als diese, durch Gefechte und Mühseligkeiten gelichteten Schaaren, begleitet von Weibern und Kindern, aus den Schluchten der Pyre¬ näen herabstiegen. Es ist ein merkwürdiges Uebereintreffen, daß bei den verschiedenen Parteien in Europa zwei so ganz ähnliche Ereig¬ nisse stattfinden: der Uebertritt der polnischen Truppen auf österreichi¬ schen, und jener der carlistischen auf französischen Boden. -- Dombrowski, Dembinski, Nomarino schmachteten aber nicht in Festungen, wie dies mit Ello, Alzoa, Villareal, Cabrera, Balmaceda geschah. Frankreich und Belgien bot den Polen Zuflucht, Unterstützung, Dienste an; was thaten aber die Kö¬ nige oder ihre Minister für die Navarresen? Bald mußten sie die Waffen, welche sie fünf Jahre so glorreich geführt hatten, ablegen und wurden in die verschiedenen Depots vertheilt.
Villareal lebte arm und dürftig in B . . Er kam gewöhnlich des Morgens zu Herrn M . ., einem angesehenen deutschen Kauf¬ herrn, welcher durch seine Anhänglichkeit an die Sache der Legitimi¬ tät bekannt war, und trank dort seine Chocolade, welche mit einigen vortrefflichen Cigarrert, die Herr M. dazu legte, gewürzt wurde. Dies war das einzige Almosen, welches, trotz seines Elendes, der spanische Stolz dem navarresischen Helden anzunehmen erlaubte. Die weiße Boyna, eine abgeschabte schwarze Pelzjacke, geflickte rothe Beinkleider und zerrissene Stiefel beurkundeten die äußerste Dürftigkeit, aber das blasse, abgemagerte Aussehen bewies noch mehr, welche strenge Ent¬ behrungen sich der Mann auferlegt hatte, welcher die kargen Almosen der französischen Negierung zur Unterstützung seiner kranken oder ver¬ wundeten Genossen, oder hilfsbedürftigen Weiber und Kinder, die ihnen gefolgt waren, verwendete. Denn er und der gesunde, rüstige Theil der Refugivs legten den Betrag ihrer Ersparnisse zur Seite, um da¬ mit jene zu unterstützen, welche durch Schwäche, Wunden, oder Krank¬ heit außer Stand sich befanden, durch irgend einen Erwerb ihre Lage zu verbessern. Schweigend, düster sinnend verzehrt Villareal eines Tags sein Frühstück, vermuthlich zugleich Mittags und Abendbrod-Jmbiß. Da öff¬ net sich die Thüre, und im gestickten Kleide tritt der christinische Konsul herein. Nachdem er Herrn M. gegrüßt, neigte er sich vor dem, solches Zusammentreffen ziemlich unwillkommen aufnehmenden Helden, und sagt: Herr Graf, eigentlich gilt dieser meinem Freunde
als diese, durch Gefechte und Mühseligkeiten gelichteten Schaaren, begleitet von Weibern und Kindern, aus den Schluchten der Pyre¬ näen herabstiegen. Es ist ein merkwürdiges Uebereintreffen, daß bei den verschiedenen Parteien in Europa zwei so ganz ähnliche Ereig¬ nisse stattfinden: der Uebertritt der polnischen Truppen auf österreichi¬ schen, und jener der carlistischen auf französischen Boden. — Dombrowski, Dembinski, Nomarino schmachteten aber nicht in Festungen, wie dies mit Ello, Alzoa, Villareal, Cabrera, Balmaceda geschah. Frankreich und Belgien bot den Polen Zuflucht, Unterstützung, Dienste an; was thaten aber die Kö¬ nige oder ihre Minister für die Navarresen? Bald mußten sie die Waffen, welche sie fünf Jahre so glorreich geführt hatten, ablegen und wurden in die verschiedenen Depots vertheilt.
