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Die Grenzboten. Jg. 3, 1844, I. Semester.

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den Beweis davon erhalten. Als Kossuth durch seine geschriebene
Zeitung zuerst bewies, wie alle Censurmaßregeln unzureichend sind
gegen Verbreitung politischer Ideen, da riechen die Freunde des Fort¬
schritts und der Regierung, an die Stelle dieser geheimen Presse,
die man doch weder beherrschen, noch widerlegen könne, lieber die
Meinung der Opposition in offener Schrift frei zu geben, um sie
mit ihren eigenen Waffen bekämpfen zu können. Dies geschah wirk¬
lich; der magyarischen Presse wurden die Fesseln abgenommen. Die
Discussion begann und die Negierung -- war nichts weniger als
unglücklich in diesem Kampfe. Vielmehr fand sie in dem Grafen
Aurel Dessewffy, der die Leitungsartikel in dem Regierungsblatte
Vü-LZ (Welt-Licht) schrieb, einen beredten und gewinnenden Wortfüh¬
rer, der- dem "Pesel Hirlap" des feurigen und radicalen Kossuth
ungefähr in demselben Verhältniß entgegentrat, wie das Journal des
Debats dem National. Obgleich Desfewfy mittlerweile gestorben ist,
hat die Regierung bis auf diesen Augenblick nicht Ursache gehabt,
die freie Bahn, die sie der magyarischen Presse eröffnete, zu bereuen.
Sollte das für die deutsche Presse kein Beispiel geben?

In einem weit günstigeren Verhältnisse, als die deutschen Blät¬
ter in Ungarn befindet sich die von Or. Henßelmann in Preßburg
redigirte, aber in Leipzig bei Georg Wigand erscheinende "Vierteljcchrs-
schnft aus und für Ungarn." Ihr Druckort enthebt sie den österreichi¬
schen Censurschranken, während ihr Redacteur und seine vorzüglichsten
Mitarbeiter in Preßburg auf dem Schauplatze des Reichstages selbst
ihr Material sammeln. Diese Review verdiente ob ihres reichhal-



Außer der von Herrn Neustadt redigirten Preßburger Zeitung "Pan-
nonia' erscheinen in Ungarn noch die Ofener Zeitung, welche manche inter¬
essante Correspondenz über die Donaufürstenthümer bringt, die Agramer Zei¬
tung (slavischer Tendenz), serner in Pesth die Zeitschriften: "Der Ungar",
redigirt von Klein, unter Mitwirkung von Julius Seidlitz, "das Pesther Tage¬
blatt", redigirt von Dr. Sigismund Saphir, "der Spiegel", redigirt von Dr.
Rosenthal, und mehrere andere Provinzialblätter, unter welchen die zwei Sie¬
benbürgischen Blätter, die mir leider nur flüchtig zu Gesicht kamen, von ei¬
nem merkwürdigen geistig-politischen Leben der Siebenbürgischen Sachsen
Zeugniß geben. Warum -- da man doch in Deutschland so viel Theilnahme
für die Deutschen in Siebenbürgen affichirt -- findet man nirgends diese.zwei
siebenbürgischen Journale, die eine so ganz eigenthümliche originelle Färbung
haben und interessante Aufschlüsse über die Bewegung dieser deutschen Kolonie
liefern? Nicht einmal in dem sonst so completten Museum in Leipzig finden ste
sich vor; und doch beträgt das jährliche Abonnement auf beide Blätter nur
eine Kleinigkeit. (Wenn ich nicht irre, vier Gulden C.M.)

den Beweis davon erhalten. Als Kossuth durch seine geschriebene
Zeitung zuerst bewies, wie alle Censurmaßregeln unzureichend sind
gegen Verbreitung politischer Ideen, da riechen die Freunde des Fort¬
schritts und der Regierung, an die Stelle dieser geheimen Presse,
die man doch weder beherrschen, noch widerlegen könne, lieber die
Meinung der Opposition in offener Schrift frei zu geben, um sie
mit ihren eigenen Waffen bekämpfen zu können. Dies geschah wirk¬
lich; der magyarischen Presse wurden die Fesseln abgenommen. Die
Discussion begann und die Negierung — war nichts weniger als
unglücklich in diesem Kampfe. Vielmehr fand sie in dem Grafen
Aurel Dessewffy, der die Leitungsartikel in dem Regierungsblatte
Vü-LZ (Welt-Licht) schrieb, einen beredten und gewinnenden Wortfüh¬
rer, der- dem „Pesel Hirlap" des feurigen und radicalen Kossuth
ungefähr in demselben Verhältniß entgegentrat, wie das Journal des
Debats dem National. Obgleich Desfewfy mittlerweile gestorben ist,
hat die Regierung bis auf diesen Augenblick nicht Ursache gehabt,
die freie Bahn, die sie der magyarischen Presse eröffnete, zu bereuen.
Sollte das für die deutsche Presse kein Beispiel geben?

In einem weit günstigeren Verhältnisse, als die deutschen Blät¬
ter in Ungarn befindet sich die von Or. Henßelmann in Preßburg
redigirte, aber in Leipzig bei Georg Wigand erscheinende „Vierteljcchrs-
schnft aus und für Ungarn." Ihr Druckort enthebt sie den österreichi¬
schen Censurschranken, während ihr Redacteur und seine vorzüglichsten
Mitarbeiter in Preßburg auf dem Schauplatze des Reichstages selbst
ihr Material sammeln. Diese Review verdiente ob ihres reichhal-



Außer der von Herrn Neustadt redigirten Preßburger Zeitung „Pan-
nonia' erscheinen in Ungarn noch die Ofener Zeitung, welche manche inter¬
essante Correspondenz über die Donaufürstenthümer bringt, die Agramer Zei¬
tung (slavischer Tendenz), serner in Pesth die Zeitschriften: „Der Ungar",
redigirt von Klein, unter Mitwirkung von Julius Seidlitz, „das Pesther Tage¬
blatt", redigirt von Dr. Sigismund Saphir, „der Spiegel", redigirt von Dr.
Rosenthal, und mehrere andere Provinzialblätter, unter welchen die zwei Sie¬
benbürgischen Blätter, die mir leider nur flüchtig zu Gesicht kamen, von ei¬
nem merkwürdigen geistig-politischen Leben der Siebenbürgischen Sachsen
Zeugniß geben. Warum — da man doch in Deutschland so viel Theilnahme
für die Deutschen in Siebenbürgen affichirt — findet man nirgends diese.zwei
siebenbürgischen Journale, die eine so ganz eigenthümliche originelle Färbung
haben und interessante Aufschlüsse über die Bewegung dieser deutschen Kolonie
liefern? Nicht einmal in dem sonst so completten Museum in Leipzig finden ste
sich vor; und doch beträgt das jährliche Abonnement auf beide Blätter nur
eine Kleinigkeit. (Wenn ich nicht irre, vier Gulden C.M.)
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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 3, 1844, I. Semester, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341546_179712/820>, abgerufen am 29.06.2024.