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Die Grenzboten. Jg. 3, 1844, I. Semester.

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Tribut zu bringen, und da sie aus Mangel an Rhabarber und Thee
sterben würden, so hat er ihnen gnädiglich die Freiheit gegeben, in
Canton diese Waaren einzutauschen. Allein was thun diese Elenden?
Sie bringen ein Gift, in Geruch und Farbe dem Kothe gleich, wel¬
ches sie den Einwohnern dieses blumenreichen Landes verkaufen. Nun
denke sich Jemand diese unerhörte Frechheit! Wäre es nur der ge¬
meine Pöbel, welcher durch den Gebrauch des Opiums verführt
würde, so wäre dies noch zu ertragen, denn an dem ist nicht viel
gelegen; aber die Soldaten und ihre Offiziere nahmen so viel von
diesem betäubenden Safte, daß sie für den Dienst ganz untüchtig
wurden :c. ze." Sehr oft leuchtet aus der Denkschrift eine gewisse
Aufklärung und Bewußtheit hervor; so drückt er sich einmal über ei¬
nen ganz lügenhaften Bericht an den Kaisir dahin aus: "es wurde
ihm (des Anstandes wegen) in unserer Sprache mitgetheilt! Wie
fein da das schiefgeschlitzte Ebincscnauge blinzelt! IVmt cominv die?.
"oil8, aber doch etwas ehrlicher.

-- Die entsetzlichen Gräuel, welche die Albanesen gegen die
christlichen Unterthanen der Pforte verüben, sollen immer noch im
Zunehmen sein; die türkischen Truppen, die der Sultan gegen sie
ausgesandt hat, sind theils mit den blutdürstigen Horden einverstan¬
den, theils ohne die Kraft, die Wüthenden im Zaume zu halten. Auch
in Asien sollen die Christen die fürchterlichsten Verfolgungen erfahren.
Die türkische Bestialität schwelgt wieder einmal in Blut, Brand und
unnatürlichen Wollüsten. Man schaudert bei den Nachrichten von
gespießten Kindern, lebendig verbrannten Weibern und Greisen --
dergleichen läßt sich aber von türkischem Fanatismus nicht anders er¬
warten. Empörender ist die unmenschliche phlegmatische Berechnung,
mit der die Diplomatie der christlichen Mächte diesem höllischen Trei¬
ben zuzusehen im Stande ist. Von welchen christlichen Motiven sich
die Politik im Orient leiten läßt, sieht man daraus, daß England die
Maroniten den wilden Drusen preisgegeben hat, weil jene im freund¬
lichen Verhältniß zu Frankreich stehen. Wenn in den Donauländern
die Diplomatie noch lange achselzuckend zusieht, wird es dahin kom¬
men, daß die öffentliche Meinung, bei allem Haß gegen die Mosko¬
witer, die russische Intervention und Occupation wünschen wird, nur
um der teuflischen Wirthschaft ein Ende gemacht zu sehen. Dann
wird man es glauben, daß diese froschblütige Politik nicht blos eine
Sünde, sondern auch ein Fehler ist.




Verlag von Fr. Lndw. Herbig. -- Redacteur I. Kuranda.
Druck von Friedrich Andrö.

Tribut zu bringen, und da sie aus Mangel an Rhabarber und Thee
sterben würden, so hat er ihnen gnädiglich die Freiheit gegeben, in
Canton diese Waaren einzutauschen. Allein was thun diese Elenden?
Sie bringen ein Gift, in Geruch und Farbe dem Kothe gleich, wel¬
ches sie den Einwohnern dieses blumenreichen Landes verkaufen. Nun
denke sich Jemand diese unerhörte Frechheit! Wäre es nur der ge¬
meine Pöbel, welcher durch den Gebrauch des Opiums verführt
würde, so wäre dies noch zu ertragen, denn an dem ist nicht viel
gelegen; aber die Soldaten und ihre Offiziere nahmen so viel von
diesem betäubenden Safte, daß sie für den Dienst ganz untüchtig
wurden :c. ze." Sehr oft leuchtet aus der Denkschrift eine gewisse
Aufklärung und Bewußtheit hervor; so drückt er sich einmal über ei¬
nen ganz lügenhaften Bericht an den Kaisir dahin aus: „es wurde
ihm (des Anstandes wegen) in unserer Sprache mitgetheilt! Wie
fein da das schiefgeschlitzte Ebincscnauge blinzelt! IVmt cominv die?.
»oil8, aber doch etwas ehrlicher.

