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Die Grenzboten. Jg. 3, 1844, I. Semester.

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Bezeichnung unmöglich war. Die Untersuchung von !K32 bemühte
sich, genaue Definitionen zu erlangen, erhielt aber Nichts als unbe¬
stimmte, widersprechende Erklärungen. Der eine Zeuge rechnete zu
dem legitimen Drama nur die Werke von Shaffpeare, Otway, Nowe,
Sheridan, Colmar und anderen classischen Autoren. Ein anderer
nahm nur auf das Theater Rücksicht, wo die Stücke dargestellt wa¬
ren, und definirte als zum legitimen Drama gehörig- "jedes Werk,
das in Drurylane oder in Coventgarden aufgeführt sei", Andere
wieder "jedes Werk, in welchem weder Gesang, noch Musik vorkomme."
Einige meinten, ein Stück, in welchem Musik vorkomme, könne den¬
noch zum legitimen Drama gerechnet werden, sobald nur Nichts da-
rin die Natur übertreibe. Ein nach richtigeren Grundsätzen urtheilen¬
der Zeuge, Payne Collier, versteht unter legitimem Drama "jedes
Werk, welches einen guten Dialog, gute Charaktere und gute Mo¬
ral hat." Die Bezeichnung des Wortes durletta ist nicht minder
schwankend. Die meisten Leute vom Fach verstehen indeß darunter
"ein kleines Stück, das mit Tänzen und Gesängen vermischt ist."
Die Verwirrung der verschiedenen Genres ist durch die Gewohnhei¬
ten des englischen Publicums noch größer geworden. Die ersten
Theater spielen stets nach der Tragödie oder Komödie Pantomimen
oder Possen, welche auf's Seltsamste mit den großen Werken ihres
Repertoires contrastiren, und doch ist ein solcher Mißbrauch mit den
Genrebezeichnungen getrieben worden, daß man Stücke dieser Art le¬
gitime Possen nennt.

Die neue Bill enthält keine auf die Bezeichnung der verschiede¬
nen Genres bezügliche Bestimmung, aber sie überträgt dem Lordkäm¬
merer so ausgedehnte Vollmachten, daß die neuen Aurorisationen
auch noch specielle Vorschriften über diesen Punkt enthalten können.
Di> Untersuchung von 1832 hat den Anspruch patentirter Theater
ergeben, welche behaupten, allein zur Aufführung des Repertoires
der großen dramatischen Schriftsteller berechtigt zu sein: diese An¬
sprüche sind in der Kammer der Lords sehr vertheidigt worden, und
da sie sich auf den Besitz gründen, der in England stets eine so
große Rolle spielt, so werden sie gewiß sehr stark berücksichtigt werden.

Das Recht, in England ein Theater zu eröffnen, ist, wie man
sieht, von einer Erlaubniß der öffentlichen Behörde abhängig, und
diese Erlaubniß kann in gewissen Fällen zurückgezogen werden. Die


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Bezeichnung unmöglich war. Die Untersuchung von !K32 bemühte
sich, genaue Definitionen zu erlangen, erhielt aber Nichts als unbe¬
stimmte, widersprechende Erklärungen. Der eine Zeuge rechnete zu
dem legitimen Drama nur die Werke von Shaffpeare, Otway, Nowe,
Sheridan, Colmar und anderen classischen Autoren. Ein anderer
nahm nur auf das Theater Rücksicht, wo die Stücke dargestellt wa¬
ren, und definirte als zum legitimen Drama gehörig- „jedes Werk,
das in Drurylane oder in Coventgarden aufgeführt sei", Andere
wieder „jedes Werk, in welchem weder Gesang, noch Musik vorkomme."
Einige meinten, ein Stück, in welchem Musik vorkomme, könne den¬
noch zum legitimen Drama gerechnet werden, sobald nur Nichts da-
rin die Natur übertreibe. Ein nach richtigeren Grundsätzen urtheilen¬
der Zeuge, Payne Collier, versteht unter legitimem Drama „jedes
Werk, welches einen guten Dialog, gute Charaktere und gute Mo¬
ral hat." Die Bezeichnung des Wortes durletta ist nicht minder
schwankend. Die meisten Leute vom Fach verstehen indeß darunter
„ein kleines Stück, das mit Tänzen und Gesängen vermischt ist."
Die Verwirrung der verschiedenen Genres ist durch die Gewohnhei¬
ten des englischen Publicums noch größer geworden. Die ersten
Theater spielen stets nach der Tragödie oder Komödie Pantomimen
oder Possen, welche auf's Seltsamste mit den großen Werken ihres
Repertoires contrastiren, und doch ist ein solcher Mißbrauch mit den
Genrebezeichnungen getrieben worden, daß man Stücke dieser Art le¬
gitime Possen nennt.

