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Die Grenzboten. Jg. 3, 1844, I. Semester.

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Jahr steht hinter den anderen nicht zurück. M. Zeis, ein vorzügli¬
cher Arzt, der sich durch chirurgische Schriften einen gerühmten Na¬
men gemacht hat, ist als ordentlicher Professor an die Klinik nach
Marburg berufen worden; her bekannte Mathematiker Dr. Snell folgt
meinem Ruf nach Jena. Julius Mosen ist nach Oldenburg als Dra¬
maturg abgegangen und hat uns beim Abschied eine Schrift: "Die
Dresdener Gemäldegalerie in ihr"n bedeutungsvollsten Meisterwerken"
zurückgelassen -- über "die wir vielleicht noch reden werden, wenn es
nicht vvMziehen ist, die Schwächen eines verehrten Dichters und
Freundes > mit Stillschweigen zu übergehen. -- Jetzt zieht auch Hof¬
rath Hanfstängl, unser Meister der Lithographie, von Dresden fort;
er hat sich in seinem Vaterland, im baierschen Hochgebirge am Am¬
mersee, eine reizend gelegene Besitzung gekauft, wo er mit seiner Fa¬
milie in ländlicher Zurückgezogenheit wohnen wird; doch geht sein li¬
thographisches Institut hier unter Leitung eines seiner Brüder fort
und wird er jährlich auf einige Monate hierher kommen, zu . fördern
und nachzusehen. Auch wird er seine Arbeiten auf seinem Landsitz
selbst fortsetzen. Sein großes Galeriewerk war im Anfang auf I2V
Lithographien der ausgezeichnetsten Bilder Dresdens bestimmt, doch
hat er sich in Folge mehrfacher Aufforderungen entschlossen, ihm noch
eine ^Fortsetzung der vorzüglicheren Bilder der Galerie beizugeben. In
einem unserer früheren Briefe haben wir schon angegeben, wie Hanf-
stängl sich aus sehr beschränkten Verhältnissen durch eigene Kraft und
consequentes edles Streben herausgerungen hat zu einer künstlerisch
bedeutenden und social höchst angenehmen Stellung. Sein lithogra¬
phisches Institut mag wohl als das erste Deutschlands angesehen wer¬
den ; er beschäftigt unter einer Menge von Menschen mehrere sehr vor¬
zügliche Künstler darin. Nur ungern sieht man den Künstler und den
im geselligen Leben so allgemein geachteten liebenswürdigen Menschen
scheiden. Seine Bekannten, Künstler und Kunstfreunde, vereinigten
sich vor einigen Tagen, ihm ein Abschiedsfest zu geben. Es fand
dieses in der Rotunde auf der Terrasse statt; der große fensterreiche
Saal war festlich geschmückt; die langen Tafeln waren in Hufeisen¬
form aufgestellt; das- breite Vorzimmer an der Eintrittsseite, dessen
Glasthüren ausgehoben worden waren, war mit Palmen und ande¬
ren edlen Bäumen und Büschen und mit hochrankenden Blumen, in
welchen des Gefeierten Bild gleichsam zu schweben schien, versetzt und
versteckt, und hinter diesem duftigen Wald war das Orchester und der
Theaterchor verborgen. Als die Herren, etwa achtzig an der Zahl,
vereinigt waren, begann die Musik zu spielen, Toaste und Reden
folgten, dann sang der Chor und diesem folgte ein Quartett, bestehend
aus den ersten Sängern unserer Oper, an ihrer Spitze Tichatschek.
Der weiße Tagesschimmer glänzte schon über die Elbe herüber, als
die größere Zahl der versammelten Herren aus einander ging.


