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Die Grenzboten. Jg. 3, 1844, I. Semester.

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Robert, Sie sollen befriedigt werden und sogar doppelt, denn Ihren
Namen habe ich zweimal akrostichirt. Hören Sie denn:

"Glatt, doch unwahr nie, und saß' er an fürstlicher Tafel;
Unrecht scheuend, behauptet er oftmals dennoch das größte,
Arglos, kühn und geschickt, bethört im eigenen Scharfsinn;
Listig weicht er sich aus, ooch stark auch faßt er sich wieder.
Trau' ihm in seinem Gemach, hier darfst Du, darf er sich trauen,
In der Gesellschaft ist Krieg, und dann er Soldat und Gesandter.
Einigen wird er sich nur mit dem, der immer ihm beistimme;
Rebent herrschet er dann; doch läßt er auch kindlich sich leiten,--
Ja so lebt er, ein Räthsel, gehaßt und geliebt und gefürchtet!"

Die Bezeichnungen müssen treffend gewesen sein, denn die ein¬
zelnen Zeilen und Worte empfingen den größten Beifall; nur Gual-
tieri stand unbewegt, als wenn er gar nicht wüßte, von wem die
Rede sei. Als die Anderen aber ihn anriefen und scherzend um sein
Urtheil baten, fuhr er aus dem stummen Nachdenken auf. Das ver¬
stehe ich nicht! rief er. Lesen Sie doch das zweite, vielleicht ist das
deutlicher! -- Schärfer gewiß, erwiederte Robert und las:

"Glaube, Dir glaubt er Nichts, doch glaubt er Alles sich selber;
Undankbar stets denkt er, er danke nur Alles sich selber.
Alles scheint er zu lieben und liebt nur den Schein und sich selber.
Laut im Streit und nicht lauter, so schreit er und hört nur sich
selber.

Tiefes Gefühl bleibt tief ihm verborgen, er fühlt nur sich selber.
In Verlegenheit bringst Du ihn nie, doch oft er sich selber.
Ehre ist ihm das Erste, drum ehrt er auch ehrlich sich selber,
Reizbar ist er und reizend und reizt auch öfters sich selber,
Jahrlang könnt ihr ihn tadeln, es hilft Nichts, er tadelt sich selber."

Der gesellschaftliche Applaus wird oft durch Kleinigkeiten un¬
mäßig; ich sah es hier. Komisch und spannend war nur Gualtieri'6
Gegenwart. Er fühlte sich mehr geschmeichelt, als beleidigt, mehr¬
mals hatte er gelächelt, mehrmals sein "Gut gesagt!" dazwischen ge¬
worfen. Als aber das Stück zu Ende war, wurde er doch wieder
nachdenklich und rief wie verwundert: Aber Sie machen mich la
ganz zum Egoisten! Dann nahm er den Dichter langsam unter dem


Grcnzl'vtcii I. t)Z

Robert, Sie sollen befriedigt werden und sogar doppelt, denn Ihren
Namen habe ich zweimal akrostichirt. Hören Sie denn:

„Glatt, doch unwahr nie, und saß' er an fürstlicher Tafel;
Unrecht scheuend, behauptet er oftmals dennoch das größte,
Arglos, kühn und geschickt, bethört im eigenen Scharfsinn;
Listig weicht er sich aus, ooch stark auch faßt er sich wieder.
Trau' ihm in seinem Gemach, hier darfst Du, darf er sich trauen,
In der Gesellschaft ist Krieg, und dann er Soldat und Gesandter.
Einigen wird er sich nur mit dem, der immer ihm beistimme;
Rebent herrschet er dann; doch läßt er auch kindlich sich leiten,—
Ja so lebt er, ein Räthsel, gehaßt und geliebt und gefürchtet!"

Die Bezeichnungen müssen treffend gewesen sein, denn die ein¬
zelnen Zeilen und Worte empfingen den größten Beifall; nur Gual-
tieri stand unbewegt, als wenn er gar nicht wüßte, von wem die
Rede sei. Als die Anderen aber ihn anriefen und scherzend um sein
Urtheil baten, fuhr er aus dem stummen Nachdenken auf. Das ver¬
stehe ich nicht! rief er. Lesen Sie doch das zweite, vielleicht ist das
deutlicher! — Schärfer gewiß, erwiederte Robert und las:

„Glaube, Dir glaubt er Nichts, doch glaubt er Alles sich selber;
Undankbar stets denkt er, er danke nur Alles sich selber.
Alles scheint er zu lieben und liebt nur den Schein und sich selber.
Laut im Streit und nicht lauter, so schreit er und hört nur sich
selber.

Tiefes Gefühl bleibt tief ihm verborgen, er fühlt nur sich selber.
In Verlegenheit bringst Du ihn nie, doch oft er sich selber.
Ehre ist ihm das Erste, drum ehrt er auch ehrlich sich selber,
Reizbar ist er und reizend und reizt auch öfters sich selber,
Jahrlang könnt ihr ihn tadeln, es hilft Nichts, er tadelt sich selber."

Der gesellschaftliche Applaus wird oft durch Kleinigkeiten un¬
mäßig; ich sah es hier. Komisch und spannend war nur Gualtieri'6
Gegenwart. Er fühlte sich mehr geschmeichelt, als beleidigt, mehr¬
mals hatte er gelächelt, mehrmals sein „Gut gesagt!" dazwischen ge¬
worfen. Als aber das Stück zu Ende war, wurde er doch wieder
nachdenklich und rief wie verwundert: Aber Sie machen mich la
ganz zum Egoisten! Dann nahm er den Dichter langsam unter dem


Grcnzl'vtcii I. t)Z
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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 3, 1844, I. Semester, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341546_179712/725>, abgerufen am 22.12.2024.