Bierfässern abgezapft werden; man will auch seitdem die Zapfen¬ streiche durch das viel ruhigere Wort Nachtruhesignal ersetzen, wie in Zeitungen zu lesen ist. -- -- Die Industrie-Ausstellung hat im Laufe des Mai Menschen aus der Provinz hierher geführt und, gering angeschlagen, würde diese Zahl bis zu Ende der Ausstel¬ lung im Monat August an 60l1MV betragen. Jemand hat nun dabei folgende Berechnung gemacht. Wenn durchschnittlich jeder dieser Fremden nur tW Franken während seines Aufenthalts in Paris ver¬ zehrt hat (was gewiß eine sehr geringe Durchschnittssumme ist), so bringt die Industrie-Ausstellung durch ihre Besucher blos eine Summe von 60 Millionen Franken nach Paris. Nun schließe man, wenn der Friede in Europa erhalten wird, auf den Ertrag der nächsten Ausstellung in fünf Jahren, wo doch wenigstens fünfzehnhundert bis zweitausend Exponenten mehr sein werden. Die großen Eisenbahnli¬ nien und ihre Seitenzweige, entweder ganz oder theilweise vollendet, müssen durch Schnelligkeit und Wohlfeilheit die Reise einer noch viel größern Zahl von Menschen möglich machen, und es ist kein ungezie¬ mendes Verhältniß, wenn man dann auf zwei bis drei Millionen Fremde rechnet. Zwei bis drei Millionen Menschen, -- was bringen diese für ein Kapital nach Paris! Ich führe diesen Calcul blos an, weil es auch für andere Städte, wenn auch in geringeren Proportio¬ nen, paßt, namentlich für Berlin, das ja auch in diesem Momente seine Exposition ausschreibt. -- Während die englischen Journale über die Brochure des Prinzen Joinville Zeter schreien und darin eine politische Manifestation gegen England erblicken, würden die russischen Journale, wenn es solche gäbe, welche diesen Namen verdienen, mit nicht mindern Recht die politische Manifestation hervorheben, welche dieser Tage im illo-etre I^iaiic-us stattfand, ich meine die Aufführung des Dramas Katharina II., von Hippolyte Romand. Die famö- sen Liebesgeschichten dieser Kaiserin sind schon oft von französischen Bühnendichtern bearbeitet worden. Namentlich hat Dumolard, ein sehr achtbarer Schriftsteller, ein vortreffliches Drama geschrieben. Aber die Censur der Kaiserzeit und der Restauration erlaubte die Erschei¬ nung der famosen "nordischen Semiramis" auf der Bühne nicht. Nun wird plötzlich ein ähnliches Stück auf dem ersten Theater Frankreichs, gewissermaßen auf der officiellen Bühne der Nation, ge¬ geben. Katharina ist verliebt in den im Gefängnisse zu Schlüsselburg eingesperrten Prinzen Iwan von Rußland (der bekanntlich von der Kai¬ serin Anna zum Nachfolger erklärt wurde und auch die Huldigung erhielt, aber von Elisabeth und Katharina it. verdrängt und ins Ge¬ fängniß geworfen wurde), aber Orloss kommt dahinter, und nach ei¬ ner Reihe von drastischen Scenen, in welcher namentlich jene, wo Orloff dem Gefangenen das Leben und die Verbrechen der Kaiserin erzählt, von ungemeiner Wirkung ist, fallt Iwan unter den Strei-
Bierfässern abgezapft werden; man will auch seitdem die Zapfen¬ streiche durch das viel ruhigere Wort Nachtruhesignal ersetzen, wie in Zeitungen zu lesen ist. — — Die Industrie-Ausstellung hat im Laufe des Mai Menschen aus der Provinz hierher geführt und, gering angeschlagen, würde diese Zahl bis zu Ende der Ausstel¬ lung im Monat August an 60l1MV betragen. Jemand hat nun dabei folgende Berechnung gemacht. Wenn durchschnittlich jeder dieser Fremden nur tW Franken während seines Aufenthalts in Paris ver¬ zehrt hat (was gewiß eine sehr geringe Durchschnittssumme ist), so bringt die Industrie-Ausstellung durch ihre Besucher blos eine Summe von 60 Millionen Franken nach Paris. Nun schließe man, wenn der Friede in Europa erhalten wird, auf den Ertrag der nächsten Ausstellung in fünf Jahren, wo doch wenigstens fünfzehnhundert bis zweitausend Exponenten mehr sein werden. Die großen Eisenbahnli¬ nien und ihre Seitenzweige, entweder ganz oder theilweise vollendet, müssen durch Schnelligkeit und Wohlfeilheit die Reise einer noch viel größern Zahl von Menschen möglich machen, und es ist kein ungezie¬ mendes Verhältniß, wenn man dann auf zwei bis drei Millionen Fremde rechnet. Zwei bis drei Millionen Menschen, — was bringen diese für ein Kapital nach Paris! Ich führe diesen Calcul blos an, weil es auch für andere Städte, wenn auch in geringeren Proportio¬ nen, paßt, namentlich für Berlin, das ja auch in diesem Momente seine Exposition ausschreibt. — Während die englischen Journale über die Brochure des Prinzen Joinville Zeter schreien und darin eine politische Manifestation gegen