Die Grenzboten. Jg. 3, 1844, I. Semester.-- Bettina's neuestes Buch: "Clemens Brentano's Frühlings- -- Auch die freie Reichsstadt Frankfurt am Main hat wieder -- Saphir's Humorist meldet bei Gelegenheit einer Aufführung Verlag von Fr. Ludtv. Herbig. -- Redacteur I. Kuranda Druck von Friedrich Andrä. — Bettina's neuestes Buch: „Clemens Brentano's Frühlings- — Auch die freie Reichsstadt Frankfurt am Main hat wieder — Saphir's Humorist meldet bei Gelegenheit einer Aufführung Verlag von Fr. Ludtv. Herbig. — Redacteur I. Kuranda Druck von Friedrich Andrä. <TEI> <text> <body> <div> <div n="1"> <div n="2"> <pb facs="#f0776" corresp="http://brema.suub.uni-bremen.de/grenzboten/periodical/pageview/180489"/> <p xml:id="ID_2003"> — Bettina's neuestes Buch: „Clemens Brentano's Frühlings-<lb/> kranz, ihm gewunden aus Jugendliedern", in Charlottenburg bei Eg¬<lb/> bert Bauer gedruckt, ist von der Polizei mit Beschlag belegt worden.<lb/> Wir sehen schon, nun wird erst wieder die „tiefere Einsicht und die gro߬<lb/> artige Anschauung" des Königs einschreiten müssen, um die kindlichen<lb/> Lieder einer geistvollen Frau aus den Handen der Büttel zu befreien.<lb/> Von selbst kann die Polizei nicht einsehen, daß, wenn eine Frau ih¬<lb/> res Bruders Andenken in schwärmerisch lyrischen Ergüssen feiert, dies<lb/> den Staat nicht einreißen wird. O Krähwinkel! Man halt sich eine<lb/> Katze gegen Ratten und Mäuse. Die Folge ist, daß besagte Katze<lb/> nicht nur die Milchtöpfe leert, sondern oft Kanarienvögel, Tauben<lb/> und Papageien für Mäuse ansteht, wenn keine anderen im Hause<lb/> sind. Siehe Preßpolizei. —</p><lb/> <p xml:id="ID_2004"> — Auch die freie Reichsstadt Frankfurt am Main hat wieder<lb/> ein Lebenszeichen von sich gegeben. Erst unlängst revoltirten dort die<lb/> Schneidergesellen. Das war ein böses Omen; doppelt böse, denn die<lb/> Schneidergesellen waren es nicht, die sich lächerlich machten, sie hat¬<lb/> ten vielmehr Recht und setzten es durch, daß die Meister sie nicht alle<lb/> in eine einzige enge Herberge einpferchen durften. — Jetzt hat die<lb/> Polizei der freien Reichsstadt einen Roman von Zirndorfer, wel¬<lb/> cher nichts weniger als classisch sein soll, confiscire und den Autor<lb/> verhaftet, um ihm wegen „Irreligiosität" und „Unsittlichkeit"<lb/> den Prozeß zu machen. Zirndorfer selbst, der vor Kurzem wegen<lb/> gewisser Reibungen mit Schauspielern und Sängern in sehr übles<lb/> Gerede kam, konnte sich keine bessere Satisfaction wünschen. Nie¬<lb/> mand hat seine Feder für mächtig oder seinen Roman für sitten- und<lb/> religionsgefährlich gehalten. Nun aber wird er zum Märtyrer promo-<lb/> virt, er rangirt beim Publicum mit Gutzkow, seine „Hermine" mit<lb/> „Wally", und, während die Kritik sein Buch wahrscheinlich verurtheile<lb/> hätte, wird die Publizistik sich seiner lebhaft annehmen müssen. Wir<lb/> sind neugierig, wie die Gerichte der freien Reichsstadt sich aus dieser<lb/> Klemme herausziehen werden.</p><lb/> <p xml:id="ID_2005"> — Saphir's Humorist meldet bei Gelegenheit einer Aufführung<lb/> des Don Carlos im Burgtheater: Seit zwei Wochen sahen wir sechs<lb/> Mal Schiller's Tragödien über die Bretter schreiten und immer das<lb/> Theater nicht nur Gallerien, sondern auch Parterre und Logen —<lb/> gefüllt, und immer einen solchen lebhaften begeisterten Beifall, wie<lb/> man ihn nicht einmal in der — italienischen Oper sieht.</p><lb/> <note type="byline"/><lb/> <note type="byline"> Verlag von Fr. Ludtv. Herbig. — Redacteur I. Kuranda<lb/> Druck von Friedrich Andrä.</note><lb/> </div> </div> </div> </body> </text> </TEI> [0776]
— Bettina's neuestes Buch: „Clemens Brentano's Frühlings-
kranz, ihm gewunden aus Jugendliedern", in Charlottenburg bei Eg¬
bert Bauer gedruckt, ist von der Polizei mit Beschlag belegt worden.
Wir sehen schon, nun wird erst wieder die „tiefere Einsicht und die gro߬
artige Anschauung" des Königs einschreiten müssen, um die kindlichen
Lieder einer geistvollen Frau aus den Handen der Büttel zu befreien.