— Die entsetzlichen Gräuel, welche die Albanesen gegen die
christlichen Unterthanen der Pforte verüben, sollen immer noch im
Zunehmen sein; die türkischen Truppen, die der Sultan gegen sie
ausgesandt hat, sind theils mit den blutdürstigen Horden einverstan¬
den, theils ohne die Kraft, die Wüthenden im Zaume zu halten. Auch
in Asien sollen die Christen die fürchterlichsten Verfolgungen erfahren.
Die türkische Bestialität schwelgt wieder einmal in Blut, Brand und
unnatürlichen Wollüsten. Man schaudert bei den Nachrichten von
gespießten Kindern, lebendig verbrannten Weibern und Greisen —
dergleichen läßt sich aber von türkischem Fanatismus nicht anders er¬
warten. Empörender ist die unmenschliche phlegmatische Berechnung,
mit der die Diplomatie der christlichen Mächte diesem höllischen Trei¬
ben zuzusehen im Stande ist. Von welchen christlichen Motiven sich
die Politik im Orient leiten läßt, sieht man daraus, daß England die
Maroniten den wilden Drusen preisgegeben hat, weil jene im freund¬
lichen Verhältniß zu Frankreich stehen. Wenn in den Donauländern
die Diplomatie noch lange achselzuckend zusieht, wird es dahin kom¬
men, daß die öffentliche Meinung, bei allem Haß gegen die Mosko¬
witer, die russische Intervention und Occupation wünschen wird, nur
um der teuflischen Wirthschaft ein Ende gemacht zu sehen. Dann
wird man es glauben, daß diese froschblütige Politik nicht blos eine
Sünde, sondern auch ein Fehler ist.




Verlag von Fr. Lndw. Herbig. — Redacteur I. Kuranda.
Druck von Friedrich Andrö.
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[0808] Tribut zu bringen, und da sie aus Mangel an Rhabarber und Thee sterben würden, so hat er ihnen gnädiglich die Freiheit gegeben, in Canton diese Waaren einzutauschen. Allein was thun diese Elenden? Sie bringen ein Gift, in Geruch und Farbe dem Kothe gleich, wel¬ ches sie den Einwohnern dieses blumenreichen Landes verkaufen. Nun denke sich Jemand diese unerhörte Frechheit! Wäre es nur der ge¬ meine Pöbel, welcher durch den Gebrauch des Opiums verführt würde, so wäre dies noch zu ertragen, denn an dem ist nicht viel gelegen; aber die Soldaten und ihre Offiziere nahmen so viel von diesem betäubenden Safte, daß sie für den Dienst ganz untüchtig wurden :c. ze." Sehr oft leuchtet aus der Denkschrift eine gewisse Aufklärung und Bewußtheit hervor; so drückt er sich einmal über ei¬ nen ganz lügenhaften Bericht an den Kaisir dahin aus: „es wurde ihm (des Anstandes wegen) in unserer Sprache mitgetheilt! Wie fein da das schiefgeschlitzte Ebincscnauge blinzelt! IVmt cominv die?. »oil8, aber doch etwas ehrlicher. — Die entsetzlichen Gräuel, welche die Albanesen gegen die christlichen Unterthanen der Pforte verüben, sollen immer noch im Zunehmen sein; die türkischen Truppen, die der Sultan gegen sie ausgesandt hat, sind theils mit den blutdürstigen Horden einverstan¬ den, theils ohne die Kraft, die Wüthenden im Zaume zu halten. Auch in Asien sollen die Christen die fürchterlichsten Verfolgungen erfahren. Die türkische Bestialität schwelgt wieder einmal in Blut, Brand und unnatürlichen Wollüsten. Man schaudert bei den Nachrichten von gespießten Kindern, lebendig verbrannten Weibern und Greisen — dergleichen läßt sich aber von türkischem Fanatismus nicht anders er¬ warten. Empörender ist die unmenschliche phlegmatische Berechnung, mit der die Diplomatie der christlichen Mächte diesem höllischen Trei¬ ben zuzusehen im Stande ist. Von welchen christlichen Motiven sich die Politik im Orient leiten läßt, sieht man daraus, daß England die Maroniten den wilden Drusen preisgegeben hat, weil jene im freund¬ lichen Verhältniß zu Frankreich stehen. Wenn in den Donauländern die Diplomatie noch lange achselzuckend zusieht, wird es dahin kom¬ men, daß die öffentliche Meinung, bei allem Haß gegen die Mosko¬ witer, die russische Intervention und Occupation wünschen wird, nur um der teuflischen Wirthschaft ein Ende gemacht zu sehen. Dann wird man es glauben, daß diese froschblütige Politik nicht blos eine Sünde, sondern auch ein Fehler ist. Verlag von Fr. Lndw. Herbig. — Redacteur I. Kuranda. Druck von Friedrich Andrö.

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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 3, 1844, I. Semester, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341546_179712/808>, abgerufen am 29.06.2024.