Arme, zog ihn bei Seite und sagte: Hören Sie mal, lieber Robert, was denken Sie sich denn unter einem Egoisten? Ich hoffe doch nicht gar zu Schlechtes? Und wenn ich nun ein Egoist bin, was ist damit gesagt? Nein, das müssen Sie mir genauer auseinandersetzen, darüber müssen wir umständlich reden; denn sehen Sie, wenn ich mich selber fühle und kenne und ehre, so heißt das doch noch nicht -- und somit führte er ihn in das Nebenzimmer, sich in Prosa noch¬ mals vortragen zu lassen, was er in Versen schon zur Genüge sollte vernommen haben. Der will aus dem Regen unter die Traufe, sagte Demoiselle Levin, und "Guerande!" rief sie den Abgehenden noch freundlich nach; wirklich kamen sie nicht wieder zum Vorschein.
Demoiselle Levin erklärte sich ernstlich gegen solche geiht- und kunstreiche Spiele, wie überhaupt gegen alle persönliche Satyre, Pa¬ rodie und Travestie, als gegen einen Mißbrauch der Dichtkunst; Al¬ les dies, meinte sie, trage etwas Böses in sich, das zuletzt nur ge¬ meiner Schadenfreude diene; einen großen Unwillen und Zorn, eine heftige Bitterkeit, ein tief einschneidendes Charakterisiren aus Einsicht und zur Einsicht, das Alles begreife und respectire sie, wo ein inne¬ rer Drang es durchaus gebiete, oder wenn wirklich anmuthige und unbezwingliche Laune das Gehässige wieder aufhebe.
Schlegel, der sich solcher Vergehen gegen Schiller schuldig wußte, stellte die Xenien als Einwand auf; allein die rasche Gegnerin ver¬ setzte: Das Beispiel spricht gerade für mich, wenn Sie die anfüh¬ ren, stehen Sie schon aus meiner Seite. Denn wo ist wohl der Zorn gerechter, der Unwillen edler, der Witz lebendiger, als eben in den Xenien? Ueberdies sind Goethe und Schiller -- nun ja Goethe und Schiller!
Arme, zog ihn bei Seite und sagte: Hören Sie mal, lieber Robert, was denken Sie sich denn unter einem Egoisten? Ich hoffe doch nicht gar zu Schlechtes? Und wenn ich nun ein Egoist bin, was ist damit gesagt? Nein, das müssen Sie mir genauer auseinandersetzen, darüber müssen wir umständlich reden; denn sehen Sie, wenn ich mich selber fühle und kenne und ehre, so heißt das doch noch nicht — und somit führte er ihn in das Nebenzimmer, sich in Prosa noch¬ mals vortragen zu lassen, was er in Versen schon zur Genüge sollte vernommen haben. Der will aus dem Regen unter die Traufe, sagte Demoiselle Levin, und „Guerande!" rief sie den Abgehenden noch freundlich nach; wirklich kamen sie nicht wieder zum Vorschein.
Demoiselle Levin erklärte sich ernstlich gegen solche geiht- und kunstreiche Spiele, wie überhaupt gegen alle persönliche Satyre, Pa¬ rodie und Travestie, als gegen einen Mißbrauch der Dichtkunst; Al¬ les dies, meinte sie, trage etwas Böses in sich, das zuletzt nur ge¬ meiner Schadenfreude diene; einen großen Unwillen und Zorn, eine heftige Bitterkeit, ein tief einschneidendes Charakterisiren aus Einsicht und zur Einsicht, das Alles begreife und respectire sie, wo ein inne¬ rer Drang es durchaus gebiete, oder wenn wirklich anmuthige und unbezwingliche Laune das Gehässige wieder aufhebe.
Schlegel, der sich solcher Vergehen gegen Schiller schuldig wußte, stellte die Xenien als Einwand auf; allein die rasche Gegnerin ver¬ setzte: Das Beispiel spricht gerade für mich, wenn Sie die anfüh¬ ren, stehen Sie schon aus meiner Seite. Denn wo ist wohl der Zorn gerechter, der Unwillen edler, der Witz lebendiger, als eben in den Xenien? Ueberdies sind Goethe und Schiller — nun ja Goethe und Schiller!
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Arme, zog ihn bei Seite und sagte: Hören Sie mal, lieber Robert,
was denken Sie sich denn unter einem Egoisten? Ich hoffe doch
nicht gar zu Schlechtes? Und wenn ich nun ein Egoist bin, was ist
damit gesagt? Nein, das müssen Sie mir genauer auseinandersetzen,
darüber müssen wir umständlich reden; denn sehen Sie, wenn ich
mich selber fühle und kenne und ehre, so heißt das doch noch nicht
— und somit führte er ihn in das Nebenzimmer, sich in Prosa noch¬
mals vortragen zu lassen, was er in Versen schon zur Genüge sollte
vernommen haben. Der will aus dem Regen unter die Traufe, sagte
Demoiselle Levin, und „Guerande!" rief sie den Abgehenden noch
freundlich nach; wirklich kamen sie nicht wieder zum Vorschein.
Demoiselle Levin erklärte sich ernstlich gegen solche geiht- und
kunstreiche Spiele, wie überhaupt gegen alle persönliche Satyre, Pa¬
rodie und Travestie, als gegen einen Mißbrauch der Dichtkunst; Al¬
les dies, meinte sie, trage etwas Böses in sich, das zuletzt nur ge¬
meiner Schadenfreude diene; einen großen Unwillen und Zorn, eine
heftige Bitterkeit, ein tief einschneidendes Charakterisiren aus Einsicht
und zur Einsicht, das Alles begreife und respectire sie, wo ein inne¬
rer Drang es durchaus gebiete, oder wenn wirklich anmuthige und
unbezwingliche Laune das Gehässige wieder aufhebe.
Schlegel, der sich solcher Vergehen gegen Schiller schuldig wußte,
stellte die Xenien als Einwand auf; allein die rasche Gegnerin ver¬
setzte: Das Beispiel spricht gerade für mich, wenn Sie die anfüh¬
ren, stehen Sie schon aus meiner Seite. Denn wo ist wohl der
Zorn gerechter, der Unwillen edler, der Witz lebendiger, als eben in
den Xenien? Ueberdies sind Goethe und Schiller — nun ja Goethe
und Schiller!
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Die Grenzboten. Jg. 3, 1844, I. Semester, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341546_179712/726>, abgerufen am 22.12.2024.
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