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Die Grenzboten. Jg. 3, 1844, I. Semester.

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-- Wenn das Buch des Marquis do Cnstinc auch sonst Nichts
geleistet hätte, als daß es die Aufmerksamkeit Europas auf das Schick¬
sal der heroischen Fürstin Trubetzkoi lenkte, so wäre eS eines der ver¬
dienstlichsten, die seit Jahren geschrieben wurden. Der Fürst Trubetzkoi
war noch ein Jüngling, als er, verwickelt in die bekannte Verschwö¬
rung gegen den Kaiser von Rußland, zur Arbeit in den Ural'sehen
Quccksilberbcrgwerkeu verurtheilt wurde. Freiwillig stieg seine edle
Göttin mit ihm in den unterirdischen Kerker hinab, theilte seine Lei¬
den und Anstrengungen und dort, mitten in den pestilenzialischen
Dünsten der Quecksilbcrmincn, gebar und erzog sie dem Unglücklichen
fünf Kinder. Als die gesetzliche Strafzeit vorüber war, wurde der
Fürst zur Ansiedelung an die Küsten des sibirischen Eismeeres verbannt.
Auch dahin folgte ihm seine Gattin mit ihren Kindern. Als Kinder
eines Verurtheilten werden sie nicht als legitim betrachtet, sie haben
nach russischem "Gesetz" keinen Namen; sie sind in den Registern der
Strafkolonie blos mit Nummern bezeichnet. Als diese Kleinen, die --
antichristlich genug -- für das Vergehen ihres Vaters so entsetzlich
gestraft werde", erkrankten, wagte man es in Se. Petersburg, dem
Kaiser eine Bittschrift der erhabenen Mutter zu überreichen, worin diese
nach fünfzehn Jahren unaussprechlicher Leiden für ihre Kinder um
Gnade (!) und um die Erlaubniß bat, sie zur Heilung und Pflege
nach Moskau schicken zu dürfen. Der Czar soll geantwortet haben:
"Noch immer wagt man eS, mich an eine Familie zu er¬
innern, deren Haupt gegen mich conspirirt hat!" -- Wir
wollen hier kein Urtheil über den Menschen Nikolaus fällen, dessen
ritterliche Edelhcrzigkeit so vielfach gerühmt wird. Nur das müssen
wir bemerken: Von vielen Seiten wird das Custinc'sche Buch ein
übertreibendes, schmähendes, eine Satyre genannt; allein wir haben
in all seinen Raisonnements Nichts gefunden, waS schneidender und
lauter spräche, als diese -- Thatsache. Ohne, wie gesagt, über den
Charakter des Kaisers zu urtheilen, müssen wir doch annehmen: Er
hatte keine Ahnung davon, daß diese Frau des Verbrechers Trubetzkoi
unsterblich ist; daß sie in den Annalen der Welt als ein Beispiel der
edelsten Selbstverläugnung und des weiblichen Heroismus ewig leuchten,
daß sie vielleicht einen Abglanz auf die Periode seiner Regierung zu¬
rückwerfen, und daß die Nachwelt staunen wird über das Wunder
einer solchen Erscheinung in -- Rußland. -- Jetzt heißt es, daß man
sich höheren Orts für die Fürstin Trubetzkoi verwenden wolle. Damit
meint man vermuthlich, daß die Kaiserin von Rußland für die Un,
glückliche einschreiten werde. Die Kaiserin wird sich selbst dadurch
ehren und fast möchten wir sagen, daß sie nur ihre Pflicht, als deutsche
Fürstin und in der Stellung, die ihr das Schicksal angewiesen hat,
erfüllen werde.


— Wenn das Buch des Marquis do Cnstinc auch sonst Nichts
geleistet hätte, als daß es die Aufmerksamkeit Europas auf das Schick¬
sal der heroischen Fürstin Trubetzkoi lenkte, so wäre eS eines der ver¬
dienstlichsten, die seit Jahren geschrieben wurden. Der Fürst Trubetzkoi
war noch ein Jüngling, als er, verwickelt in die bekannte Verschwö¬
rung gegen den Kaiser von Rußland, zur Arbeit in den Ural'sehen
Quccksilberbcrgwerkeu verurtheilt wurde. Freiwillig stieg seine edle
Göttin mit ihm in den unterirdischen Kerker hinab, theilte seine Lei¬
den und Anstrengungen und dort, mitten in den pestilenzialischen
Dünsten der Quecksilbcrmincn, gebar und erzog sie dem Unglücklichen
fünf Kinder. Als die gesetzliche Strafzeit vorüber war, wurde der
Fürst zur Ansiedelung an die Küsten des sibirischen Eismeeres verbannt.
Auch dahin folgte ihm seine Gattin mit ihren Kindern. Als Kinder
eines Verurtheilten werden sie nicht als legitim betrachtet, sie haben
nach russischem „Gesetz" keinen Namen; sie sind in den Registern der
Strafkolonie blos mit Nummern bezeichnet. Als diese Kleinen, die —
antichristlich genug — für das Vergehen ihres Vaters so entsetzlich
gestraft werde», erkrankten, wagte man es in Se. Petersburg, dem
Kaiser eine Bittschrift der erhabenen Mutter zu überreichen, worin diese
nach fünfzehn Jahren unaussprechlicher Leiden für ihre Kinder um
Gnade (!) und um die Erlaubniß bat, sie zur Heilung und Pflege
nach Moskau schicken zu dürfen. Der Czar soll geantwortet haben:
„Noch immer wagt man eS, mich an eine Familie zu er¬
innern, deren Haupt gegen mich conspirirt hat!" — Wir
wollen hier kein Urtheil über den Menschen Nikolaus fällen, dessen
ritterliche Edelhcrzigkeit so vielfach gerühmt wird. Nur das müssen
wir bemerken: Von vielen Seiten wird das Custinc'sche Buch ein
übertreibendes, schmähendes, eine Satyre genannt; allein wir haben
in all seinen Raisonnements Nichts gefunden, waS schneidender und
lauter spräche, als diese — Thatsache. Ohne, wie gesagt, über den
Charakter des Kaisers zu urtheilen, müssen wir doch annehmen: Er
hatte keine Ahnung davon, daß diese Frau des Verbrechers Trubetzkoi
unsterblich ist; daß sie in den Annalen der Welt als ein Beispiel der
edelsten Selbstverläugnung und des weiblichen Heroismus ewig leuchten,
daß sie vielleicht einen Abglanz auf die Periode seiner Regierung zu¬
rückwerfen, und daß die Nachwelt staunen wird über das Wunder
einer solchen Erscheinung in — Rußland. — Jetzt heißt es, daß man
sich höheren Orts für die Fürstin Trubetzkoi verwenden wolle. Damit
meint man vermuthlich, daß die Kaiserin von Rußland für die Un,
glückliche einschreiten werde. Die Kaiserin wird sich selbst dadurch
ehren und fast möchten wir sagen, daß sie nur ihre Pflicht, als deutsche
Fürstin und in der Stellung, die ihr das Schicksal angewiesen hat,
erfüllen werde.


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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 3, 1844, I. Semester, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341546_179712/82>, abgerufen am 22.12.2024.