Scbullosigkeit ein feines musikalisches Ohr mehr peinigen, als ergötzen und das Kunstwerk im Gesang und vollends im Spiel zur Carricatur machen. Nur wenige Opernhäuser ersten Ranges können die Kräfte herbeischaffen, die ein so capriciöseS, unzählige Combinationen bedin¬ gendes Kunstwerk, wie daS musikalische Drama, fordert, um wirklich dem Bereiche der Kunst anzugehören. Das recitirendc Schauspiel braucht weit geringere Dinge. Die Mittel dazu sind näher bei der Hand. Verwendet man nun vollends alle Kräfte, die dem Bühncnbudgct zu Gebote stehen, auf das eine Feld, so kann man dieses leicht zu etwas Glänzenden, Vortrefflichen heranbilden. Die Miserabilität unserer deutschen Theater liegt größtentheils an der Zersplitterung in Oper und Schauspiel, wodurch die meisten Bühnen nicht Fisch, nicht Fleisch sind. --
-- Schon wieder ein neuer ClavierspielerHerr Goldschmidt aus Prag, den seines Landsmannes Dreischock Lorbeeren nicht schlafen ließen und der nun Deutschland durchzieht, "um einem längst gefühl¬ ten Bedürfniß abzuhelfen" und sich hören zu lassen. Werden diese Clavicrrciscndcn nie ein Ende nehmen? Was zwingt Herrn Goldschmidt, seine böhmischen Wälder zu verlasse"? Herr Goldschmidt ist der Sohn eines außerordentlich reichen Mannes in Prag. Wir begreifen, daß die schöpferische Kunst nach Oeffentlichkeit dringt, daß ein Bild¬ hauer, ein Maler, ein Poet, ein Tondichter brennt, seine Schöpfun¬ gen der Welt vorzuführen. Aber die ereeutivc Kunst kann nur zwei Motive haben, sich vorzudrängen: Nahrungssorgen und im vergrößer¬ ten Maßstabe Lust nach Gewinn -- oder Eitelkeit. Bei der Anzahl von Virtuosen, die sich zum Nachtheil anderer öffentlichen, würdigern Regungen ans den großen Markt drängen, sollte man endlich behut¬ samer werden mit diesen Herren. Die ki-me Journalkritik ist leider in allen Ländern noch den Ueberredungskünsten gelblicher Argumente zugänglich. Auf diesem Wege werden reiche Künstler leider stets eher Lobschreier finden als andere. Ergreift nun die Virtuoscnmanie unsere retchen BankicrSsöhne, wie in letzterer Zeit so oft der Fall sich zeigte -- dann können wir'S am Ende erleben, daß das musikalische Renommee ein Privilegium der Reichen wird. Wir wollen hier nicht auf zwei Berliner berühmte BankicrSsöhne, die in diesem Augenblicke die zwei größten musikalischen Celebritäten Deutschlands sind, hinweisen. Diese Herren haben sicherlich das Meiste ihrem großen Talente zu danken. Aber nur daS Meiste; einen guten Theil erwarb ihnen ihre günstige äußere Lage. Ist es uun aber nicht empörend, daß sogar im Reiche des Geistes der Arme dem Reichen nachstehen muß? Daß das Gute durch Reichthum zum Vortrefflichen, und das Mittelmäßige zum Gu¬ ten gestempelt wird, wenn es ben gehörigen Zusatz von Gold hat!
Scbullosigkeit ein feines musikalisches Ohr mehr peinigen, als ergötzen und das Kunstwerk im Gesang und vollends im Spiel zur Carricatur machen. Nur wenige Opernhäuser ersten Ranges können die Kräfte herbeischaffen, die ein so capriciöseS, unzählige Combinationen bedin¬ gendes Kunstwerk, wie daS musikalische Drama, fordert, um wirklich dem Bereiche der Kunst anzugehören. Das recitirendc Schauspiel braucht weit geringere Dinge. Die Mittel dazu sind näher bei der Hand. Verwendet man nun vollends alle Kräfte, die dem Bühncnbudgct zu Gebote stehen, auf das eine Feld, so kann man dieses leicht zu etwas Glänzenden, Vortrefflichen heranbilden. Die Miserabilität unserer deutschen Theater liegt größtentheils an der Zersplitterung in Oper und Schauspiel, wodurch die meisten Bühnen nicht Fisch, nicht Fleisch sind. —
— Schon wieder ein neuer ClavierspielerHerr Goldschmidt aus Prag, den seines Landsmannes Dreischock Lorbeeren nicht schlafen ließen und der nun Deutschland durchzieht, „um einem längst gefühl¬ ten Bedürfniß abzuhelfen" und sich hören zu lassen. Werden diese Clavicrrciscndcn nie ein Ende nehmen? Was zwingt Herrn Goldschmidt, seine böhmischen Wälder zu verlasse»? Herr Goldschmidt ist der Sohn eines außerordentlich reichen Mannes in Prag. Wir begreifen, daß die schöpferische Kunst nach Oeffentlichkeit dringt, daß ein Bild¬ hauer, ein Maler, ein Poet, ein Tondichter brennt, seine Schöpfun¬ gen der Welt vorzuführen. Aber die ereeutivc Kunst kann nur zwei Motive haben, sich vorzudrängen: Nahrungssorgen