Anmelden (DTAQ) DWDS     dlexDB     CLARIN-D

Die Grenzboten. Jg. 3, 1844, I. Semester.

Bild:
<< vorherige Seite
Das Theater in administrativer Beziehung.



n.

In Frankreich ist wie in England die gesetzliche Eristenz der
Theater einer doppelten Bedingung unterworfen, der Nothwendigkeit
einer speciellen Autorisation und der Verpflichtung, die für die Bühne
bestimmten Stücke vor der Aufführung einer Censur zu unterwerfen.
Dieses Verfahren, welches seit undenklichen Zeiten beobachtet wurde
und nur während der ersten Anfälle des Revolutionsfieberö eine Zeit
lang abkam, ist nicht im Widerspruche mit dem Prinzip der industri¬
ellen Freiheit. Selbst in Beziehung auf Handelsverhältnisse ist die
Concurrenz beschränkt, sobald man voraussetzen muß, daß sie den
allgemeinen und öffentlichen Interessen nachtheilig sein würde; man
kann daher gar nicht in Zweifel stellen, daß es nothwendig sei, den
allergcmcssensten Bedingungen eine Art von Speculaüon zu unter¬
werfen, welche unserer frivolen Gesellschaft ihren vornehmlichsten in-
tellectuellen Nahrungsstoff darbietet.

Mit den Prinzipien der Freiheit, welche durch die constituirende Ver¬
sammlung proclamirt wurden, begann für das Theater eine neue
Aera; die Beschränkungen, welchen dasselbe bisher ausgesetzt war,
wurden damals als ein Angriff und eine Verletzung der triumphi-
renden Theorien angesehen, als ein Hinderniß der Industrie, welche
man zu beleben glaubte, indem man sie von jeder Fessel frei machte.
Das Gesetz vom Z0. Januar 1791 erklärte, daß jeder Bürger ein
öffentliches Theater errichten und darauf Stücke von allen Arten
aufführen lassen könne, und zwar bedürfe es dazu nur einer einfachen
Anzeige bei der Municipalität des Ortes. Nichts war natürlicher,
als daß die theatralischen Unternehmungen sich wie durch Zauber


Grcnztotcn 1844. I.
Das Theater in administrativer Beziehung.



n.

In Frankreich ist wie in England die gesetzliche Eristenz der
Theater einer doppelten Bedingung unterworfen, der Nothwendigkeit
einer speciellen Autorisation und der Verpflichtung, die für die Bühne
bestimmten Stücke vor der Aufführung einer Censur zu unterwerfen.
Dieses Verfahren, welches seit undenklichen Zeiten beobachtet wurde
und nur während der ersten Anfälle des Revolutionsfieberö eine Zeit
lang abkam, ist nicht im Widerspruche mit dem Prinzip der industri¬
ellen Freiheit. Selbst in Beziehung auf Handelsverhältnisse ist die
Concurrenz beschränkt, sobald man voraussetzen muß, daß sie den
allgemeinen und öffentlichen Interessen nachtheilig sein würde; man
kann daher gar nicht in Zweifel stellen, daß es nothwendig sei, den
allergcmcssensten Bedingungen eine Art von Speculaüon zu unter¬
werfen, welche unserer frivolen Gesellschaft ihren vornehmlichsten in-
tellectuellen Nahrungsstoff darbietet.

Mit den Prinzipien der Freiheit, welche durch die constituirende Ver¬
sammlung proclamirt wurden, begann für das Theater eine neue
Aera; die Beschränkungen, welchen dasselbe bisher ausgesetzt war,
wurden damals als ein Angriff und eine Verletzung der triumphi-
renden Theorien angesehen, als ein Hinderniß der Industrie, welche
man zu beleben glaubte, indem man sie von jeder Fessel frei machte.
Das Gesetz vom Z0. Januar 1791 erklärte, daß jeder Bürger ein
öffentliches Theater errichten und darauf Stücke von allen Arten
aufführen lassen könne, und zwar bedürfe es dazu nur einer einfachen
Anzeige bei der Municipalität des Ortes. Nichts war natürlicher,
als daß die theatralischen Unternehmungen sich wie durch Zauber