Die neue Bill enthält keine auf die Bezeichnung der verschiede¬
nen Genres bezügliche Bestimmung, aber sie überträgt dem Lordkäm¬
merer so ausgedehnte Vollmachten, daß die neuen Aurorisationen
auch noch specielle Vorschriften über diesen Punkt enthalten können.
Di> Untersuchung von 1832 hat den Anspruch patentirter Theater
ergeben, welche behaupten, allein zur Aufführung des Repertoires
der großen dramatischen Schriftsteller berechtigt zu sein: diese An¬
sprüche sind in der Kammer der Lords sehr vertheidigt worden, und
da sie sich auf den Besitz gründen, der in England stets eine so
große Rolle spielt, so werden sie gewiß sehr stark berücksichtigt werden.

Das Recht, in England ein Theater zu eröffnen, ist, wie man
sieht, von einer Erlaubniß der öffentlichen Behörde abhängig, und
diese Erlaubniß kann in gewissen Fällen zurückgezogen werden. Die


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[0759] Bezeichnung unmöglich war. Die Untersuchung von !K32 bemühte sich, genaue Definitionen zu erlangen, erhielt aber Nichts als unbe¬ stimmte, widersprechende Erklärungen. Der eine Zeuge rechnete zu dem legitimen Drama nur die Werke von Shaffpeare, Otway, Nowe, Sheridan, Colmar und anderen classischen Autoren. Ein anderer nahm nur auf das Theater Rücksicht, wo die Stücke dargestellt wa¬ ren, und definirte als zum legitimen Drama gehörig- „jedes Werk, das in Drurylane oder in Coventgarden aufgeführt sei", Andere wieder „jedes Werk, in welchem weder Gesang, noch Musik vorkomme." Einige meinten, ein Stück, in welchem Musik vorkomme, könne den¬ noch zum legitimen Drama gerechnet werden, sobald nur Nichts da- rin die Natur übertreibe. Ein nach richtigeren Grundsätzen urtheilen¬ der Zeuge, Payne Collier, versteht unter legitimem Drama „jedes Werk, welches einen guten Dialog, gute Charaktere und gute Mo¬ ral hat." Die Bezeichnung des Wortes durletta ist nicht minder schwankend. Die meisten Leute vom Fach verstehen indeß darunter „ein kleines Stück, das mit Tänzen und Gesängen vermischt ist." Die Verwirrung der verschiedenen Genres ist durch die Gewohnhei¬ ten des englischen Publicums noch größer geworden. Die ersten Theater spielen stets nach der Tragödie oder Komödie Pantomimen oder Possen, welche auf's Seltsamste mit den großen Werken ihres Repertoires contrastiren, und doch ist ein solcher Mißbrauch mit den Genrebezeichnungen getrieben worden, daß man Stücke dieser Art le¬ gitime Possen nennt. Die neue Bill enthält keine auf die Bezeichnung der verschiede¬ nen Genres bezügliche Bestimmung, aber sie überträgt dem Lordkäm¬ merer so ausgedehnte Vollmachten, daß die neuen Aurorisationen auch noch specielle Vorschriften über diesen Punkt enthalten können. Di> Untersuchung von 1832 hat den Anspruch patentirter Theater ergeben, welche behaupten, allein zur Aufführung des Repertoires der großen dramatischen Schriftsteller berechtigt zu sein: diese An¬ sprüche sind in der Kammer der Lords sehr vertheidigt worden, und da sie sich auf den Besitz gründen, der in England stets eine so große Rolle spielt, so werden sie gewiß sehr stark berücksichtigt werden. Das Recht, in England ein Theater zu eröffnen, ist, wie man sieht, von einer Erlaubniß der öffentlichen Behörde abhängig, und diese Erlaubniß kann in gewissen Fällen zurückgezogen werden. Die 97 *

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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 3, 1844, I. Semester, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341546_179712/759>, abgerufen am 01.07.2024.