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Die Grenzboten. Jg. 3, 1844, I. Semester.

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keit, für deren starken, kräftigen Duft diese Räume zu eng wurden.
Indem die Wissenschaft und Forschung sich frei machte, mußte sie
sich eben von den Universitäten emancipiren, und diese sind auch hin¬
terher gekommen, diesen Schritt auch äußerlich darzustellen. Bevor
aber dies Alles, alle diese Thaten der Wissenschaft mit dieser Ener¬
gie geschehen waren und der Bruch noch nicht vollendet, zum Durch¬
bruch geworden, als man da noch eine Kritik der Berliner Univer¬
sität schrieb, da war die letztere auch noch von Bedeutung; und Je¬
der, der die wissenschaftliche Entwickelung der beiden letzten Jahr¬
zehnte verfolgt und begriffen hat, wird auch diese Bedeutung kennen.
Die Berliner Universität verdankt ihren Ruf einzig und allein der
ersten Anregung und Entwickelung jenes frischen wissenschaftlichen
Geistes, dessen scharf ausgebildete Conseguenzen es eben sind, welche
die kritische Bewegung, die kritischen Thaten und die ganze kritische
Collision der letzten Jahre hervorgerufen haben. Seit langer Zeit
ein Sitz gelehrter und schöngeistiger Bildung, wurde Berlin seit der
Gründung der Universität nun auch ein Mittelpunkt der Wissenschaft,
nicht der trockenen dürren Brodwissenschaft, mit der die übrigen Uni¬
versitäten die Jugend fütterten, sondern jener wahrhaft wissenschastli-
chen Interessen, jener lebendigen Forschung, deren einziger Zweck die
Erkenntniß ist. Die besonders auf den Universitäten nicht mehr be¬
achtete, zurückgesetzte oder in den Staub der Trivialität herabgezogene
Philosophie flüchtete sich nach Berlin und begann von hier aus ihre
neue Entwickelung. Als Hegel den Lehrstuhl in Berlin betrat, fing
sich eben das philosophische Interesse in Deutschland aus seinem lan¬
gen Schlafe zu erheben an. Er war es, der es geweckt hat mit
seinem mächtigen, weit- und tiefgreifenden Geist, und ihm verdankt
daher auch die Berliner Universität -- das abgerechnet, was Män¬
ner wie Fichte, Niebuhr u. s. w. schon früher geleistet hatten --
hauptsächlich ihre geschichtliche Bedeutung und jene letzten, schon mat¬
ter gewordenen Neste eines lebendigeren Geistes, der ihr vor den
übrigen Universitäten den großen Vorzug gewährt. Ein Geist ist es,
der noch, dahinsterbend, durch ihre Räume weht und sie lange Zeit
hindurch zur Repräsentantin eines neuen Strebens, eines neuen kräf¬
tig wissenschaftlichen Geistes gemacht hat. Bis auf den heutigen T"g
hat sich die dort studirende Juckend ein lebensvolleres, frischere-? Stre¬
ben erhalten, die allgemein wissenschaftlichen und philosophischen -dor-


keit, für deren starken, kräftigen Duft diese Räume zu eng wurden.
Indem die Wissenschaft und Forschung sich frei machte, mußte sie
sich eben von den Universitäten emancipiren, und diese sind auch hin¬
terher gekommen, diesen Schritt auch äußerlich darzustellen. Bevor
aber dies Alles, alle diese Thaten der Wissenschaft mit dieser Ener¬
gie geschehen waren und der Bruch noch nicht vollendet, zum Durch¬
bruch geworden, als man da noch eine Kritik der Berliner Univer¬
sität schrieb, da war die letztere auch noch von Bedeutung; und Je¬
der, der die wissenschaftliche Entwickelung der beiden letzten Jahr¬
zehnte verfolgt und begriffen hat, wird auch diese Bedeutung kennen.
Die Berliner Universität verdankt ihren Ruf einzig und allein der
ersten Anregung und Entwickelung jenes frischen wissenschaftlichen
Geistes, dessen scharf ausgebildete Conseguenzen es eben sind, welche
die kritische Bewegung, die kritischen Thaten und die ganze kritische
Collision der letzten Jahre hervorgerufen haben. Seit langer Zeit
ein Sitz gelehrter und schöngeistiger Bildung, wurde Berlin seit der
Gründung der Universität nun auch ein Mittelpunkt der Wissenschaft,
nicht der trockenen dürren Brodwissenschaft, mit der die übrigen Uni¬
versitäten die Jugend fütterten, sondern jener wahrhaft wissenschastli-
chen Interessen, jener lebendigen Forschung, deren einziger Zweck die
Erkenntniß ist. Die besonders auf den Universitäten nicht mehr be¬
achtete, zurückgesetzte oder in den Staub der Trivialität herabgezogene
Philosophie flüchtete sich nach Berlin und begann von hier aus ihre
neue Entwickelung. Als Hegel den Lehrstuhl in Berlin betrat, fing
sich eben das philosophische Interesse in Deutschland aus seinem lan¬
gen Schlafe zu erheben an. Er war es, der es geweckt hat mit
seinem mächtigen, weit- und tiefgreifenden Geist, und ihm verdankt
daher auch die Berliner Universität — das abgerechnet, was Män¬
ner wie Fichte, Niebuhr u. s. w. schon früher geleistet hatten —
hauptsächlich ihre geschichtliche Bedeutung und jene letzten, schon mat¬
ter gewordenen Neste eines lebendigeren Geistes, der ihr vor den
übrigen Universitäten den großen Vorzug gewährt. Ein Geist ist es,
der noch, dahinsterbend, durch ihre Räume weht und sie lange Zeit
hindurch zur Repräsentantin eines neuen Strebens, eines neuen kräf¬
tig wissenschaftlichen Geistes gemacht hat. Bis auf den heutigen T"g
hat sich die dort studirende Juckend ein lebensvolleres, frischere-? Stre¬
ben erhalten, die allgemein wissenschaftlichen und philosophischen -dor-


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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 3, 1844, I. Semester, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341546_179712/824>, abgerufen am 29.06.2024.