Grcnztotcn 1844. I.
<TEI>
  <text>
    <body>
      <div>
        <div n="1">
          <div n="2">
            <pb facs="#f0777" corresp="http://brema.suub.uni-bremen.de/grenzboten/periodical/pageview/180490"/>
          </div>
        </div>
        <div n="1">
          <head> Das Theater in administrativer Beziehung.</head><lb/>
          <milestone rendition="#hr" unit="section"/><lb/>
          <div n="2">
            <head> n.</head><lb/>
            <p xml:id="ID_2006"> In Frankreich ist wie in England die gesetzliche Eristenz der<lb/>
Theater einer doppelten Bedingung unterworfen, der Nothwendigkeit<lb/>
einer speciellen Autorisation und der Verpflichtung, die für die Bühne<lb/>
bestimmten Stücke vor der Aufführung einer Censur zu unterwerfen.<lb/>
Dieses Verfahren, welches seit undenklichen Zeiten beobachtet wurde<lb/>
und nur während der ersten Anfälle des Revolutionsfieberö eine Zeit<lb/>
lang abkam, ist nicht im Widerspruche mit dem Prinzip der industri¬<lb/>
ellen Freiheit. Selbst in Beziehung auf Handelsverhältnisse ist die<lb/>
Concurrenz beschränkt, sobald man voraussetzen muß, daß sie den<lb/>
allgemeinen und öffentlichen Interessen nachtheilig sein würde; man<lb/>
kann daher gar nicht in Zweifel stellen, daß es nothwendig sei, den<lb/>
allergcmcssensten Bedingungen eine Art von Speculaüon zu unter¬<lb/>
werfen, welche unserer frivolen Gesellschaft ihren vornehmlichsten in-<lb/>
tellectuellen Nahrungsstoff darbietet.</p><lb/>
            <p xml:id="ID_2007" next="#ID_2008"> Mit den Prinzipien der Freiheit, welche durch die constituirende Ver¬<lb/>
sammlung proclamirt wurden, begann für das Theater eine neue<lb/>
Aera; die Beschränkungen, welchen dasselbe bisher ausgesetzt war,<lb/>
wurden damals als ein Angriff und eine Verletzung der triumphi-<lb/>
renden Theorien angesehen, als ein Hinderniß der Industrie, welche<lb/>
man zu beleben glaubte, indem man sie von jeder Fessel frei machte.<lb/>
Das Gesetz vom Z0. Januar 1791 erklärte, daß jeder Bürger ein<lb/>
öffentliches Theater errichten und darauf Stücke von allen Arten<lb/>
aufführen lassen könne, und zwar bedürfe es dazu nur einer einfachen<lb/>
Anzeige bei der Municipalität des Ortes. Nichts war natürlicher,<lb/>
als daß die theatralischen Unternehmungen sich wie durch Zauber</p><lb/>
            <fw place="bottom" type="sig"> Grcnztotcn 1844. I.</fw><lb/>
          </div>
        </div>
      </div>
    </body>
  </text>
</TEI>
[0777] Das Theater in administrativer Beziehung. n. In Frankreich ist wie in England die gesetzliche Eristenz der Theater einer doppelten Bedingung unterworfen, der Nothwendigkeit einer speciellen Autorisation und der Verpflichtung, die für die Bühne bestimmten Stücke vor der Aufführung einer Censur zu unterwerfen. Dieses Verfahren, welches seit undenklichen Zeiten beobachtet wurde und nur während der ersten Anfälle des Revolutionsfieberö eine Zeit lang abkam, ist nicht im Widerspruche mit dem Prinzip der industri¬ ellen Freiheit. Selbst in Beziehung auf Handelsverhältnisse ist die Concurrenz beschränkt, sobald man voraussetzen muß, daß sie den allgemeinen und öffentlichen Interessen nachtheilig sein würde; man kann daher gar nicht in Zweifel stellen, daß es nothwendig sei, den allergcmcssensten Bedingungen eine Art von Speculaüon zu unter¬ werfen, welche unserer frivolen Gesellschaft ihren vornehmlichsten in- tellectuellen Nahrungsstoff darbietet. Mit den Prinzipien der Freiheit, welche durch die constituirende Ver¬ sammlung proclamirt wurden, begann für das Theater eine neue Aera; die Beschränkungen, welchen dasselbe bisher ausgesetzt war, wurden damals als ein Angriff und eine Verletzung der triumphi- renden Theorien angesehen, als ein Hinderniß der Industrie, welche man zu beleben glaubte, indem man sie von jeder Fessel frei machte. Das Gesetz vom Z0. Januar 1791 erklärte, daß jeder Bürger ein öffentliches Theater errichten und darauf Stücke von allen Arten aufführen lassen könne, und zwar bedürfe es dazu nur einer einfachen Anzeige bei der Municipalität des Ortes. Nichts war natürlicher, als daß die theatralischen Unternehmungen sich wie durch Zauber Grcnztotcn 1844. I.

Informationen zum Werk

Download dieses Werks

XML (TEI P5) · HTML · Text
TCF (text annotation layer)

Metadaten zum Werk

TEI-Header · CMDI · Dublin Core

Ansichten dieser Seite

Feedback

Sie haben einen Fehler gefunden? Dann können Sie diesen über unsere Qualitätssicherungsplattform DTAQ melden.

Kommentar zur DTA-Ausgabe

Dieses Werk wurde im Rahmen des Moduls DTA-Erweiterungen (DTAE) digitalisiert. Weitere Informationen …

Staats- und Universitätsbibliothek (SuUB) Bremen: Bereitstellung der Texttranskription.
Kay-Michael Würzner: Bearbeitung der digitalen Edition.

Weitere Informationen:

Verfahren der Texterfassung: OCR mit Nachkorrektur.

Bogensignaturen: gekennzeichnet;Druckfehler: ignoriert;fremdsprachliches Material: nicht gekennzeichnet;Geminations-/Abkürzungsstriche: wie Vorlage;Hervorhebungen (Antiqua, Sperrschrift, Kursive etc.): nicht ausgezeichnet;i/j in Fraktur: wie Vorlage;I/J in Fraktur: wie Vorlage;Kolumnentitel: gekennzeichnet;Kustoden: gekennzeichnet;langes s (ſ): als s transkribiert;Normalisierungen: stillschweigend;rundes r (&#xa75b;): als r/et transkribiert;Seitenumbrüche markiert: ja;Silbentrennung: wie Vorlage;u/v bzw. U/V: wie Vorlage;Vokale mit übergest. e: als ä/ö/ü transkribiert;Vollständigkeit: vollständig erfasst;Zeichensetzung: wie Vorlage;Zeilenumbrüche markiert: ja;

Nachkorrektur erfolgte automatisch.




Ansicht auf Standard zurückstellen

URL zu diesem Werk: https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341546_179712
URL zu dieser Seite: https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341546_179712/777
Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 3, 1844, I. Semester, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341546_179712/777>, abgerufen am 01.07.2024.