Von selbst kann die Polizei nicht einsehen, daß, wenn eine Frau ih¬
res Bruders Andenken in schwärmerisch lyrischen Ergüssen feiert, dies
den Staat nicht einreißen wird. O Krähwinkel! Man halt sich eine
Katze gegen Ratten und Mäuse. Die Folge ist, daß besagte Katze
nicht nur die Milchtöpfe leert, sondern oft Kanarienvögel, Tauben
und Papageien für Mäuse ansteht, wenn keine anderen im Hause
sind. Siehe Preßpolizei. —
— Auch die freie Reichsstadt Frankfurt am Main hat wieder
ein Lebenszeichen von sich gegeben. Erst unlängst revoltirten dort die
Schneidergesellen. Das war ein böses Omen; doppelt böse, denn die
Schneidergesellen waren es nicht, die sich lächerlich machten, sie hat¬
ten vielmehr Recht und setzten es durch, daß die Meister sie nicht alle
in eine einzige enge Herberge einpferchen durften. — Jetzt hat die
Polizei der freien Reichsstadt einen Roman von Zirndorfer, wel¬
cher nichts weniger als classisch sein soll, confiscire und den Autor
verhaftet, um ihm wegen „Irreligiosität" und „Unsittlichkeit"
den Prozeß zu machen. Zirndorfer selbst, der vor Kurzem wegen
gewisser Reibungen mit Schauspielern und Sängern in sehr übles
Gerede kam, konnte sich keine bessere Satisfaction wünschen. Nie¬
mand hat seine Feder für mächtig oder seinen Roman für sitten- und
religionsgefährlich gehalten. Nun aber wird er zum Märtyrer promo-
virt, er rangirt beim Publicum mit Gutzkow, seine „Hermine" mit
„Wally", und, während die Kritik sein Buch wahrscheinlich verurtheile
hätte, wird die Publizistik sich seiner lebhaft annehmen müssen. Wir
sind neugierig, wie die Gerichte der freien Reichsstadt sich aus dieser
Klemme herausziehen werden.
— Saphir's Humorist meldet bei Gelegenheit einer Aufführung
des Don Carlos im Burgtheater: Seit zwei Wochen sahen wir sechs
Mal Schiller's Tragödien über die Bretter schreiten und immer das
Theater nicht nur Gallerien, sondern auch Parterre und Logen —
gefüllt, und immer einen solchen lebhaften begeisterten Beifall, wie
man ihn nicht einmal in der — italienischen Oper sieht.
Verlag von Fr. Ludtv. Herbig. — Redacteur I. Kuranda
Druck von Friedrich Andrä.
Informationen zum Werk
Download dieses Werks
XML (TEI P5) ·
HTML ·
Text Metadaten zum WerkTEI-Header · CMDI · Dublin Core Ansichten dieser Seite
FeedbackSie haben einen Fehler gefunden? Dann können Sie diesen über unsere Qualitätssicherungsplattform DTAQ melden. Kommentar zur DTA-AusgabeDieses Werk wurde im Rahmen des Moduls DTA-Erweiterungen (DTAE) digitalisiert. Weitere Informationen … Staats- und Universitätsbibliothek (SuUB) Bremen: Bereitstellung der Texttranskription.
Kay-Michael Würzner: Bearbeitung der digitalen Edition.
Weitere Informationen:Verfahren der Texterfassung: OCR mit Nachkorrektur. Bogensignaturen: gekennzeichnet;Druckfehler: ignoriert;fremdsprachliches Material: nicht gekennzeichnet;Geminations-/Abkürzungsstriche: wie Vorlage;Hervorhebungen (Antiqua, Sperrschrift, Kursive etc.): nicht ausgezeichnet;i/j in Fraktur: wie Vorlage;I/J in Fraktur: wie Vorlage;Kolumnentitel: gekennzeichnet;Kustoden: gekennzeichnet;langes s (ſ): als s transkribiert;Normalisierungen: stillschweigend;rundes r (ꝛ): als r/et transkribiert;Seitenumbrüche markiert: ja;Silbentrennung: wie Vorlage;u/v bzw. U/V: wie Vorlage;Vokale mit übergest. e: als ä/ö/ü transkribiert;Vollständigkeit: vollständig erfasst;Zeichensetzung: wie Vorlage;Zeilenumbrüche markiert: ja; Nachkorrektur erfolgte automatisch.
|
Insbesondere im Hinblick auf die §§ 86a StGB und 130 StGB wird festgestellt, dass die auf diesen Seiten abgebildeten Inhalte weder in irgendeiner Form propagandistischen Zwecken dienen, oder Werbung für verbotene Organisationen oder Vereinigungen darstellen, oder nationalsozialistische Verbrechen leugnen oder verharmlosen, noch zum Zwecke der Herabwürdigung der Menschenwürde gezeigt werden. Die auf diesen Seiten abgebildeten Inhalte (in Wort und Bild) dienen im Sinne des § 86 StGB Abs. 3 ausschließlich historischen, sozial- oder kulturwissenschaftlichen Forschungszwecken. Ihre Veröffentlichung erfolgt in der Absicht, Wissen zur Anregung der intellektuellen Selbstständigkeit und Verantwortungsbereitschaft des Staatsbürgers zu vermitteln und damit der Förderung seiner Mündigkeit zu dienen.
2007–2024 Deutsches Textarchiv, Berlin-Brandenburgische Akademie der Wissenschaften.
Kontakt: redaktion(at)deutschestextarchiv.de. |