Die Grenzboten. Jg. 3, 1844, I. Semester.-- Ist es dieselbe, der ich Grüße von Frau von Bande"! aus- -- Dieselbe. Ich habe ihr schon gesagt, daß ich Sie bringen Frau von Nandeul hatte mir von ihrer Freundin nur im All¬ -- Sie ist, erwiederte Brinkmann, ein selbständiges Mädchen Wir hatten in die Jägerstraße eingelenkt, und nach wenigen Demoiselle Levin war weder groß noch schön, aber fein und — Ist es dieselbe, der ich Grüße von Frau von Bande»! aus- — Dieselbe. Ich habe ihr schon gesagt, daß ich Sie bringen Frau von Nandeul hatte mir von ihrer Freundin nur im All¬ — Sie ist, erwiederte Brinkmann, ein selbständiges Mädchen Wir hatten in die Jägerstraße eingelenkt, und nach wenigen Demoiselle Levin war weder groß noch schön, aber fein und <TEI> <text> <body> <div> <div n="1"> <div n="2"> <pb facs="#f0716" corresp="http://brema.suub.uni-bremen.de/grenzboten/periodical/pageview/180429"/> <p xml:id="ID_1844"> — Ist es dieselbe, der ich Grüße von Frau von Bande»! aus-<lb/> zurichten habe?</p><lb/> <p xml:id="ID_1845"> — Dieselbe. Ich habe ihr schon gesagt, daß ich Sie bringen<lb/> werde. Es kann heute so gut geschehen, wie ein andermal.</p><lb/> <p xml:id="ID_1846"> Frau von Nandeul hatte mir von ihrer Freundin nur im All¬<lb/> gemeinen gesprochen. Auch konnte eine Französin von einer Deutschen<lb/> nicht wohl das Eigenthümlichste auffassen und sagen, selbst wenn die<lb/> Französin, wie Frau von Vandeul, eine Tochter Diderot's war. Ich<lb/> fragte daher, wer und wie diese Person eigentlich sei?</p><lb/> <p xml:id="ID_1847"> — Sie ist, erwiederte Brinkmann, ein selbständiges Mädchen<lb/> von außerordentlichem Geist, klug wie die Sonne und dabei herzens¬<lb/> gut, durchaus eigenthümlich; Alles versteht, Alles empfindet sie, und<lb/> was sie sagt, ist in amüsanter Parodone oft so treffend wahr und<lb/> tief, daß man es sich noch nach Jahren wiederholt und darüber nach¬<lb/> denken und erstaunen muß. Die geistreichste und vornehmste Gesell¬<lb/> schaft versammelt sich bei ihr, aber ganz ohne Prunk und Ostentation,<lb/> ja ich möchte sagen, ohne Unterschied und Auswahl, ganz nach dem<lb/> natürlichen Zuge der äußeren Anlässe und der inneren Convenienz.<lb/> Sie ist wohlhabend, lebt sehr unabhängig bei ihrer Mutter, die für<lb/> reich gilt; sie macht keinen Aufwand, die Bewirthung ist es nicht,<lb/> um deren willen man hingeht, alles Aeußere ist höchst einfach, aber<lb/> um so behaglicher und in dieser Art doch wieder reichlich und aus¬<lb/> erlesen.</p><lb/> <p xml:id="ID_1848"> Wir hatten in die Jägerstraße eingelenkt, und nach wenigen<lb/> Schritten standen wir vor dem Hause. Wir wurden gemeldet und<lb/> angenommen, durch einen Saal in ein anstoßendes Eckzimmer ge¬<lb/> führt, und Brinkmann stellte mich der Dame des Hauses und bald<lb/> auch einigen anderen Personen vor, die wir bei ihr fanden.</p><lb/> <p xml:id="ID_1849" next="#ID_1850"> Demoiselle Levin war weder groß noch schön, aber fein und<lb/> zart gebildet, von angenehmem Ausdruck; ein Zug von überstandenen<lb/> Leiden — sie war in der That noch nicht lange von einer Krank¬<lb/> heit genesen — gab diesem Ausdruck etwas Tiefrührendes z doch<lb/> ließ ihr reiner und frischer Teint, zusammenstimmend mit ihren dunk¬<lb/> len und lebhaften Augen, die gesunde Kraft nicht verkennen, welche<lb/> in dem ganzen Wesen vorherrschte. Aus diesen Augen fiel ein Blick<lb/> auf mich; ein Blick, der bis in mein Innerstes drang, und dem ich<lb/> kein schlechtes Gewissen hätte bieten mögen. Aber ich schien ihr da-<</p><lb/> </div> </div> </div> </body> </text> </TEI> [0716]
— Ist es dieselbe, der ich Grüße von Frau von Bande»! aus-
zurichten habe?
— Dieselbe. Ich habe ihr schon gesagt, daß ich Sie bringen
werde. Es kann heute so gut geschehen, wie ein andermal.
Frau von Nandeul hatte mir von ihrer Freundin nur im All¬
gemeinen gesprochen. Auch konnte eine Französin von einer Deutschen
nicht wohl das Eigenthümlichste auffassen und sagen, selbst wenn die
Französin, wie Frau von Vandeul, eine Tochter Diderot's war. Ich
fragte daher, wer und wie diese Person eigentlich sei?
