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Die Grenzboten. Jg. 3, 1844, I. Semester.

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Hilfe bedürfen jene Deutschen am allerwenigsten. Sie haben kraft
ihrer repräsentativen Verfassung, kraft ihrer Eigenschaft als Sieben-
bürgner eine Selbständigkeit, die ihnen kein deutscher Bundesstaat in
dem Grade gelassen hätte. Es sollte ihnen selbst in Baden, Sach¬
sen oder Würtemberg schwer fallen, mit derselben Hartnäckigkeit wie
dort, dem Staatsinteresse gegenüber ihre ererbten Eigenheiten und
Privilegien sich zu wahren. Kommt die Zeit, wo Ungarn und Deutsch¬
land sich verständigt haben und Hand in Hand mit einander dem
gemeinsamen Feinde die Stirne bieten, dann wird Deutschlands Wort,
zu Gunsten der sächsischen Brüder in Siebenbürgen, viel mehr Ge¬
wicht haben als die unfruchtbare nachdruckslose Journalpolenük, die
bisweilen über diesen Gegenstand geführt wird. Der echte National¬
geist besteht darin, den Vortheil der Nation im Ganzen und Gro¬
ßen zu erfassen und nicht in kleine, wenn auch noch so wünschens-
werthe Nebendinge, sich zu zersplittern und vom Hauptziel ablenken
ulaen.

Die Vortheile eines freundlichen, herzlichen Verständnisses mit
den Magyaren können hier nur angedeutet werden; sie in'ö Detail
zu verfolgen, die vielfachen materiellen und geistigen Berührungs¬
punkte, so oft sie auf der Oberfläche des Verkehrs erscheinen, zu fas¬
sen und zu commentiren, dies wäre die Aufgabe der in Ungarn le¬
benden deutschen Schriftsteller. Es erscheinen in Preßburg, im An¬
gesicht des Reichstags, zwei deutsche Blätter, deren Redacteur ein
wackerer und rüstiger junger Schriftsteller, Herr Adolf Neu¬
stadt, ist; die eine, die Preßburger Zeitung, ist wegen der Nasch-
heit und Gedrängtheit, mit welcher sie die Verhandlungen des Reichs¬
tags bringt, von Wichtigkeit. Das andere Blatt, die Pannonia,
bringt Sittenschilderungen, Localnotizen, Korrespondenzen aus Wien,
Pesth :c. und gilt als eines der rüstigsten Provinzialblätter Oesterreichs.
Aber keines von diesen beiden Blättern erfüllt den Zweck einer Ver¬
mittelung, oder wenigstens eines klaren Beleuchtens und Gegeneinan-
berstellenS der deutschen und magyarischen Interessen; eine Aufgabe,
die um so Wünschenswerther erscheint, als die Korrespondenzen, die von
Preßburg aus in die deutschen Blätter kommen, nur von Parteileiden-
schast dictirt sind und entweder allzudienstfertige Vertreter der Negie¬
rung oder heißblutige Ultramagyaren zu Verfassern haben. Die in
der Mitte liegende Wahrheit ist schwer herauszuschälen. Zudem ge-


G"iizlwtim I. zgz

Hilfe bedürfen jene Deutschen am allerwenigsten. Sie haben kraft
ihrer repräsentativen Verfassung, kraft ihrer Eigenschaft als Sieben-
bürgner eine Selbständigkeit, die ihnen kein deutscher Bundesstaat in
dem Grade gelassen hätte. Es sollte ihnen selbst in Baden, Sach¬
sen oder Würtemberg schwer fallen, mit derselben Hartnäckigkeit wie
dort, dem Staatsinteresse gegenüber ihre ererbten Eigenheiten und
Privilegien sich zu wahren. Kommt die Zeit, wo Ungarn und Deutsch¬
land sich verständigt haben und Hand in Hand mit einander dem
gemeinsamen Feinde die Stirne bieten, dann wird Deutschlands Wort,
zu Gunsten der sächsischen Brüder in Siebenbürgen, viel mehr Ge¬
wicht haben als die unfruchtbare nachdruckslose Journalpolenük, die
bisweilen über diesen Gegenstand geführt wird. Der echte National¬
geist besteht darin, den Vortheil der Nation im Ganzen und Gro¬
ßen zu erfassen und nicht in kleine, wenn auch noch so wünschens-
werthe Nebendinge, sich zu zersplittern und vom Hauptziel ablenken
ulaen.

