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Die Grenzboten. Jg. 3, 1844, I. Semester.

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denn läßt sich von irgend einem Poeten sagen, daß seine Werke un¬
übersehbar sind, so gilt es für ihn gewiß. Will man ihn verstehen,
dann muß man Schwedens und Stockholms Sitten bis in's Kleinste
kennen, muß sich mit jener Zeit, welche er schildert, innerlichst ver¬
traut gemacht haben. Denn darauf gründet sich eben seine Origi¬
nalität und Volksthümlichkeit, daß er nicht in phantastische Fernen
flog, sondern sich fest an die Gegenwart schmiegte und sie mit der
ganzen Frische und Fülle dichterischer Darstellungsgabe zu schildern
verstand. Friedrich Rühs hat versucht, einige Lieder Bellmann's in's
Deutsche zu übertragen, und wenn das Ganze auch nur halb gelun¬
gen ist, so verdient solches Bemühen doch Anerkennung.

Am 26. Juni schien die Sonne warm und hell. Obgleich ein
Wochentag war, strömte die Menge schon vom frühen Morgen in
Dampf- und Ruderbooten nach dem Thiergarten hinüber. Dort
sollte ja heut das Bellmannsfest gefeiert werden, nämlich der Jahrestag,
an welchem einst sein Denkmal eingeweiht worden. Nach Tische fuhr
ich denn auch über den See und erreichte den Thiergarten, einen
zwar kunstlosen Park, den aber kein Fürst Pückler mit allem Gold
und Geist nachzubilden vermöchte. Hoch thürmen sich Granitformen
empor, hier mit grünem Moos, dort mit Bergkräutern bewachsen;
uralte Eichen, aus Odin's Zeit, krümmen, bald einzeln, bald gedräng¬
ter stehend, ihre Wurzeln um den Stein, und wechseln mit dunkle¬
rem Nadelholz. Oft ruht zwischen den Hohen und Gehölzen ein
stiller See, und wo die Aussicht sich eröffnet, hat man das Meer,
den Mälar und die große, prächtige Stadt vor Augen, immer andere,
immer schönere Bilder bietend. Mitten in diesem interessanten Na¬
turpark sind Villen, Gasthäuser und Schaubuden hineingebaut; über¬
all herrscht Baumschatten, Wasserfrische And Felsenromantik, überall
Zieht sich aber auch das muntere Treiben der Menschen hindurch und
das ist der Thiergarten.

Mit meinen Begleitern fand ich noch Raum auf dem Altan
einer Conditorei, welchem mächtige Bäume als Pfeiler dienten, wäh¬
rend oben die kühlen Wipfel rauschten. Kaum dreißig^Schritte davon
entfernt, erhob sich auf einem von Eichen beschatteten Hügel Bell¬
mann's colossale Bronzebüste. Byström hat sie modellirt und die
Aehnlichkeit läßt sich gar nicht bezweifeln. Angenehm, sogar schön
sind des Dichters Züge, ein Schalkslächeln flüstert um den weichen,


denn läßt sich von irgend einem Poeten sagen, daß seine Werke un¬
übersehbar sind, so gilt es für ihn gewiß. Will man ihn verstehen,
dann muß man Schwedens und Stockholms Sitten bis in's Kleinste
kennen, muß sich mit jener Zeit, welche er schildert, innerlichst ver¬
traut gemacht haben. Denn darauf gründet sich eben seine Origi¬
nalität und Volksthümlichkeit, daß er nicht in phantastische Fernen
flog, sondern sich fest an die Gegenwart schmiegte und sie mit der
ganzen Frische und Fülle dichterischer Darstellungsgabe zu schildern
verstand. Friedrich Rühs hat versucht, einige Lieder Bellmann's in's
Deutsche zu übertragen, und wenn das Ganze auch nur halb gelun¬
gen ist, so verdient solches Bemühen doch Anerkennung.

Am 26. Juni schien die Sonne warm und hell. Obgleich ein
Wochentag war, strömte die Menge schon vom frühen Morgen in
Dampf- und Ruderbooten nach dem Thiergarten hinüber. Dort
sollte ja heut das Bellmannsfest gefeiert werden, nämlich der Jahrestag,
an welchem einst sein Denkmal eingeweiht worden. Nach Tische fuhr
ich denn auch über den See und erreichte den Thiergarten, einen
zwar kunstlosen Park, den aber kein Fürst Pückler mit allem Gold
und Geist nachzubilden vermöchte. Hoch thürmen sich Granitformen
empor, hier mit grünem Moos, dort mit Bergkräutern bewachsen;
uralte Eichen, aus Odin's Zeit, krümmen, bald einzeln, bald gedräng¬
ter stehend, ihre Wurzeln um den Stein, und wechseln mit dunkle¬
rem Nadelholz. Oft ruht zwischen den Hohen und Gehölzen ein
stiller See, und wo die Aussicht sich eröffnet, hat man das Meer,
den Mälar und die große, prächtige Stadt vor Augen, immer andere,
immer schönere Bilder bietend. Mitten in diesem interessanten Na¬
turpark sind Villen, Gasthäuser und Schaubuden hineingebaut; über¬
all herrscht Baumschatten, Wasserfrische And Felsenromantik, überall
Zieht sich aber auch das muntere Treiben der Menschen hindurch und
das ist der Thiergarten.

Mit meinen Begleitern fand ich noch Raum auf dem Altan
einer Conditorei, welchem mächtige Bäume als Pfeiler dienten, wäh¬
rend oben die kühlen Wipfel rauschten. Kaum dreißig^Schritte davon
entfernt, erhob sich auf einem von Eichen beschatteten Hügel Bell¬
mann's colossale Bronzebüste. Byström hat sie modellirt und die
Aehnlichkeit läßt sich gar nicht bezweifeln. Angenehm, sogar schön
sind des Dichters Züge, ein Schalkslächeln flüstert um den weichen,


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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 3, 1844, I. Semester, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341546_179712/680>, abgerufen am 23.12.2024.