer sein und bleiben wollte, wohl seine Stellung als solcher kennen. Eine Probe brauchte er nicht erst zumachen, denn diese ist längst gemacht; er hat gegen seine Stellung gefehlt und kann sich nicht beklagen, daß man ihn aus derselben vertrieben hat; man hat consequent gegen ihn gehandelt. Was aber die mit seinen Vorlesungen und seiner Wegweisung mehr oder minder zusammenhängenden Studentemmru- hen betrifft, so weiß jeder vernünftige, klare Beobachter der Verhält¬ nisse, was er davon zu halten hat. Es ist dies freilich der Funke eines neuen Bewußtseins, der in diese Jugend gefahren ist: die Art aber, wie dasselbe sich äußert, ist ein Beweis, wie unsicher und halt¬ los es noch ist. Die Zeit ist vorüber, wo man mit dieser massen¬ haften Aufregung, mit diesem Enthusiasmus und seinen Demonstra¬ tionen, mit Straßenkrawall, Liedersingen, Toasten und Gedichtdecla- mationen, rin bloßer Auflehnung gegen die bestehende Gewalt und Verhöhnung der Polizisten ein Held der Freiheit wurde und etwas auszurichten glaubte. Die ernste, klare, ruhige, theoretische Arbeit und Kritik ist es allein, die uns die Thore der Zukunft öffnet, mit allem Schreien und Raisonniren und Nenommiren kommt man zu Nichts. Denn auch der ernsteste Skandal wird zuletzt lächerlich und läuft in Nichts aus. Das haben die Berliner Studentenbewegun¬ gen wieder einmal recht deutlich bewiesen. A. F.

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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 3, 1844, I. Semester, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341546_179712/832>, abgerufen am 29.06.2024.