Bedeutung innerhalb der Entwickelung der Zelt verloren, sind alle ihre Demonstrationen nur für dieselbe höchst gleichgiltig geworden. Die Wissenschaft, indem sie mit der ihr gebotenen Lehrfreiheit Ernst machte, zeigte, was denn nun eigentlich ihr Wesen, d. h. eben die Freiheit sei, und die Universitäten wiederum bewiesen, wie sie sich zu diesem Wesen der Wissenschaft verhalten müßten; daß sie eben nicht Institute der Wissenschaft, sondern ganz außerhalb derselben stehender, bestimmter praktischer Interessen seien, daß es ihnen nur um diese, um die ihnen von Außen gegebenen Schranken und Voraussetzun¬ gen, nicht aber um die Wahrheit und Erkenntniß zu thun sei, die, keine Voraussetzung und Schranken anerkennend, sie mit einer wis- senschastlichen Nothwendigkeit durchbrechen. Indem die Universitäten so den vermeintlichen Irrthum nicht anders zu bekämpfen, als von sich fern zu halten oder zu verjagen wußten, haben sie sich selber das testimomnm p-iupertittis und in ihm ihr Todesurtheil ausgestellt innerhalb einer Zeit, wo es sich eben um einen offenen, entschiedenen Kampf der Gegensatze, um Thaten der wissenschaftlichen Erkenntniß, um den Muth der kritischen Aufrichtigkeit handelt und man nicht mehr durch Polizeimaßregeln beweisen kann, ob etwas Wahrheit sei oder nicht. Die Gründe, warum, und die Art, wie sie eine gewisse Art derZ Wissenschaft von sich ausgestoßen haben, beweisen hinlänglich ihre Stellung zur Wissenschaft überhaupt. Die von ihnen frei gewordene Theorie hat uns durch ihre einfache That und deren Folgen ihr Wesen erklärt, wir wissen jetzt, was die Universitäten der Zeit leisten können und was sie von ihnen zu erwarten hat. Mögen sie immer¬ hin gute pädagogische Anstalten, Abrichtungsanstalten sür zukünftige Staatsdiener sein: Institute der Wissenschaft, Repräsentanten wis¬ senschaftlichen Fortschritts und wissenschaftlicher Entwickelung sind sie nicht mehr.
Vor mehreren Jahren hatte man es noch der Mühe werth ge¬ halten, eine weitläufige kritische Darstellung der inneren Verhältnisse der Berliner Universität, so wie der Bedeutung und Wirksamkeit ih- r°r hervorstechenden Persönlichkeiten zu liefern; was aber damals noch von Interesse war, ist jetzt bedeutungslos geworden; die Wis¬ senschaft, noch innerhalb der Universitäten sich bewegend, hatte noch nicht jene reifen Früchte erzeugt, die sie abschütteln mußten, aus der schlummernden Knospe hatte sich noch nicht die stolze Blume entwik-
Bedeutung innerhalb der Entwickelung der Zelt verloren, sind alle ihre Demonstrationen nur für dieselbe höchst gleichgiltig geworden. Die Wissenschaft, indem sie mit der ihr gebotenen Lehrfreiheit Ernst machte, zeigte, was denn nun eigentlich ihr Wesen, d. h. eben die Freiheit sei, und die Universitäten wiederum bewiesen, wie sie sich zu diesem Wesen der Wissenschaft verhalten müßten; daß sie eben nicht Institute der Wissenschaft, sondern ganz außerhalb derselben stehender, bestimmter praktischer Interessen seien, daß es ihnen nur um diese, um die ihnen von Außen gegebenen Schranken und Voraussetzun¬ gen, nicht aber um die Wahrheit und Erkenntniß zu thun sei, die, keine Voraussetzung und Schranken anerkennend, sie mit einer wis- senschastlichen Nothwendigkeit durchbrechen. Indem die Universitäten so den vermeintlichen Irrthum nicht anders zu bekämpfen, als von sich fern zu halten oder zu verjagen wußten, haben sie sich selber das testimomnm p-iupertittis und in ihm ihr Todesurtheil ausgestellt innerhalb einer Zeit, wo es sich eben um einen offenen, entschiedenen Kampf der Gegensatze, um Thaten der wissenschaftlichen Erkenntniß, um den Muth der kritischen Aufrichtigkeit handelt und man nicht mehr durch Polizeimaßregeln beweisen kann, ob etwas Wahrheit sei oder nicht. Die Gründe, warum, und die Art, wie sie eine gewisse Art derZ Wissenschaft von sich ausgestoßen haben, beweisen hinlänglich ihre Stellung zur Wissenschaft überhaupt. Die von ihnen frei gewordene Theorie hat uns durch ihre einfache That und deren Folgen ihr Wesen erklärt, wir wissen jetzt, was die Universitäten der Zeit leisten können und was sie von ihnen zu erwarten hat. Mögen sie immer¬ hin gute pädagogische Anstalten, Abrichtungsanstalten sür zukünftige Staatsdiener sein: Institute der Wissenschaft, Repräsentanten wis¬ senschaftlichen Fortschritts und wissenschaftlicher Entwickelung sind sie nicht mehr.
