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Die Grenzboten. Jg. 3, 1844, I. Semester.

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bei kaum ein Gegenstand näheren Interesses; e6 war dieser Blick
nur wie eine vorüberstreifende Frage, die gar uicht ausführliche, son¬
dern nur ungefähre Antwort wollte, und mit der rasch ergriffenen
ganz befriedigt schien.

Ich brachte meine Begrüßungen an, und bei dem Namen Van-
deul erheiterte sich das ganze Gesicht. Ich mußte in der Eile her¬
sagen, waS ich Alles wußte. Demoiselle Levin schien außerordentlich
von der guten Frau eingenommen und sagte mit wenigen Worten
so viel Gutes und Bezeichnendes von ihr, daß ich selber anfing, sie
uuter ganz neuem Gesichtspunkte zu sehen, und sonderbar genug, sie
erst jetzt recht kennen lernte, da ich hundert fünfzig Meilen von ihr
entfernt war. Ich beklagte much gegen Demoiselle Levin, daß ich sie
selber, da sie ja auch vor nicht langer Zeit in Paris gewesen, nicht
schon dort gesehen habe, welches doch leicht wäre möglich gewesen, sowohl
bei Frau von Vandeul, als auch bei Frau von Humboldt, wo ich
ebenfalls zuweilen hingekommen. Sie meinte, wir wollten das jez-
zige verspätete Begegnen um so besser pflegen, und ihre Worte waren
so gütig, daß ich mich gleich aller Verlegenheit enthoben fühlte und
ihr lebhaft ausdrückte, wie ich kühn genug wäre, zwischen ihr und
mir viel Uebereinstimmendes vorauszusetzen.

Sie sprach darauf Einiges mit Brinkmann, wobei ich nicht zu¬
hörte, sondern mir unterdessen die anderen Personen näher ana.

Neben der Wirthin auf dem Sopha saß eine Dame von gro¬
ßer Schönheit, eine Gräfin Einsiedel, wie ich nachher hörte. Sie
schwieg und schien wenig Antheil an dem zu nehmen, was ihr ein
Herr vorsagte, den man Abbe nannte, und dessen Gesicht und Stimme
mir gleich den anmaßlichen Pedanten zu erkennen gaben. Rückwärts
abgewendet, sprach Friedrich Schlegel mit dem Bruder von Rahel,
dessen Dichtername Ludwig Robert späterhin auch sein bürgerlicher
wurde. Beide Herren waren mir schon bekannt; Schlegel hatte ich
mit seinem Freund und Lobredner Schleiermacher am Tage zuvor bei
Madame Veit gesehen; daß er seinen Roman Lucinde auch "Be-
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schaft bei Madame Fleck gemacht, "einer schönen !ut wrgemew''rei-
zenden Frau, die den Dichter nicht wenig beaubertuabenien


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bei kaum ein Gegenstand näheren Interesses; e6 war dieser Blick
nur wie eine vorüberstreifende Frage, die gar uicht ausführliche, son¬
dern nur ungefähre Antwort wollte, und mit der rasch ergriffenen
ganz befriedigt schien.

Ich brachte meine Begrüßungen an, und bei dem Namen Van-
deul erheiterte sich das ganze Gesicht. Ich mußte in der Eile her¬
sagen, waS ich Alles wußte. Demoiselle Levin schien außerordentlich
von der guten Frau eingenommen und sagte mit wenigen Worten
so viel Gutes und Bezeichnendes von ihr, daß ich selber anfing, sie
uuter ganz neuem Gesichtspunkte zu sehen, und sonderbar genug, sie
erst jetzt recht kennen lernte, da ich hundert fünfzig Meilen von ihr
entfernt war. Ich beklagte much gegen Demoiselle Levin, daß ich sie
selber, da sie ja auch vor nicht langer Zeit in Paris gewesen, nicht
schon dort gesehen habe, welches doch leicht wäre möglich gewesen, sowohl
bei Frau von Vandeul, als auch bei Frau von Humboldt, wo ich
ebenfalls zuweilen hingekommen. Sie meinte, wir wollten das jez-
zige verspätete Begegnen um so besser pflegen, und ihre Worte waren
so gütig, daß ich mich gleich aller Verlegenheit enthoben fühlte und
ihr lebhaft ausdrückte, wie ich kühn genug wäre, zwischen ihr und
mir viel Uebereinstimmendes vorauszusetzen.