Villareal lebte arm und dürftig in B . . Er kam gewöhnlich des Morgens zu Herrn M . ., einem angesehenen deutschen Kauf¬ herrn, welcher durch seine Anhänglichkeit an die Sache der Legitimi¬ tät bekannt war, und trank dort seine Chocolade, welche mit einigen vortrefflichen Cigarrert, die Herr M. dazu legte, gewürzt wurde. Dies war das einzige Almosen, welches, trotz seines Elendes, der spanische Stolz dem navarresischen Helden anzunehmen erlaubte. Die weiße Boyna, eine abgeschabte schwarze Pelzjacke, geflickte rothe Beinkleider und zerrissene Stiefel beurkundeten die äußerste Dürftigkeit, aber das blasse, abgemagerte Aussehen bewies noch mehr, welche strenge Ent¬ behrungen sich der Mann auferlegt hatte, welcher die kargen Almosen der französischen Negierung zur Unterstützung seiner kranken oder ver¬ wundeten Genossen, oder hilfsbedürftigen Weiber und Kinder, die ihnen gefolgt waren, verwendete. Denn er und der gesunde, rüstige Theil der Refugivs legten den Betrag ihrer Ersparnisse zur Seite, um da¬ mit jene zu unterstützen, welche durch Schwäche, Wunden, oder Krank¬ heit außer Stand sich befanden, durch irgend einen Erwerb ihre Lage zu verbessern. Schweigend, düster sinnend verzehrt Villareal eines Tags sein Frühstück, vermuthlich zugleich Mittags und Abendbrod-Jmbiß. Da öff¬ net sich die Thüre, und im gestickten Kleide tritt der christinische Konsul herein. Nachdem er Herrn M. gegrüßt, neigte er sich vor dem, solches Zusammentreffen ziemlich unwillkommen aufnehmenden Helden, und sagt: Herr Graf, eigentlich gilt dieser meinem Freunde
<TEI><text><body><div><divn="1"><pbfacs="#f0694"corresp="http://brema.suub.uni-bremen.de/grenzboten/periodical/pageview/180407"/><pxml:id="ID_1795"prev="#ID_1794"> als diese, durch Gefechte und Mühseligkeiten gelichteten Schaaren,<lb/>
begleitet von Weibern und Kindern, aus den Schluchten der Pyre¬<lb/>
näen herabstiegen. Es ist ein merkwürdiges Uebereintreffen, daß bei<lb/>
den verschiedenen Parteien in Europa zwei so ganz ähnliche Ereig¬<lb/>
nisse stattfinden: der Uebertritt der polnischen Truppen auf österreichi¬<lb/>
schen, und jener der carlistischen auf französischen Boden. —<lb/>
Dombrowski, Dembinski, Nomarino schmachteten aber nicht in<lb/>
Festungen, wie dies mit Ello, Alzoa, Villareal, Cabrera,<lb/>
Balmaceda geschah. Frankreich und Belgien bot den Polen<lb/>
Zuflucht, Unterstützung, Dienste an; was thaten aber die Kö¬<lb/>
nige oder ihre Minister für die Navarresen? Bald mußten sie die<lb/>
Waffen, welche sie fünf Jahre so glorreich geführt hatten, ablegen<lb/>
und wurden in die verschiedenen Depots vertheilt.</p><lb/><pxml:id="ID_1796"next="#ID_1797"> Villareal lebte arm und dürftig in B . . Er kam gewöhnlich<lb/>
des Morgens zu Herrn M . ., einem angesehenen deutschen Kauf¬<lb/>
herrn, welcher durch seine Anhänglichkeit an die Sache der Legitimi¬<lb/>
tät bekannt war, und trank dort seine Chocolade, welche mit einigen<lb/>
vortrefflichen Cigarrert, die Herr M. dazu legte, gewürzt wurde. Dies<lb/>
war das einzige Almosen, welches, trotz seines Elendes, der spanische<lb/>
Stolz dem navarresischen Helden anzunehmen erlaubte. Die weiße<lb/>
Boyna, eine abgeschabte schwarze Pelzjacke, geflickte rothe Beinkleider<lb/>
und zerrissene Stiefel beurkundeten die äußerste Dürftigkeit, aber das<lb/>
blasse, abgemagerte Aussehen bewies noch mehr, welche strenge Ent¬<lb/>
behrungen sich der Mann auferlegt hatte, welcher die kargen Almosen<lb/>
