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Die Grenzboten. Jg. 3, 1844, I. Semester.

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Weise, praktisch, die Gleichheitsideen austreiben will? Nein, diese
Behandlung schreibt sich einfach daher, daß er blos Schriftsteller, ein
wegen Preßvergehen zu drei Monaten Gefängniß verurtheilter Schrift¬
steller ist. Er gehört keinem erimirten Stande an; er ist nicht mehr
Student und hat keinen Mandarinenknopf. Ja, er hat nicht einmal
einen Titel. Wenn er wenigstens Doctor hieße; ob er sich diesen
Gradus errungen, oder in Jena erkauft hatte, das bliebe sich gleich.
Man wüßte doch, wornach ihn zu tariren. Aber so! Blos Schrift¬
steller! und wenn er einer wie Rousseau, oder wie Lessing wäre, es würde
ihm Nichts helfen. Solche Rücksichten walten im Jahre 1844 im
Staate der Intelligenz. Erinnert das nicht an den russischen Tschin?

-- In einer unscheinbaren Ecke der Augsburger Allgemeinen
Zeitung finden wir eines der interessantesten Inserate, das seit langer
Zeit das Auge des Lesers reizte; eine wahre historische Aeitarabeskc,
eine Randglosse, wie sie kein Walesrode und kein Detmold erfindet.
Sie lautet:


"Der Verfasser des Artikels "aus Bauern" über die Gustav-
Adolphstiftung in Nro. 8l. der Allgemeinen Zeitung wird
hierdurch aufgefordert, zu erklären, wie er dazu gekommen,
die Worte: "Die bornirte preußische Partei" mit Anfüh¬
rungszeichen, als aus dem denselben Gegenstand betreffenden
Aufsatz im ersten Heft der von mir redigirten Zeitschrift für
volksthümliches Recht entnommen, wiederzugeben, welche
sich doch in dem "veröffentlichten" Abdruck dieses Auf¬
satzes nicht finden G. Ebertv. ."

Das vielbesprochene Manifest der Augsburger Allgemeinen Zei¬
tung gegen den Gustav-Adolphverein führte also aus Eberty's Zeit¬
schrift gewisse Ausdrücke an, um die revolutionäre Tendenz des Gu¬
stav-Adolphvereins zu beweisen, welche Ausdrücke aber in Halle un¬
ter dem Rothstift gefallen waren. Welche zarte und geheime Fäden
da Preußen und Baiern zu verknüpfen scheinen. Welchen Grund hat
man noch, über confessionelle Zwietracht in Deutschland zu klagen,
wenn man steht, in welch intimer und sorgfältiger Correspondenz ge¬
wisse streng protestantische und streng ultramontane Hochwächter mit
einander stehen und wie sie gemeinsam bauen am Hause des Herrn!?

-- (Aus Stuttgart.) Ein geistreicher Mann in Stuttgart, an
den wir uns um Eorrespondenzen für die Grenzboten gewendet haben,
schreibt uns: Allerdings läßt sich Ihrem Wunsche gemäß so Man¬
ches über Stuttgart sagen; freilich nicht, ohne die spruchscheucn Hof¬
dörfler aufzuschrecken. Das Theater lasse ich gern aus, denn das In-


Weise, praktisch, die Gleichheitsideen austreiben will? Nein, diese
Behandlung schreibt sich einfach daher, daß er blos Schriftsteller, ein
wegen Preßvergehen zu drei Monaten Gefängniß verurtheilter Schrift¬
steller ist. Er gehört keinem erimirten Stande an; er ist nicht mehr
Student und hat keinen Mandarinenknopf. Ja, er hat nicht einmal
einen Titel. Wenn er wenigstens Doctor hieße; ob er sich diesen
Gradus errungen, oder in Jena erkauft hatte, das bliebe sich gleich.
Man wüßte doch, wornach ihn zu tariren. Aber so! Blos Schrift¬
steller! und wenn er einer wie Rousseau, oder wie Lessing wäre, es würde
ihm Nichts helfen. Solche Rücksichten walten im Jahre 1844 im
Staate der Intelligenz. Erinnert das nicht an den russischen Tschin?

— In einer unscheinbaren Ecke der Augsburger Allgemeinen
Zeitung finden wir eines der interessantesten Inserate, das seit langer
Zeit das Auge des Lesers reizte; eine wahre historische Aeitarabeskc,
eine Randglosse, wie sie kein Walesrode und kein Detmold erfindet.
Sie lautet:


„Der Verfasser des Artikels „aus Bauern" über die Gustav-
Adolphstiftung in Nro. 8l. der Allgemeinen Zeitung wird
hierdurch aufgefordert, zu erklären, wie er dazu gekommen,
die Worte: „Die bornirte preußische Partei" mit Anfüh¬
rungszeichen, als aus dem denselben Gegenstand betreffenden
Aufsatz im ersten Heft der von mir redigirten Zeitschrift für
volksthümliches Recht entnommen, wiederzugeben, welche
sich doch in dem „veröffentlichten" Abdruck dieses Auf¬
satzes nicht finden G. Ebertv. ."