Sie sprach darauf Einiges mit Brinkmann, wobei ich nicht zu¬
hörte, sondern mir unterdessen die anderen Personen näher ana.

Neben der Wirthin auf dem Sopha saß eine Dame von gro¬
ßer Schönheit, eine Gräfin Einsiedel, wie ich nachher hörte. Sie
schwieg und schien wenig Antheil an dem zu nehmen, was ihr ein
Herr vorsagte, den man Abbe nannte, und dessen Gesicht und Stimme
mir gleich den anmaßlichen Pedanten zu erkennen gaben. Rückwärts
abgewendet, sprach Friedrich Schlegel mit dem Bruder von Rahel,
dessen Dichtername Ludwig Robert späterhin auch sein bürgerlicher
wurde. Beide Herren waren mir schon bekannt; Schlegel hatte ich
mit seinem Freund und Lobredner Schleiermacher am Tage zuvor bei
Madame Veit gesehen; daß er seinen Roman Lucinde auch „Be-
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[0717] bei kaum ein Gegenstand näheren Interesses; e6 war dieser Blick nur wie eine vorüberstreifende Frage, die gar uicht ausführliche, son¬ dern nur ungefähre Antwort wollte, und mit der rasch ergriffenen ganz befriedigt schien. Ich brachte meine Begrüßungen an, und bei dem Namen Van- deul erheiterte sich das ganze Gesicht. Ich mußte in der Eile her¬ sagen, waS ich Alles wußte. Demoiselle Levin schien außerordentlich von der guten Frau eingenommen und sagte mit wenigen Worten so viel Gutes und Bezeichnendes von ihr, daß ich selber anfing, sie uuter ganz neuem Gesichtspunkte zu sehen, und sonderbar genug, sie erst jetzt recht kennen lernte, da ich hundert fünfzig Meilen von ihr entfernt war. Ich beklagte much gegen Demoiselle Levin, daß ich sie selber, da sie ja auch vor nicht langer Zeit in Paris gewesen, nicht schon dort gesehen habe, welches doch leicht wäre möglich gewesen, sowohl bei Frau von Vandeul, als auch bei Frau von Humboldt, wo ich ebenfalls zuweilen hingekommen. Sie meinte, wir wollten das jez- zige verspätete Begegnen um so besser pflegen, und ihre Worte waren so gütig, daß ich mich gleich aller Verlegenheit enthoben fühlte und ihr lebhaft ausdrückte, wie ich kühn genug wäre, zwischen ihr und mir viel Uebereinstimmendes vorauszusetzen. Sie sprach darauf Einiges mit Brinkmann, wobei ich nicht zu¬ hörte, sondern mir unterdessen die anderen Personen näher ana. Neben der Wirthin auf dem Sopha saß eine Dame von gro¬ ßer Schönheit, eine Gräfin Einsiedel, wie ich nachher hörte. Sie schwieg und schien wenig Antheil an dem zu nehmen, was ihr ein Herr vorsagte, den man Abbe nannte, und dessen Gesicht und Stimme mir gleich den anmaßlichen Pedanten zu erkennen gaben. Rückwärts abgewendet, sprach Friedrich Schlegel mit dem Bruder von Rahel, dessen Dichtername Ludwig Robert späterhin auch sein bürgerlicher wurde. Beide Herren waren mir schon bekannt; Schlegel hatte ich mit seinem Freund und Lobredner Schleiermacher am Tage zuvor bei Madame Veit gesehen; daß er seinen Roman Lucinde auch „Be- l«>mutuel?e eil>>?s 1?n^,i>t>s,>^a>^" l>»»,^»>»>4 ^. ' . - - schaft bei Madame Fleck gemacht, "einer schönen !ut wrgemew''rei- zenden Frau, die den Dichter nicht wenig beaubertuabenien z Grcnztotcil '1844. I. g-1

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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 3, 1844, I. Semester, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341546_179712/717>, abgerufen am 01.07.2024.