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Die Grenzboten. Jg. 3, 1844, I. Semester.

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niht verriethen. So sprach er von seiner Familie, von seiner Schwe¬
ster, der dein Fürsten Anton Nadziwill verheiratheten Prinzessin Louise,
von seinem Bruder, dem Prinzen August, mit eben so großer Zunei¬
gung als Offenheit, als ob uns Allen 'dieser Umgang und diese
Einsicht wie ihm selber ^vertraut sein müßten. Seinen Schwager,
den Fürsten Nadziwill, schien er besonders zu lieben, die gemeinsame
Liebe zur Musik wirkte hier mächtig ein. Er vermißte ihn und fragte,
ob er schon da gewesen? Auf die Bemerkung, er sei wohl zur Jagd
gefahren, lächelte der Prinz. Zur Jagd? wiederholte er, da kennen
Sie meinen Schwager nicht. O ja, er fährt zur Jagd, wenn es
sein muß, er macht Alles mit; aber Alles, was er thut, thut er nur
im musikalischen Sinn, und, zum Beispiel, auf der Jagd ist ihm an
Wild und Beute Nichts gelegen, sondern seine Jagdlust läuft einzig
darauf hinaus, daß er sich mit der Büchse unter einen Baum stellt
und dann vor sich hin singt: ^.t canela, In canela!

Die den Fürsten näher kannten, bestätigten eifrig das treffende
Gleichniß und bewunderten nur, daß der Prinz, der so wenig Acht
zu haben schien auf das, was um ihn vorging, zu dieser Auffassung
habe kommen können.

Der Prinz nahm seinen Hut und schickte sich zum Fortgehen,
an, wir Alle thaten desgleichen, und eben wollten Brinkmann und
ich als die Letzten dem Prinzen folgen, als auf der. "Treppe der Fürst
Nadziwill uns begegnete und unter freudigen Aeußerungen den Prin¬
zen wieder zu dem Salon zurückführte.

Brinkmann aber und ich, wir gingen unseres Weges weiter.
Als wir auf die Straße kamen, fanden wir den Himmel ausgestirnt,
die'Luft milde, und es gefiel uns, in der breiten Straße noch zu lust¬
wandeln. Ohnehin war ich von dem erlebten Abend in großer Auf¬
regung und fühlte das Bedürfniß, Manches auszusprechen und Vie¬
les zu fragen, was mir aufgefallen oder nicht klar geworden war.
Wer hätte mir siedet besser dienen können, als mein Begleiter; wo
wäre größere Bereitwilligkeit zu, finden gewesen?

Wir waren etwas auf dem Gensdarmenmarkt umhergegangen,
kehrten aber nun in die Jägerstraße zurück, wo der Wagen des Prin¬
zen noch vor dem Hause hielt. In dem Zimmer oben war ein Fen¬
ster geöffnet, und Klaviertöne erklangen. Wir standen still und lausch¬
ten; der Prinz phantasirte mit genialer Fertigkeit, Demoiselle Levin


niht verriethen. So sprach er von seiner Familie, von seiner Schwe¬
ster, der dein Fürsten Anton Nadziwill verheiratheten Prinzessin Louise,
von seinem Bruder, dem Prinzen August, mit eben so großer Zunei¬
gung als Offenheit, als ob uns Allen 'dieser Umgang und diese
Einsicht wie ihm selber ^vertraut sein müßten. Seinen Schwager,
den Fürsten Nadziwill, schien er besonders zu lieben, die gemeinsame
Liebe zur Musik wirkte hier mächtig ein. Er vermißte ihn und fragte,
ob er schon da gewesen? Auf die Bemerkung, er sei wohl zur Jagd
gefahren, lächelte der Prinz. Zur Jagd? wiederholte er, da kennen
Sie meinen Schwager nicht. O ja, er fährt zur Jagd, wenn es
sein muß, er macht Alles mit; aber Alles, was er thut, thut er nur
im musikalischen Sinn, und, zum Beispiel, auf der Jagd ist ihm an
Wild und Beute Nichts gelegen, sondern seine Jagdlust läuft einzig
darauf hinaus, daß er sich mit der Büchse unter einen Baum stellt
und dann vor sich hin singt: ^.t canela, In canela!

Die den Fürsten näher kannten, bestätigten eifrig das treffende
Gleichniß und bewunderten nur, daß der Prinz, der so wenig Acht
zu haben schien auf das, was um ihn vorging, zu dieser Auffassung
habe kommen können.