Vor mehreren Jahren hatte man es noch der Mühe werth ge¬ halten, eine weitläufige kritische Darstellung der inneren Verhältnisse der Berliner Universität, so wie der Bedeutung und Wirksamkeit ih- r°r hervorstechenden Persönlichkeiten zu liefern; was aber damals noch von Interesse war, ist jetzt bedeutungslos geworden; die Wis¬ senschaft, noch innerhalb der Universitäten sich bewegend, hatte noch nicht jene reifen Früchte erzeugt, die sie abschütteln mußten, aus der schlummernden Knospe hatte sich noch nicht die stolze Blume entwik-
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Bedeutung innerhalb der Entwickelung der Zelt verloren, sind alle
ihre Demonstrationen nur für dieselbe höchst gleichgiltig geworden.
Die Wissenschaft, indem sie mit der ihr gebotenen Lehrfreiheit Ernst
machte, zeigte, was denn nun eigentlich ihr Wesen, d. h. eben die
Freiheit sei, und die Universitäten wiederum bewiesen, wie sie sich zu
diesem Wesen der Wissenschaft verhalten müßten; daß sie eben nicht
Institute der Wissenschaft, sondern ganz außerhalb derselben stehender,
bestimmter praktischer Interessen seien, daß es ihnen nur um diese,
um die ihnen von Außen gegebenen Schranken und Voraussetzun¬
gen, nicht aber um die Wahrheit und Erkenntniß zu thun sei, die,
keine Voraussetzung und Schranken anerkennend, sie mit einer wis-
senschastlichen Nothwendigkeit durchbrechen. Indem die Universitäten
so den vermeintlichen Irrthum nicht anders zu bekämpfen, als von
sich fern zu halten oder zu verjagen wußten, haben sie sich selber das
testimomnm p-iupertittis und in ihm ihr Todesurtheil ausgestellt
innerhalb einer Zeit, wo es sich eben um einen offenen, entschiedenen
Kampf der Gegensatze, um Thaten der wissenschaftlichen Erkenntniß, um
den Muth der kritischen Aufrichtigkeit handelt und man nicht mehr
durch Polizeimaßregeln beweisen kann, ob etwas Wahrheit sei oder
nicht. Die Gründe, warum, und die Art, wie sie eine gewisse Art
derZ Wissenschaft von sich ausgestoßen haben, beweisen hinlänglich ihre
Stellung zur Wissenschaft überhaupt. Die von ihnen frei gewordene
Theorie hat uns durch ihre einfache That und deren Folgen ihr
Wesen erklärt, wir wissen jetzt, was die Universitäten der Zeit leisten
können und was sie von ihnen zu erwarten hat. Mögen sie immer¬
hin gute pädagogische Anstalten, Abrichtungsanstalten sür zukünftige
Staatsdiener sein: Institute der Wissenschaft, Repräsentanten wis¬
senschaftlichen Fortschritts und wissenschaftlicher Entwickelung sind sie
nicht mehr.
Vor mehreren Jahren hatte man es noch der Mühe werth ge¬
halten, eine weitläufige kritische Darstellung der inneren Verhältnisse
der Berliner Universität, so wie der Bedeutung und Wirksamkeit ih-
r°r hervorstechenden Persönlichkeiten zu liefern; was aber damals
noch von Interesse war, ist jetzt bedeutungslos geworden; die Wis¬
senschaft, noch innerhalb der Universitäten sich bewegend, hatte noch
nicht jene reifen Früchte erzeugt, die sie abschütteln mußten, aus der
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Die Grenzboten. Jg. 3, 1844, I. Semester, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341546_179712/823>, abgerufen am 22.12.2024.
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