Das vielbesprochene Manifest der Augsburger Allgemeinen Zei¬
tung gegen den Gustav-Adolphverein führte also aus Eberty's Zeit¬
schrift gewisse Ausdrücke an, um die revolutionäre Tendenz des Gu¬
stav-Adolphvereins zu beweisen, welche Ausdrücke aber in Halle un¬
ter dem Rothstift gefallen waren. Welche zarte und geheime Fäden
da Preußen und Baiern zu verknüpfen scheinen. Welchen Grund hat
man noch, über confessionelle Zwietracht in Deutschland zu klagen,
wenn man steht, in welch intimer und sorgfältiger Correspondenz ge¬
wisse streng protestantische und streng ultramontane Hochwächter mit
einander stehen und wie sie gemeinsam bauen am Hause des Herrn!?

— (Aus Stuttgart.) Ein geistreicher Mann in Stuttgart, an
den wir uns um Eorrespondenzen für die Grenzboten gewendet haben,
schreibt uns: Allerdings läßt sich Ihrem Wunsche gemäß so Man¬
ches über Stuttgart sagen; freilich nicht, ohne die spruchscheucn Hof¬
dörfler aufzuschrecken. Das Theater lasse ich gern aus, denn das In-


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[0706] Weise, praktisch, die Gleichheitsideen austreiben will? Nein, diese Behandlung schreibt sich einfach daher, daß er blos Schriftsteller, ein wegen Preßvergehen zu drei Monaten Gefängniß verurtheilter Schrift¬ steller ist. Er gehört keinem erimirten Stande an; er ist nicht mehr Student und hat keinen Mandarinenknopf. Ja, er hat nicht einmal einen Titel. Wenn er wenigstens Doctor hieße; ob er sich diesen Gradus errungen, oder in Jena erkauft hatte, das bliebe sich gleich. Man wüßte doch, wornach ihn zu tariren. Aber so! Blos Schrift¬ steller! und wenn er einer wie Rousseau, oder wie Lessing wäre, es würde ihm Nichts helfen. Solche Rücksichten walten im Jahre 1844 im Staate der Intelligenz. Erinnert das nicht an den russischen Tschin? — In einer unscheinbaren Ecke der Augsburger Allgemeinen Zeitung finden wir eines der interessantesten Inserate, das seit langer Zeit das Auge des Lesers reizte; eine wahre historische Aeitarabeskc, eine Randglosse, wie sie kein Walesrode und kein Detmold erfindet. Sie lautet: „Der Verfasser des Artikels „aus Bauern" über die Gustav- Adolphstiftung in Nro. 8l. der Allgemeinen Zeitung wird hierdurch aufgefordert, zu erklären, wie er dazu gekommen, die Worte: „Die bornirte preußische Partei" mit Anfüh¬ rungszeichen, als aus dem denselben Gegenstand betreffenden Aufsatz im ersten Heft der von mir redigirten Zeitschrift für volksthümliches Recht entnommen, wiederzugeben, welche sich doch in dem „veröffentlichten" Abdruck dieses Auf¬ satzes nicht finden G. Ebertv. ." Das vielbesprochene Manifest der Augsburger Allgemeinen Zei¬ tung gegen den Gustav-Adolphverein führte also aus Eberty's Zeit¬ schrift gewisse Ausdrücke an, um die revolutionäre Tendenz des Gu¬ stav-Adolphvereins zu beweisen, welche Ausdrücke aber in Halle un¬ ter dem Rothstift gefallen waren. Welche zarte und geheime Fäden da Preußen und Baiern zu verknüpfen scheinen. Welchen Grund hat man noch, über confessionelle Zwietracht in Deutschland zu klagen, wenn man steht, in welch intimer und sorgfältiger Correspondenz ge¬ wisse streng protestantische und streng ultramontane Hochwächter mit einander stehen und wie sie gemeinsam bauen am Hause des Herrn!? — (Aus Stuttgart.) Ein geistreicher Mann in Stuttgart, an den wir uns um Eorrespondenzen für die Grenzboten gewendet haben, schreibt uns: Allerdings läßt sich Ihrem Wunsche gemäß so Man¬ ches über Stuttgart sagen; freilich nicht, ohne die spruchscheucn Hof¬ dörfler aufzuschrecken. Das Theater lasse ich gern aus, denn das In-

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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 3, 1844, I. Semester, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341546_179712/706>, abgerufen am 01.07.2024.