und im vergrößer¬ ten Maßstabe Lust nach Gewinn — oder Eitelkeit. Bei der Anzahl von Virtuosen, die sich zum Nachtheil anderer öffentlichen, würdigern Regungen ans den großen Markt drängen, sollte man endlich behut¬ samer werden mit diesen Herren. Die ki-me Journalkritik ist leider in allen Ländern noch den Ueberredungskünsten gelblicher Argumente zugänglich. Auf diesem Wege werden reiche Künstler leider stets eher Lobschreier finden als andere. Ergreift nun die Virtuoscnmanie unsere retchen BankicrSsöhne, wie in letzterer Zeit so oft der Fall sich zeigte — dann können wir'S am Ende erleben, daß das musikalische Renommee ein Privilegium der Reichen wird. Wir wollen hier nicht auf zwei Berliner berühmte BankicrSsöhne, die in diesem Augenblicke die zwei größten musikalischen Celebritäten Deutschlands sind, hinweisen. Diese Herren haben sicherlich das Meiste ihrem großen Talente zu danken. Aber nur daS Meiste; einen guten Theil erwarb ihnen ihre günstige äußere Lage. Ist es uun aber nicht empörend, daß sogar im Reiche des Geistes der Arme dem Reichen nachstehen muß? Daß das Gute durch Reichthum zum Vortrefflichen, und das Mittelmäßige zum Gu¬ ten gestempelt wird, wenn es ben gehörigen Zusatz von Gold hat!
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Scbullosigkeit ein feines musikalisches Ohr mehr peinigen, als ergötzen
und das Kunstwerk im Gesang und vollends im Spiel zur Carricatur
machen. Nur wenige Opernhäuser ersten Ranges können die Kräfte
herbeischaffen, die ein so capriciöseS, unzählige Combinationen bedin¬
gendes Kunstwerk, wie daS musikalische Drama, fordert, um wirklich dem
Bereiche der Kunst anzugehören. Das recitirendc Schauspiel braucht
weit geringere Dinge. Die Mittel dazu sind näher bei der Hand.
Verwendet man nun vollends alle Kräfte, die dem Bühncnbudgct zu
Gebote stehen, auf das eine Feld, so kann man dieses leicht zu etwas
Glänzenden, Vortrefflichen heranbilden. Die Miserabilität unserer
deutschen Theater liegt größtentheils an der Zersplitterung in Oper und
Schauspiel, wodurch die meisten Bühnen nicht Fisch, nicht Fleisch
sind. —
— Schon wieder ein neuer ClavierspielerHerr Goldschmidt aus
Prag, den seines Landsmannes Dreischock Lorbeeren nicht schlafen
ließen und der nun Deutschland durchzieht, „um einem längst gefühl¬
ten Bedürfniß abzuhelfen" und sich hören zu lassen. Werden diese
Clavicrrciscndcn nie ein Ende nehmen? Was zwingt Herrn Goldschmidt,
seine böhmischen Wälder zu verlasse»? Herr Goldschmidt ist der Sohn
eines außerordentlich reichen Mannes in Prag. Wir begreifen, daß
die schöpferische Kunst nach Oeffentlichkeit dringt, daß ein Bild¬
hauer, ein Maler, ein Poet, ein Tondichter brennt, seine Schöpfun¬
gen der Welt vorzuführen. Aber die ereeutivc Kunst kann nur zwei
Motive haben, sich vorzudrängen: Nahrungssorgen und im vergrößer¬
ten Maßstabe Lust nach Gewinn — oder Eitelkeit. Bei der Anzahl
von Virtuosen, die sich zum Nachtheil anderer öffentlichen, würdigern
Regungen ans den großen Markt drängen, sollte man endlich behut¬
samer werden mit diesen Herren. Die ki-me Journalkritik ist leider
in allen Ländern noch den Ueberredungskünsten gelblicher Argumente
zugänglich. Auf diesem Wege werden reiche Künstler leider stets eher
Lobschreier finden als andere. Ergreift nun die Virtuoscnmanie unsere
retchen BankicrSsöhne, wie in letzterer Zeit so oft der Fall sich zeigte —
dann können wir'S am Ende erleben, daß das musikalische Renommee
ein Privilegium der Reichen wird. Wir wollen hier nicht auf zwei
Berliner berühmte BankicrSsöhne, die in diesem Augenblicke die zwei
größten musikalischen Celebritäten Deutschlands sind, hinweisen. Diese
Herren haben sicherlich das Meiste ihrem großen Talente zu danken.
Aber nur daS Meiste; einen guten Theil erwarb ihnen ihre günstige
äußere Lage. Ist es uun aber nicht empörend, daß sogar im Reiche
des Geistes der Arme dem Reichen nachstehen muß? Daß das Gute
durch Reichthum zum Vortrefflichen, und das Mittelmäßige zum Gu¬
ten gestempelt wird, wenn es ben gehörigen Zusatz von Gold hat!
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Die Grenzboten. Jg. 3, 1844, I. Semester, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341546_179712/81>, abgerufen am 22.12.2024.
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