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Die Grenzboten. Jg. 3, 1844, I. Semester.

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Vorstellungen selbst sind einer nicht minder strengen Controle unter¬
worfen: obgleich die Freiheit der Presse als eines der ersten Rechte
des Volkes anerkannt ist, sind doch die Theaterstücke von der Censur
abhängig. Ein dialogisirtes Pamphlet von Fielding, Pasquin, scheint
Anlaß zu dieser Ueberwachungsmethode gegeben zu haben. Dieses
Stück enthielt eine sehr heftige Satyre gegen die politische Regierung
und Fielding trieb die Heftigkeit seiner Angriffe bis zur Schmähung
und Provokation. Die Censur wurde bei der Untersuchung von 1832
nur von wenigen unbeschränkten Geistern bekämpft, im Allgemeinen
erlitt sie keine Anfechtung, gewichtige Zeugen sprachen sich für ihre
Nothwendigkeit aus. "Die politischen Anspielungen", sagt einer von
ihnen, Thomas Morton, dessen Werke das glückliche Vorrecht haben,
die Menge anzulocken, "werden von den Zuschauern mit Begierde ge¬
hört. Die Scene wird ein Herd der Aufreizung; das Applaudiren
erhitzt die Geister und die öffentlichen Mißstimmungen werden so
leicht in Aufruhr verwandelt. Es gibt nichts Fürchterlicheres, als
eine wüthende ("nraAea') Versammlung. Ich weiß es, sagt er serner,
vom berühmten Talma, daß die französische Revolution nur unbedeu¬
tende Fortschritte machte, solang die Bühne noch nicht zur Arena der
Volksleidenschaften gemacht war; aber sobald die Scene zur Tribüne
wurde, war die Bewegung unwiderstehlich." Mehrere Zeugen be¬
trachteten die Censur als ein den Theatern vortheilhaftes Institut.
Eine strenge und beständige Ueberwachung nur könne die Gesellschaft
erfolgreich schützen; zwar würde das Publicum keine offenbar un¬
moralischen, oder aufrührerischen Darstellungen dulden, aber doch
solche, bei denen Unmoral und Aufruhr in kleinen Dosen nach und
nach sich wirksam machten.

Die Censur scheint milde und versöhnlich gewesen zu sein, sie
hat zu wenig Klagen Anlaß gegeben. Einige klagen sie der Launen-
haftigkeit und Parteilichkeit an, aber die Meisten loben ihren guten
Geist. Der Prüfer liest die Stücke, streicht die Stellen oder Worte,
welche ihm verfänglich scheinen, an und^wenn das Ganze ihm Anlaß
zur Rüge gibt, spricht er ein vollständiges Verbot aus. Er läßt es
sich angelegen sein, Alles zu unterdrücken, was indecent, profanirend
und irreligiös ist, was Laster oder Verbrechen rechtfertigt oder er-
muthigt, was Anspielung auf Zeitereignisse macht, und besonders
Worte, welche Unordnungen hervorbringen können. Eine Tragödie


Vorstellungen selbst sind einer nicht minder strengen Controle unter¬
worfen: obgleich die Freiheit der Presse als eines der ersten Rechte
des Volkes anerkannt ist, sind doch die Theaterstücke von der Censur
abhängig. Ein dialogisirtes Pamphlet von Fielding, Pasquin, scheint
Anlaß zu dieser Ueberwachungsmethode gegeben zu haben. Dieses
Stück enthielt eine sehr heftige Satyre gegen die politische Regierung
und Fielding trieb die Heftigkeit seiner Angriffe bis zur Schmähung
und Provokation. Die Censur wurde bei der Untersuchung von 1832
nur von wenigen unbeschränkten Geistern bekämpft, im Allgemeinen
erlitt sie keine Anfechtung, gewichtige Zeugen sprachen sich für ihre
Nothwendigkeit aus. „Die politischen Anspielungen", sagt einer von
ihnen, Thomas Morton, dessen Werke das glückliche Vorrecht haben,
die Menge anzulocken, „werden von den Zuschauern mit Begierde ge¬
hört. Die Scene wird ein Herd der Aufreizung; das Applaudiren
erhitzt die Geister und die öffentlichen Mißstimmungen werden so
leicht in Aufruhr verwandelt. Es gibt nichts Fürchterlicheres, als
eine wüthende («nraAea') Versammlung. Ich weiß es, sagt er serner,
vom berühmten Talma, daß die französische Revolution nur unbedeu¬
tende Fortschritte machte, solang die Bühne noch nicht zur Arena der
Volksleidenschaften gemacht war; aber sobald die Scene zur Tribüne
wurde, war die Bewegung unwiderstehlich." Mehrere Zeugen be¬
trachteten die Censur als ein den Theatern vortheilhaftes Institut.
Eine strenge und beständige Ueberwachung nur könne die Gesellschaft
erfolgreich schützen; zwar würde das Publicum keine offenbar un¬
moralischen, oder aufrührerischen Darstellungen dulden, aber doch
solche, bei denen Unmoral und Aufruhr in kleinen Dosen nach und
nach sich wirksam machten.