Jahr steht hinter den anderen nicht zurück. M. Zeis, ein vorzügli¬
cher Arzt, der sich durch chirurgische Schriften einen gerühmten Na¬
men gemacht hat, ist als ordentlicher Professor an die Klinik nach
Marburg berufen worden; her bekannte Mathematiker Dr. Snell folgt
meinem Ruf nach Jena. Julius Mosen ist nach Oldenburg als Dra¬
maturg abgegangen und hat uns beim Abschied eine Schrift: „Die
Dresdener Gemäldegalerie in ihr«n bedeutungsvollsten Meisterwerken"
zurückgelassen — über "die wir vielleicht noch reden werden, wenn es
nicht vvMziehen ist, die Schwächen eines verehrten Dichters und
Freundes > mit Stillschweigen zu übergehen. — Jetzt zieht auch Hof¬
rath Hanfstängl, unser Meister der Lithographie, von Dresden fort;
er hat sich in seinem Vaterland, im baierschen Hochgebirge am Am¬
mersee, eine reizend gelegene Besitzung gekauft, wo er mit seiner Fa¬
milie in ländlicher Zurückgezogenheit wohnen wird; doch geht sein li¬
thographisches Institut hier unter Leitung eines seiner Brüder fort
und wird er jährlich auf einige Monate hierher kommen, zu . fördern
und nachzusehen. Auch wird er seine Arbeiten auf seinem Landsitz
selbst fortsetzen. Sein großes Galeriewerk war im Anfang auf I2V
Lithographien der ausgezeichnetsten Bilder Dresdens bestimmt, doch
hat er sich in Folge mehrfacher Aufforderungen entschlossen, ihm noch
eine ^Fortsetzung der vorzüglicheren Bilder der Galerie beizugeben. In
einem unserer früheren Briefe haben wir schon angegeben, wie Hanf-
stängl sich aus sehr beschränkten Verhältnissen durch eigene Kraft und
consequentes edles Streben herausgerungen hat zu einer künstlerisch
bedeutenden und social höchst angenehmen Stellung. Sein lithogra¬
phisches Institut mag wohl als das erste Deutschlands angesehen wer¬
den ; er beschäftigt unter einer Menge von Menschen mehrere sehr vor¬
zügliche Künstler darin. Nur ungern sieht man den Künstler und den
im geselligen Leben so allgemein geachteten liebenswürdigen Menschen
scheiden. Seine Bekannten, Künstler und Kunstfreunde, vereinigten
sich vor einigen Tagen, ihm ein Abschiedsfest zu geben. Es fand
dieses in der Rotunde auf der Terrasse statt; der große fensterreiche
Saal war festlich geschmückt; die langen Tafeln waren in Hufeisen¬
form aufgestellt; das- breite Vorzimmer an der Eintrittsseite, dessen
Glasthüren ausgehoben worden waren, war mit Palmen und ande¬
ren edlen Bäumen und Büschen und mit hochrankenden Blumen, in
welchen des Gefeierten Bild gleichsam zu schweben schien, versetzt und
versteckt, und hinter diesem duftigen Wald war das Orchester und der
Theaterchor verborgen. Als die Herren, etwa achtzig an der Zahl,
vereinigt waren, begann die Musik zu spielen, Toaste und Reden
folgten, dann sang der Chor und diesem folgte ein Quartett, bestehend
aus den ersten Sängern unserer Oper, an ihrer Spitze Tichatschek.
Der weiße Tagesschimmer glänzte schon über die Elbe herüber, als
die größere Zahl der versammelten Herren aus einander ging.


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[0732] Jahr steht hinter den anderen nicht zurück. M. Zeis, ein vorzügli¬ cher Arzt, der sich durch chirurgische Schriften einen gerühmten Na¬ men gemacht hat, ist als ordentlicher Professor an die Klinik nach Marburg berufen worden; her bekannte Mathematiker Dr. Snell folgt meinem Ruf nach Jena. Julius Mosen ist nach Oldenburg als Dra¬ maturg abgegangen und hat uns beim Abschied eine Schrift: „Die Dresdener Gemäldegalerie in ihr«n bedeutungsvollsten Meisterwerken" zurückgelassen — über "die wir vielleicht noch reden werden, wenn es nicht vvMziehen ist, die Schwächen eines verehrten Dichters und Freundes > mit Stillschweigen zu übergehen. — Jetzt zieht auch Hof¬ rath Hanfstängl, unser Meister der Lithographie, von Dresden fort; er hat sich in seinem Vaterland, im baierschen Hochgebirge am Am¬ mersee, eine reizend gelegene Besitzung gekauft, wo er mit seiner Fa¬ milie in ländlicher Zurückgezogenheit wohnen wird; doch geht sein li¬ thographisches Institut hier unter Leitung eines seiner Brüder fort und wird er jährlich auf einige Monate hierher kommen, zu . fördern und nachzusehen. Auch wird er seine Arbeiten auf seinem Landsitz selbst fortsetzen. Sein großes Galeriewerk war im Anfang auf I2V Lithographien der ausgezeichnetsten Bilder Dresdens bestimmt, doch hat er sich in Folge mehrfacher Aufforderungen entschlossen, ihm noch eine ^Fortsetzung der vorzüglicheren Bilder der Galerie beizugeben. In einem unserer früheren Briefe haben wir schon angegeben, wie Hanf- stängl sich aus sehr beschränkten Verhältnissen durch eigene Kraft und consequentes edles Streben herausgerungen hat zu einer künstlerisch bedeutenden und social höchst angenehmen Stellung. Sein lithogra¬ phisches Institut mag wohl als das erste Deutschlands angesehen wer¬ den ; er beschäftigt unter einer Menge von Menschen mehrere sehr vor¬ zügliche Künstler darin. Nur ungern sieht man den Künstler und den im geselligen Leben so allgemein geachteten liebenswürdigen Menschen scheiden. Seine Bekannten, Künstler und Kunstfreunde, vereinigten sich vor einigen Tagen, ihm ein Abschiedsfest zu geben. Es fand dieses in der Rotunde auf der Terrasse statt; der große fensterreiche Saal war festlich geschmückt; die langen Tafeln waren in Hufeisen¬ form aufgestellt; das- breite Vorzimmer an der Eintrittsseite, dessen Glasthüren ausgehoben worden waren, war mit Palmen und ande¬ ren edlen Bäumen und Büschen und mit hochrankenden Blumen, in welchen des Gefeierten Bild gleichsam zu schweben schien, versetzt und versteckt, und hinter diesem duftigen Wald war das Orchester und der Theaterchor verborgen. Als die Herren, etwa achtzig an der Zahl, vereinigt waren, begann die Musik zu spielen, Toaste und Reden folgten, dann sang der Chor und diesem folgte ein Quartett, bestehend aus den ersten Sängern unserer Oper, an ihrer Spitze Tichatschek. Der weiße Tagesschimmer glänzte schon über die Elbe herüber, als die größere Zahl der versammelten Herren aus einander ging.

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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 3, 1844, I. Semester, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341546_179712/732>, abgerufen am 22.12.2024.