reichte er auch seinen Zweck, z. B. Simon Torre, Urbistondo und Andere erklärten sich bei den späteren Ereignissen unbedingt für ihn, Andere aber und unter ihnen Villareal und Vargas, konnten selbst durch den erlittenen bitteren Undank und die erduldeten Kränkungen nicht von der Bahn der Ehre abgewendet werden, sondern beharrten treu in der Stellung, welche ihnen ihr Pflichtgefühl und ihre Ueberzeu¬ gung angewiesen hatten. Als Don Carlos nach dem Verrath, wel¬ cher bei Bergara den größten und besten Theil seiner Truppen dem Feinde überliefert hatte, mit den wenigen getreuen Bataillons sich fechtend bis an die französische Grenze zurückzog, kämpfte der Graf Villareal, die Rolle des Feldherrn mit jener des Soldaten vertau¬ schend, in der Mitte der treuen Navarresen, die Muskete in der Hand, -- bis an die letzten Grenzmarken den Feinden seines Glaubens und seines Königs die Spitze bietend, und erst als die letzte Kugel ver¬ schossen und der erste Schritt auf französischen Boden gethan war, legte er die Waffe aus der Hand -- ähnlich Kosciusko, dessen Schmerzensruf "um8 I^olor-i-le" das Todtenglöcklein für sein Vater¬ land war. Denn für einen Villareal war Spanien, wie ein Espartero oder ein Mendizabal es darstellten, so viel, als ob es gar nicht en- stlrte! -- Jenseits der Grenze angekommen, lud Don Carlos, gerührt durch den Heldensinn des Treuen, der in diesem Augenblicke keine Zeit fand, sich jener zu erinnern, welche er als Opfer schmachvoller Intriguen im Kerker verlebt hatte, ihn ein, sich dem königlichen Hof¬ lager anzuschließen und dasselbe in das Innere Frankreichs zu be¬ gleiten, noch nicht ahnend, daß die verlangte und zugestandene Zu¬ fluchtsstätte für ihn selbst sich zu der Gefangenschaft in Bourges um¬ wandeln würde. Allein Villareal lehnte diesen Antrag seines könig¬ lichen Gebieters ab. "Herr! rief er, "laßt mich unter meinen Kameraden, "unter den Volontairs, deren Schicksal ich theilen will, bis die Um¬ stände es uns erlauben, diese Grenze wieder zu überschreiten, um "Ihr verrathenes, aber unbeflecktes Panier wieder aufzupflanzen." Die meisten Navarresen, wohl erwartend, daß das Versprechen, die Fueros und Gerechtsame der Provinzen zu erhalten, nur Täuschung sein könne, wie auch die Folge es gelehrt hat, -- folgten ihren Füh¬ rern in das Cril und zogen es vor, in Elend und Dürftigkeit auf fremdem Boden ihr Leben zu stiften, als sich zu unterwerfen und den Vertrag von Bergara anzunehmen. Es war ein jammervoller Anblick,
Ärcnzboicn I8i". l. 89
reichte er auch seinen Zweck, z. B. Simon Torre, Urbistondo und Andere erklärten sich bei den späteren Ereignissen unbedingt für ihn, Andere aber und unter ihnen Villareal und Vargas, konnten selbst durch den erlittenen bitteren Undank und die erduldeten Kränkungen nicht von der Bahn der Ehre abgewendet werden, sondern beharrten treu in der Stellung, welche ihnen ihr Pflichtgefühl und ihre Ueberzeu¬ gung angewiesen hatten. Als Don Carlos nach dem Verrath, wel¬ cher bei Bergara den größten und besten Theil seiner Truppen dem Feinde überliefert hatte, mit den wenigen getreuen Bataillons sich fechtend bis an die französische Grenze zurückzog, kämpfte der Graf Villareal, die Rolle des Feldherrn mit jener des Soldaten vertau¬ schend, in der Mitte der treuen Navarresen, die Muskete in der Hand, — bis an die letzten Grenzmarken den Feinden seines Glaubens und seines Königs die Spitze bietend, und erst als die letzte Kugel ver¬ schossen und der erste Schritt auf französischen Boden gethan war, legte er die Waffe aus der Hand — ähnlich Kosciusko, dessen Schmerzensruf „um8 I^olor-i-le" das Todtenglöcklein für sein Vater¬ land war. Denn für einen Villareal war Spanien, wie ein Espartero oder ein Mendizabal es darstellten, so viel, als ob es gar nicht en- stlrte! — Jenseits der Grenze angekommen, lud Don Carlos, gerührt durch den Heldensinn des Treuen, der