Der Prinz nahm seinen Hut und schickte sich zum Fortgehen,
an, wir Alle thaten desgleichen, und eben wollten Brinkmann und
ich als die Letzten dem Prinzen folgen, als auf der. „Treppe der Fürst
Nadziwill uns begegnete und unter freudigen Aeußerungen den Prin¬
zen wieder zu dem Salon zurückführte.

Brinkmann aber und ich, wir gingen unseres Weges weiter.
Als wir auf die Straße kamen, fanden wir den Himmel ausgestirnt,
die'Luft milde, und es gefiel uns, in der breiten Straße noch zu lust¬
wandeln. Ohnehin war ich von dem erlebten Abend in großer Auf¬
regung und fühlte das Bedürfniß, Manches auszusprechen und Vie¬
les zu fragen, was mir aufgefallen oder nicht klar geworden war.
Wer hätte mir siedet besser dienen können, als mein Begleiter; wo
wäre größere Bereitwilligkeit zu, finden gewesen?

Wir waren etwas auf dem Gensdarmenmarkt umhergegangen,
kehrten aber nun in die Jägerstraße zurück, wo der Wagen des Prin¬
zen noch vor dem Hause hielt. In dem Zimmer oben war ein Fen¬
ster geöffnet, und Klaviertöne erklangen. Wir standen still und lausch¬
ten; der Prinz phantasirte mit genialer Fertigkeit, Demoiselle Levin


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[0747] niht verriethen. So sprach er von seiner Familie, von seiner Schwe¬ ster, der dein Fürsten Anton Nadziwill verheiratheten Prinzessin Louise, von seinem Bruder, dem Prinzen August, mit eben so großer Zunei¬ gung als Offenheit, als ob uns Allen 'dieser Umgang und diese Einsicht wie ihm selber ^vertraut sein müßten. Seinen Schwager, den Fürsten Nadziwill, schien er besonders zu lieben, die gemeinsame Liebe zur Musik wirkte hier mächtig ein. Er vermißte ihn und fragte, ob er schon da gewesen? Auf die Bemerkung, er sei wohl zur Jagd gefahren, lächelte der Prinz. Zur Jagd? wiederholte er, da kennen Sie meinen Schwager nicht. O ja, er fährt zur Jagd, wenn es sein muß, er macht Alles mit; aber Alles, was er thut, thut er nur im musikalischen Sinn, und, zum Beispiel, auf der Jagd ist ihm an Wild und Beute Nichts gelegen, sondern seine Jagdlust läuft einzig darauf hinaus, daß er sich mit der Büchse unter einen Baum stellt und dann vor sich hin singt: ^.t canela, In canela! Die den Fürsten näher kannten, bestätigten eifrig das treffende Gleichniß und bewunderten nur, daß der Prinz, der so wenig Acht zu haben schien auf das, was um ihn vorging, zu dieser Auffassung habe kommen können. Der Prinz nahm seinen Hut und schickte sich zum Fortgehen, an, wir Alle thaten desgleichen, und eben wollten Brinkmann und ich als die Letzten dem Prinzen folgen, als auf der. „Treppe der Fürst Nadziwill uns begegnete und unter freudigen Aeußerungen den Prin¬ zen wieder zu dem Salon zurückführte. Brinkmann aber und ich, wir gingen unseres Weges weiter. Als wir auf die Straße kamen, fanden wir den Himmel ausgestirnt, die'Luft milde, und es gefiel uns, in der breiten Straße noch zu lust¬ wandeln. Ohnehin war ich von dem erlebten Abend in großer Auf¬ regung und fühlte das Bedürfniß, Manches auszusprechen und Vie¬ les zu fragen, was mir aufgefallen oder nicht klar geworden war. Wer hätte mir siedet besser dienen können, als mein Begleiter; wo wäre größere Bereitwilligkeit zu, finden gewesen? Wir waren etwas auf dem Gensdarmenmarkt umhergegangen, kehrten aber nun in die Jägerstraße zurück, wo der Wagen des Prin¬ zen noch vor dem Hause hielt. In dem Zimmer oben war ein Fen¬ ster geöffnet, und Klaviertöne erklangen. Wir standen still und lausch¬ ten; der Prinz phantasirte mit genialer Fertigkeit, Demoiselle Levin

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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 3, 1844, I. Semester, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341546_179712/747>, abgerufen am 01.07.2024.