England erblicken, würden die russischen Journale, wenn es solche gäbe, welche diesen Namen verdienen, mit nicht mindern Recht die politische Manifestation hervorheben, welche dieser Tage im illo-etre I^iaiic-us stattfand, ich meine die Aufführung des Dramas Katharina II., von Hippolyte Romand. Die famö- sen Liebesgeschichten dieser Kaiserin sind schon oft von französischen Bühnendichtern bearbeitet worden. Namentlich hat Dumolard, ein sehr achtbarer Schriftsteller, ein vortreffliches Drama geschrieben. Aber die Censur der Kaiserzeit und der Restauration erlaubte die Erschei¬ nung der famosen „nordischen Semiramis" auf der Bühne nicht. Nun wird plötzlich ein ähnliches Stück auf dem ersten Theater Frankreichs, gewissermaßen auf der officiellen Bühne der Nation, ge¬ geben. Katharina ist verliebt in den im Gefängnisse zu Schlüsselburg eingesperrten Prinzen Iwan von Rußland (der bekanntlich von der Kai¬ serin Anna zum Nachfolger erklärt wurde und auch die Huldigung erhielt, aber von Elisabeth und Katharina it. verdrängt und ins Ge¬ fängniß geworfen wurde), aber Orloss kommt dahinter, und nach ei¬ ner Reihe von drastischen Scenen, in welcher namentlich jene, wo Orloff dem Gefangenen das Leben und die Verbrechen der Kaiserin erzählt, von ungemeiner Wirkung ist, fallt Iwan unter den Strei-
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Bierfässern abgezapft werden; man will auch seitdem die Zapfen¬
streiche durch das viel ruhigere Wort Nachtruhesignal ersetzen, wie
in Zeitungen zu lesen ist. — — Die Industrie-Ausstellung hat im
Laufe des Mai Menschen aus der Provinz hierher geführt
und, gering angeschlagen, würde diese Zahl bis zu Ende der Ausstel¬
lung im Monat August an 60l1MV betragen. Jemand hat nun
dabei folgende Berechnung gemacht. Wenn durchschnittlich jeder dieser
Fremden nur tW Franken während seines Aufenthalts in Paris ver¬
zehrt hat (was gewiß eine sehr geringe Durchschnittssumme ist), so
bringt die Industrie-Ausstellung durch ihre Besucher blos eine Summe
von 60 Millionen Franken nach Paris. Nun schließe man, wenn
der Friede in Europa erhalten wird, auf den Ertrag der nächsten
Ausstellung in fünf Jahren, wo doch wenigstens fünfzehnhundert bis
zweitausend Exponenten mehr sein werden. Die großen Eisenbahnli¬
nien und ihre Seitenzweige, entweder ganz oder theilweise vollendet,
müssen durch Schnelligkeit und Wohlfeilheit die Reise einer noch viel
größern Zahl von Menschen möglich machen, und es ist kein ungezie¬
mendes Verhältniß, wenn man dann auf zwei bis drei Millionen
Fremde rechnet. Zwei bis drei Millionen Menschen, — was bringen
diese für ein Kapital nach Paris! Ich führe diesen Calcul blos an,
weil es auch für andere Städte, wenn auch in geringeren Proportio¬
nen, paßt, namentlich für Berlin, das ja auch in diesem Momente
seine Exposition ausschreibt. — Während die englischen Journale
über die Brochure des Prinzen Joinville Zeter schreien und darin eine
politische Manifestation gegen England erblicken, würden die russischen
Journale, wenn es solche gäbe, welche diesen Namen verdienen, mit
nicht mindern Recht die politische Manifestation hervorheben, welche
dieser Tage im illo-etre I^iaiic-us stattfand, ich meine die Aufführung
des Dramas Katharina II., von Hippolyte Romand. Die famö-
sen Liebesgeschichten dieser Kaiserin sind schon oft von französischen
Bühnendichtern bearbeitet worden. Namentlich hat Dumolard, ein
sehr achtbarer Schriftsteller, ein vortreffliches Drama geschrieben. Aber
die Censur der Kaiserzeit und der Restauration erlaubte die Erschei¬
nung der famosen „nordischen Semiramis" auf der Bühne nicht.
Nun wird plötzlich ein ähnliches Stück auf dem ersten Theater
Frankreichs, gewissermaßen auf der officiellen Bühne der Nation, ge¬
geben. Katharina ist verliebt in den im Gefängnisse zu Schlüsselburg
eingesperrten Prinzen Iwan von Rußland (der bekanntlich von der Kai¬
serin Anna zum Nachfolger erklärt wurde und auch die Huldigung
erhielt, aber von Elisabeth und Katharina it. verdrängt und ins Ge¬
fängniß geworfen wurde), aber Orloss kommt dahinter, und nach ei¬
ner Reihe von drastischen Scenen, in welcher namentlich jene, wo
Orloff dem Gefangenen das Leben und die Verbrechen der Kaiserin
erzählt, von ungemeiner Wirkung ist, fallt Iwan unter den Strei-
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Die Grenzboten. Jg. 3, 1844, I. Semester, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341546_179712/774>, abgerufen am 22.12.2024.
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