in diesem Augenblicke keine Zeit fand, sich jener zu erinnern, welche er als Opfer schmachvoller Intriguen im Kerker verlebt hatte, ihn ein, sich dem königlichen Hof¬ lager anzuschließen und dasselbe in das Innere Frankreichs zu be¬ gleiten, noch nicht ahnend, daß die verlangte und zugestandene Zu¬ fluchtsstätte für ihn selbst sich zu der Gefangenschaft in Bourges um¬ wandeln würde. Allein Villareal lehnte diesen Antrag seines könig¬ lichen Gebieters ab. „Herr! rief er, „laßt mich unter meinen Kameraden, „unter den Volontairs, deren Schicksal ich theilen will, bis die Um¬ stände es uns erlauben, diese Grenze wieder zu überschreiten, um „Ihr verrathenes, aber unbeflecktes Panier wieder aufzupflanzen." Die meisten Navarresen, wohl erwartend, daß das Versprechen, die Fueros und Gerechtsame der Provinzen zu erhalten, nur Täuschung sein könne, wie auch die Folge es gelehrt hat, — folgten ihren Füh¬ rern in das Cril und zogen es vor, in Elend und Dürftigkeit auf fremdem Boden ihr Leben zu stiften, als sich zu unterwerfen und den Vertrag von Bergara anzunehmen. Es war ein jammervoller Anblick,
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reichte er auch seinen Zweck, z. B. Simon Torre, Urbistondo und Andere
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aber und unter ihnen Villareal und Vargas, konnten selbst durch
den erlittenen bitteren Undank und die erduldeten Kränkungen nicht
von der Bahn der Ehre abgewendet werden, sondern beharrten treu
in der Stellung, welche ihnen ihr Pflichtgefühl und ihre Ueberzeu¬
gung angewiesen hatten. Als Don Carlos nach dem Verrath, wel¬
cher bei Bergara den größten und besten Theil seiner Truppen dem
Feinde überliefert hatte, mit den wenigen getreuen Bataillons sich
fechtend bis an die französische Grenze zurückzog, kämpfte der Graf
Villareal, die Rolle des Feldherrn mit jener des Soldaten vertau¬
schend, in der Mitte der treuen Navarresen, die Muskete in der Hand,
— bis an die letzten Grenzmarken den Feinden seines Glaubens und
seines Königs die Spitze bietend, und erst als die letzte Kugel ver¬
schossen und der erste Schritt auf französischen Boden gethan war,
legte er die Waffe aus der Hand — ähnlich Kosciusko, dessen
Schmerzensruf „um8 I^olor-i-le" das Todtenglöcklein für sein Vater¬
land war. Denn für einen Villareal war Spanien, wie ein Espartero
oder ein Mendizabal es darstellten, so viel, als ob es gar nicht en-
stlrte! — Jenseits der Grenze angekommen, lud Don Carlos, gerührt
durch den Heldensinn des Treuen, der in diesem Augenblicke keine
Zeit fand, sich jener zu erinnern, welche er als Opfer schmachvoller
Intriguen im Kerker verlebt hatte, ihn ein, sich dem königlichen Hof¬
lager anzuschließen und dasselbe in das Innere Frankreichs zu be¬
gleiten, noch nicht ahnend, daß die verlangte und zugestandene Zu¬
fluchtsstätte für ihn selbst sich zu der Gefangenschaft in Bourges um¬
wandeln würde. Allein Villareal lehnte diesen Antrag seines könig¬
lichen Gebieters ab. „Herr! rief er, „laßt mich unter meinen Kameraden,
„unter den Volontairs, deren Schicksal ich theilen will, bis die Um¬
stände es uns erlauben, diese Grenze wieder zu überschreiten, um
„Ihr verrathenes, aber unbeflecktes Panier wieder aufzupflanzen."
Die meisten Navarresen, wohl erwartend, daß das Versprechen, die
Fueros und Gerechtsame der Provinzen zu erhalten, nur Täuschung
sein könne, wie auch die Folge es gelehrt hat, — folgten ihren Füh¬
rern in das Cril und zogen es vor, in Elend und Dürftigkeit auf
fremdem Boden ihr Leben zu stiften, als sich zu unterwerfen und den
Vertrag von Bergara anzunehmen. Es war ein jammervoller Anblick,
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Die Grenzboten. Jg. 3, 1844, I. Semester, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341546_179712/693>, abgerufen am 23.12.2024.
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