Die Vortheile eines freundlichen, herzlichen Verständnisses mit
den Magyaren können hier nur angedeutet werden; sie in'ö Detail
zu verfolgen, die vielfachen materiellen und geistigen Berührungs¬
punkte, so oft sie auf der Oberfläche des Verkehrs erscheinen, zu fas¬
sen und zu commentiren, dies wäre die Aufgabe der in Ungarn le¬
benden deutschen Schriftsteller. Es erscheinen in Preßburg, im An¬
gesicht des Reichstags, zwei deutsche Blätter, deren Redacteur ein
wackerer und rüstiger junger Schriftsteller, Herr Adolf Neu¬
stadt, ist; die eine, die Preßburger Zeitung, ist wegen der Nasch-
heit und Gedrängtheit, mit welcher sie die Verhandlungen des Reichs¬
tags bringt, von Wichtigkeit. Das andere Blatt, die Pannonia,
bringt Sittenschilderungen, Localnotizen, Korrespondenzen aus Wien,
Pesth :c. und gilt als eines der rüstigsten Provinzialblätter Oesterreichs.
Aber keines von diesen beiden Blättern erfüllt den Zweck einer Ver¬
mittelung, oder wenigstens eines klaren Beleuchtens und Gegeneinan-
berstellenS der deutschen und magyarischen Interessen; eine Aufgabe,
die um so Wünschenswerther erscheint, als die Korrespondenzen, die von
Preßburg aus in die deutschen Blätter kommen, nur von Parteileiden-
schast dictirt sind und entweder allzudienstfertige Vertreter der Negie¬
rung oder heißblutige Ultramagyaren zu Verfassern haben. Die in
der Mitte liegende Wahrheit ist schwer herauszuschälen. Zudem ge-


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[0817] Hilfe bedürfen jene Deutschen am allerwenigsten. Sie haben kraft ihrer repräsentativen Verfassung, kraft ihrer Eigenschaft als Sieben- bürgner eine Selbständigkeit, die ihnen kein deutscher Bundesstaat in dem Grade gelassen hätte. Es sollte ihnen selbst in Baden, Sach¬ sen oder Würtemberg schwer fallen, mit derselben Hartnäckigkeit wie dort, dem Staatsinteresse gegenüber ihre ererbten Eigenheiten und Privilegien sich zu wahren. Kommt die Zeit, wo Ungarn und Deutsch¬ land sich verständigt haben und Hand in Hand mit einander dem gemeinsamen Feinde die Stirne bieten, dann wird Deutschlands Wort, zu Gunsten der sächsischen Brüder in Siebenbürgen, viel mehr Ge¬ wicht haben als die unfruchtbare nachdruckslose Journalpolenük, die bisweilen über diesen Gegenstand geführt wird. Der echte National¬ geist besteht darin, den Vortheil der Nation im Ganzen und Gro¬ ßen zu erfassen und nicht in kleine, wenn auch noch so wünschens- werthe Nebendinge, sich zu zersplittern und vom Hauptziel ablenken ulaen. Die Vortheile eines freundlichen, herzlichen Verständnisses mit den Magyaren können hier nur angedeutet werden; sie in'ö Detail zu verfolgen, die vielfachen materiellen und geistigen Berührungs¬ punkte, so oft sie auf der Oberfläche des Verkehrs erscheinen, zu fas¬ sen und zu commentiren, dies wäre die Aufgabe der in Ungarn le¬ benden deutschen Schriftsteller. Es erscheinen in Preßburg, im An¬ gesicht des Reichstags, zwei deutsche Blätter, deren Redacteur ein wackerer und rüstiger junger Schriftsteller, Herr Adolf Neu¬ stadt, ist; die eine, die Preßburger Zeitung, ist wegen der Nasch- heit und Gedrängtheit, mit welcher sie die Verhandlungen des Reichs¬ tags bringt, von Wichtigkeit. Das andere Blatt, die Pannonia, bringt Sittenschilderungen, Localnotizen, Korrespondenzen aus Wien, Pesth :c. und gilt als eines der rüstigsten Provinzialblätter Oesterreichs. Aber keines von diesen beiden Blättern erfüllt den Zweck einer Ver¬ mittelung, oder wenigstens eines klaren Beleuchtens und Gegeneinan- berstellenS der deutschen und magyarischen Interessen; eine Aufgabe, die um so Wünschenswerther erscheint, als die Korrespondenzen, die von Preßburg aus in die deutschen Blätter kommen, nur von Parteileiden- schast dictirt sind und entweder allzudienstfertige Vertreter der Negie¬ rung oder heißblutige Ultramagyaren zu Verfassern haben. Die in der Mitte liegende Wahrheit ist schwer herauszuschälen. Zudem ge- G«iizlwtim I. zgz

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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 3, 1844, I. Semester, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341546_179712/817>, abgerufen am 29.06.2024.