— Sie ist, erwiederte Brinkmann, ein selbständiges Mädchen
von außerordentlichem Geist, klug wie die Sonne und dabei herzens¬
gut, durchaus eigenthümlich; Alles versteht, Alles empfindet sie, und
was sie sagt, ist in amüsanter Parodone oft so treffend wahr und
tief, daß man es sich noch nach Jahren wiederholt und darüber nach¬
denken und erstaunen muß. Die geistreichste und vornehmste Gesell¬
schaft versammelt sich bei ihr, aber ganz ohne Prunk und Ostentation,
ja ich möchte sagen, ohne Unterschied und Auswahl, ganz nach dem
natürlichen Zuge der äußeren Anlässe und der inneren Convenienz.
Sie ist wohlhabend, lebt sehr unabhängig bei ihrer Mutter, die für
reich gilt; sie macht keinen Aufwand, die Bewirthung ist es nicht,
um deren willen man hingeht, alles Aeußere ist höchst einfach, aber
um so behaglicher und in dieser Art doch wieder reichlich und aus¬
erlesen.
Wir hatten in die Jägerstraße eingelenkt, und nach wenigen
Schritten standen wir vor dem Hause. Wir wurden gemeldet und
angenommen, durch einen Saal in ein anstoßendes Eckzimmer ge¬
führt, und Brinkmann stellte mich der Dame des Hauses und bald
auch einigen anderen Personen vor, die wir bei ihr fanden.
Demoiselle Levin war weder groß noch schön, aber fein und
zart gebildet, von angenehmem Ausdruck; ein Zug von überstandenen
Leiden — sie war in der That noch nicht lange von einer Krank¬
heit genesen — gab diesem Ausdruck etwas Tiefrührendes z doch
ließ ihr reiner und frischer Teint, zusammenstimmend mit ihren dunk¬
len und lebhaften Augen, die gesunde Kraft nicht verkennen, welche
in dem ganzen Wesen vorherrschte. Aus diesen Augen fiel ein Blick
auf mich; ein Blick, der bis in mein Innerstes drang, und dem ich
kein schlechtes Gewissen hätte bieten mögen. Aber ich schien ihr da-<
Informationen zum Werk
Download dieses Werks
XML (TEI P5) ·
HTML ·
Text Metadaten zum WerkTEI-Header · CMDI · Dublin Core Ansichten dieser Seite
FeedbackSie haben einen Fehler gefunden? Dann können Sie diesen über unsere Qualitätssicherungsplattform DTAQ melden. Kommentar zur DTA-AusgabeDieses Werk wurde im Rahmen des Moduls DTA-Erweiterungen (DTAE) digitalisiert. Weitere Informationen … Staats- und Universitätsbibliothek (SuUB) Bremen: Bereitstellung der Texttranskription.
Kay-Michael Würzner: Bearbeitung der digitalen Edition.
Weitere Informationen:Verfahren der Texterfassung: OCR mit Nachkorrektur. Bogensignaturen: gekennzeichnet;Druckfehler: ignoriert;fremdsprachliches Material: nicht gekennzeichnet;Geminations-/Abkürzungsstriche: wie Vorlage;Hervorhebungen (Antiqua, Sperrschrift, Kursive etc.): nicht ausgezeichnet;i/j in Fraktur: wie Vorlage;I/J in Fraktur: wie Vorlage;Kolumnentitel: gekennzeichnet;Kustoden: gekennzeichnet;langes s (ſ): als s transkribiert;Normalisierungen: stillschweigend;rundes r (ꝛ): als r/et transkribiert;Seitenumbrüche markiert: ja;Silbentrennung: wie Vorlage;u/v bzw. U/V: wie Vorlage;Vokale mit übergest. e: als ä/ö/ü transkribiert;Vollständigkeit: vollständig erfasst;Zeichensetzung: wie Vorlage;Zeilenumbrüche markiert: ja; Nachkorrektur erfolgte automatisch.
|
Insbesondere im Hinblick auf die §§ 86a StGB und 130 StGB wird festgestellt, dass die auf diesen Seiten abgebildeten Inhalte weder in irgendeiner Form propagandistischen Zwecken dienen, oder Werbung für verbotene Organisationen oder Vereinigungen darstellen, oder nationalsozialistische Verbrechen leugnen oder verharmlosen, noch zum Zwecke der Herabwürdigung der Menschenwürde gezeigt werden. Die auf diesen Seiten abgebildeten Inhalte (in Wort und Bild) dienen im Sinne des § 86 StGB Abs. 3 ausschließlich historischen, sozial- oder kulturwissenschaftlichen Forschungszwecken. Ihre Veröffentlichung erfolgt in der Absicht, Wissen zur Anregung der intellektuellen Selbstständigkeit und Verantwortungsbereitschaft des Staatsbürgers zu vermitteln und damit der Förderung seiner Mündigkeit zu dienen.
2007–2024 Deutsches Textarchiv, Berlin-Brandenburgische Akademie der Wissenschaften.
Kontakt: redaktion(at)deutschestextarchiv.de. |