Die Censur scheint milde und versöhnlich gewesen zu sein, sie
hat zu wenig Klagen Anlaß gegeben. Einige klagen sie der Launen-
haftigkeit und Parteilichkeit an, aber die Meisten loben ihren guten
Geist. Der Prüfer liest die Stücke, streicht die Stellen oder Worte,
welche ihm verfänglich scheinen, an und^wenn das Ganze ihm Anlaß
zur Rüge gibt, spricht er ein vollständiges Verbot aus. Er läßt es
sich angelegen sein, Alles zu unterdrücken, was indecent, profanirend
und irreligiös ist, was Laster oder Verbrechen rechtfertigt oder er-
muthigt, was Anspielung auf Zeitereignisse macht, und besonders
Worte, welche Unordnungen hervorbringen können. Eine Tragödie


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[0760] Vorstellungen selbst sind einer nicht minder strengen Controle unter¬ worfen: obgleich die Freiheit der Presse als eines der ersten Rechte des Volkes anerkannt ist, sind doch die Theaterstücke von der Censur abhängig. Ein dialogisirtes Pamphlet von Fielding, Pasquin, scheint Anlaß zu dieser Ueberwachungsmethode gegeben zu haben. Dieses Stück enthielt eine sehr heftige Satyre gegen die politische Regierung und Fielding trieb die Heftigkeit seiner Angriffe bis zur Schmähung und Provokation. Die Censur wurde bei der Untersuchung von 1832 nur von wenigen unbeschränkten Geistern bekämpft, im Allgemeinen erlitt sie keine Anfechtung, gewichtige Zeugen sprachen sich für ihre Nothwendigkeit aus. „Die politischen Anspielungen", sagt einer von ihnen, Thomas Morton, dessen Werke das glückliche Vorrecht haben, die Menge anzulocken, „werden von den Zuschauern mit Begierde ge¬ hört. Die Scene wird ein Herd der Aufreizung; das Applaudiren erhitzt die Geister und die öffentlichen Mißstimmungen werden so leicht in Aufruhr verwandelt. Es gibt nichts Fürchterlicheres, als eine wüthende («nraAea') Versammlung. Ich weiß es, sagt er serner, vom berühmten Talma, daß die französische Revolution nur unbedeu¬ tende Fortschritte machte, solang die Bühne noch nicht zur Arena der Volksleidenschaften gemacht war; aber sobald die Scene zur Tribüne wurde, war die Bewegung unwiderstehlich." Mehrere Zeugen be¬ trachteten die Censur als ein den Theatern vortheilhaftes Institut. Eine strenge und beständige Ueberwachung nur könne die Gesellschaft erfolgreich schützen; zwar würde das Publicum keine offenbar un¬ moralischen, oder aufrührerischen Darstellungen dulden, aber doch solche, bei denen Unmoral und Aufruhr in kleinen Dosen nach und nach sich wirksam machten. Die Censur scheint milde und versöhnlich gewesen zu sein, sie hat zu wenig Klagen Anlaß gegeben. Einige klagen sie der Launen- haftigkeit und Parteilichkeit an, aber die Meisten loben ihren guten Geist. Der Prüfer liest die Stücke, streicht die Stellen oder Worte, welche ihm verfänglich scheinen, an und^wenn das Ganze ihm Anlaß zur Rüge gibt, spricht er ein vollständiges Verbot aus. Er läßt es sich angelegen sein, Alles zu unterdrücken, was indecent, profanirend und irreligiös ist, was Laster oder Verbrechen rechtfertigt oder er- muthigt, was Anspielung auf Zeitereignisse macht, und besonders Worte, welche Unordnungen hervorbringen können. Eine Tragödie

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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 3, 1844, I. Semester, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341546_179712/760>, abgerufen am 01.07.2024.