der französischen Negierung zur Unterstützung seiner kranken oder ver¬<lb/>
wundeten Genossen, oder hilfsbedürftigen Weiber und Kinder, die<lb/>
ihnen gefolgt waren, verwendete. Denn er und der gesunde, rüstige<lb/>
Theil der Refugivs legten den Betrag ihrer Ersparnisse zur Seite, um da¬<lb/>
mit jene zu unterstützen, welche durch Schwäche, Wunden, oder Krank¬<lb/>
heit außer Stand sich befanden, durch irgend einen Erwerb ihre Lage zu<lb/>
verbessern. Schweigend, düster sinnend verzehrt Villareal eines Tags sein<lb/>
Frühstück, vermuthlich zugleich Mittags und Abendbrod-Jmbiß. Da öff¬<lb/>
net sich die Thüre, und im gestickten Kleide tritt der christinische<lb/>
Konsul herein. Nachdem er Herrn M. gegrüßt, neigte er sich vor<lb/>
dem, solches Zusammentreffen ziemlich unwillkommen aufnehmenden<lb/>
Helden, und sagt: Herr Graf, eigentlich gilt dieser meinem Freunde</p><lb/></div></div></body></text></TEI>
[0694]
als diese, durch Gefechte und Mühseligkeiten gelichteten Schaaren,
begleitet von Weibern und Kindern, aus den Schluchten der Pyre¬
näen herabstiegen. Es ist ein merkwürdiges Uebereintreffen, daß bei
den verschiedenen Parteien in Europa zwei so ganz ähnliche Ereig¬
nisse stattfinden: der Uebertritt der polnischen Truppen auf österreichi¬
schen, und jener der carlistischen auf französischen Boden. —
Dombrowski, Dembinski, Nomarino schmachteten aber nicht in
Festungen, wie dies mit Ello, Alzoa, Villareal, Cabrera,
Balmaceda geschah. Frankreich und Belgien bot den Polen
Zuflucht, Unterstützung, Dienste an; was thaten aber die Kö¬
nige oder ihre Minister für die Navarresen? Bald mußten sie die
Waffen, welche sie fünf Jahre so glorreich geführt hatten, ablegen
und wurden in die verschiedenen Depots vertheilt.
Villareal lebte arm und dürftig in B . . Er kam gewöhnlich
des Morgens zu Herrn M . ., einem angesehenen deutschen Kauf¬
herrn, welcher durch seine Anhänglichkeit an die Sache der Legitimi¬
tät bekannt war, und trank dort seine Chocolade, welche mit einigen
vortrefflichen Cigarrert, die Herr M. dazu legte, gewürzt wurde. Dies
war das einzige Almosen, welches, trotz seines Elendes, der spanische
Stolz dem navarresischen Helden anzunehmen erlaubte. Die weiße
Boyna, eine abgeschabte schwarze Pelzjacke, geflickte rothe Beinkleider
und zerrissene Stiefel beurkundeten die äußerste Dürftigkeit, aber das
blasse, abgemagerte Aussehen bewies noch mehr, welche strenge Ent¬
behrungen sich der Mann auferlegt hatte, welcher die kargen Almosen
der französischen Negierung zur Unterstützung seiner kranken oder ver¬
wundeten Genossen, oder hilfsbedürftigen Weiber und Kinder, die
ihnen gefolgt waren, verwendete. Denn er und der gesunde, rüstige
Theil der Refugivs legten den Betrag ihrer Ersparnisse zur Seite, um da¬
mit jene zu unterstützen, welche durch Schwäche, Wunden, oder Krank¬
heit außer Stand sich befanden, durch irgend einen Erwerb ihre Lage zu
verbessern. Schweigend, düster sinnend verzehrt Villareal eines Tags sein
Frühstück, vermuthlich zugleich Mittags und Abendbrod-Jmbiß. Da öff¬
net sich die Thüre, und im gestickten Kleide tritt der christinische
Konsul herein. Nachdem er Herrn M. gegrüßt, neigte er sich vor
dem, solches Zusammentreffen ziemlich unwillkommen aufnehmenden
Helden, und sagt: Herr Graf, eigentlich gilt dieser meinem Freunde
Informationen zur CAB-Ansicht
Diese Ansicht bietet Ihnen die Darstellung des Textes in normalisierter Orthographie.
Diese Textvariante wird vollautomatisch erstellt und kann aufgrund dessen auch Fehler enthalten.
Alle veränderten Wortformen sind grau hinterlegt. Als fremdsprachliches Material erkannte
Textteile sind ausgegraut dargestellt.
Kay-Michael Würzner: Bearbeitung der digitalen Edition.
Weitere Informationen:
Verfahren der Texterfassung: OCR mit Nachkorrektur.
Bogensignaturen: gekennzeichnet;Druckfehler: ignoriert;fremdsprachliches Material: nicht gekennzeichnet;Geminations-/Abkürzungsstriche: wie Vorlage;Hervorhebungen (Antiqua, Sperrschrift, Kursive etc.): nicht ausgezeichnet;i/j in Fraktur: wie Vorlage;I/J in Fraktur: wie Vorlage;Kolumnentitel: gekennzeichnet;Kustoden: gekennzeichnet;langes s (ſ): als s transkribiert;Normalisierungen: stillschweigend;rundes r (ꝛ): als r/et transkribiert;Seitenumbrüche markiert: ja;Silbentrennung: wie Vorlage;u/v bzw. U/V: wie Vorlage;Vokale mit übergest. e: als ä/ö/ü transkribiert;Vollständigkeit: vollständig erfasst;Zeichensetzung: wie Vorlage;Zeilenumbrüche markiert: ja;
Die Grenzboten. Jg. 3, 1844, I. Semester, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341546_179712/694>, abgerufen am 22.12.2024.
Alle Inhalte dieser Seite unterstehen, soweit nicht anders gekennzeichnet, einer
Creative-Commons-Lizenz.
Die Rechte an den angezeigten Bilddigitalisaten, soweit nicht anders gekennzeichnet, liegen bei den besitzenden Bibliotheken.
Weitere Informationen finden Sie in den DTA-Nutzungsbedingungen.
Insbesondere im Hinblick auf die §§ 86a StGB und 130 StGB wird festgestellt, dass die auf
diesen Seiten abgebildeten Inhalte weder in irgendeiner Form propagandistischen Zwecken
dienen, oder Werbung für verbotene Organisationen oder Vereinigungen darstellen, oder
nationalsozialistische Verbrechen leugnen oder verharmlosen, noch zum Zwecke der
Herabwürdigung der Menschenwürde gezeigt werden.
Die auf diesen Seiten abgebildeten Inhalte (in Wort und Bild) dienen im Sinne des
§ 86 StGB Abs. 3 ausschließlich historischen, sozial- oder kulturwissenschaftlichen
Forschungszwecken. Ihre Veröffentlichung erfolgt in der Absicht, Wissen zur Anregung
der intellektuellen Selbstständigkeit und Verantwortungsbereitschaft des Staatsbürgers zu
vermitteln und damit der Förderung seiner Mündigkeit zu dienen.
Zitierempfehlung: Deutsches Textarchiv. Grundlage für ein Referenzkorpus der neuhochdeutschen Sprache. Herausgegeben von der Berlin-Brandenburgischen Akademie der Wissenschaften, Berlin 2024. URL: https://www.deutschestextarchiv.de/.