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Die Grenzboten. Jg. 3, 1844, I. Semester.

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sein Gemüth war von Eiderdaunen. Für den leisesten Hauch em¬
pfänglich, wollüstig weich, und stets voll Elasticität, Sobald der
Eindruck nachgelassen hatte, erschien er wieder wie zuvor. Er konnte
mit dein rechten Auge sich freuen über fremdes Glück, und zugleich
mit dein linken weinen über fremden Schmerz. Untüchtige Schrift¬
steller haben den Bellmann nicht selten als Bänkelsänger und Hof¬
narren bezeichnet, doch solche Namen können ihn nicht verletzen und
zeigen nur vom Unverstand derer, die sie ihm beilegten. Eher möchte
ich ihn mit "Puck" vergleichen, der jetzt die tollsten Elfenstreiche macht,
Alles durcheinander wirft, den Menschen tausend Schabernack spielt
und sich darüber todt lachen will. Kurz darauf steigt er aber in
eine öde Kammer hinab, wo arme Unglückliche sich schlummerlos auf
dem Lager wälzen. Durch holde Klänge gießt Puck ihnen Trost und
Ruhe in's Herz, und wenn sie am Morgen gestärkt erwachen, finden
sie helles Gold in der Kammer, das er ihnen heimlich gebracht hat.

Aehnlich machte es Bellmann. Mit den Hofdamen, an deren
Unschuld Nichts mehr zu verderben war, trieb er Späße, so schlüpf¬
rig, so lasciv, wie unser Volksbuch sie kaum vom Eulenspiegel er¬
zählt. Aber wenn König Gustav durch solch eine Scene in die
vollste Heiterkeit versetzt war, dann legte Bellmann Bitten bei ihm
ein für ° Wittwen und Waisen, für herabgekommene Familienväter,
für's ganze Volk, und sie wurden dann selten abgeschlagen. Wohl¬
zuthun war des Dichters höchste Lust, und obgleich selbst nicht mit
Erdengütern gesegnet, fühlte er sich reich, wenn er nur Andern geben
konnte. Als Beugt Lidner, ein schwedischer Poet, 1703 starb, trat
Bellmann einige Tage nachher in's Zimmer der armen, traurigen
Wittwe, gab ihr fünfzig Thaler und sagte mit freudeglänzendem An¬
gesicht: Siehe da, das habe ich für Dich zusammengesungen!

Bellmann erlebte zu seinem Glück das schreckliche Ende Gustav's
IN. nicht; er schloß am 10. Februar 1795 das frohe Auge für
immer zu. Auf dein Klara-Kirchhof draußen in Nordermalm ist er
begraben; .kein Kreuz, kein Stein bezeichnet seine Gruft, und der
Hügel, unter dem er ruht, ist verloren gegangen. Allein das thut
dem Andenken des Sängers keinen Eintrag, es erhöht noch die Poe¬
sie, die um ihn schwebt, und so lange man die schwedische Sprache
redet, so lange wird er unvergessen sein.'

Uns Ausländern bleiben Bellmcmns Dichtungen verschlossen;


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sein Gemüth war von Eiderdaunen. Für den leisesten Hauch em¬
pfänglich, wollüstig weich, und stets voll Elasticität, Sobald der
Eindruck nachgelassen hatte, erschien er wieder wie zuvor. Er konnte
mit dein rechten Auge sich freuen über fremdes Glück, und zugleich
mit dein linken weinen über fremden Schmerz. Untüchtige Schrift¬
steller haben den Bellmann nicht selten als Bänkelsänger und Hof¬
narren bezeichnet, doch solche Namen können ihn nicht verletzen und
zeigen nur vom Unverstand derer, die sie ihm beilegten. Eher möchte
ich ihn mit „Puck" vergleichen, der jetzt die tollsten Elfenstreiche macht,
Alles durcheinander wirft, den Menschen tausend Schabernack spielt
und sich darüber todt lachen will. Kurz darauf steigt er aber in
eine öde Kammer hinab, wo arme Unglückliche sich schlummerlos auf
dem Lager wälzen. Durch holde Klänge gießt Puck ihnen Trost und
Ruhe in's Herz, und wenn sie am Morgen gestärkt erwachen, finden
sie helles Gold in der Kammer, das er ihnen heimlich gebracht hat.

Aehnlich machte es Bellmann. Mit den Hofdamen, an deren
Unschuld Nichts mehr zu verderben war, trieb er Späße, so schlüpf¬
rig, so lasciv, wie unser Volksbuch sie kaum vom Eulenspiegel er¬
zählt. Aber wenn König Gustav durch solch eine Scene in die
vollste Heiterkeit versetzt war, dann legte Bellmann Bitten bei ihm
ein für ° Wittwen und Waisen, für herabgekommene Familienväter,
für's ganze Volk, und sie wurden dann selten abgeschlagen. Wohl¬
zuthun war des Dichters höchste Lust, und obgleich selbst nicht mit
Erdengütern gesegnet, fühlte er sich reich, wenn er nur Andern geben
konnte. Als Beugt Lidner, ein schwedischer Poet, 1703 starb, trat
Bellmann einige Tage nachher in's Zimmer der armen, traurigen
Wittwe, gab ihr fünfzig Thaler und sagte mit freudeglänzendem An¬
gesicht: Siehe da, das habe ich für Dich zusammengesungen!

Bellmann erlebte zu seinem Glück das schreckliche Ende Gustav's
IN. nicht; er schloß am 10. Februar 1795 das frohe Auge für
immer zu. Auf dein Klara-Kirchhof draußen in Nordermalm ist er
begraben; .kein Kreuz, kein Stein bezeichnet seine Gruft, und der
Hügel, unter dem er ruht, ist verloren gegangen. Allein das thut
dem Andenken des Sängers keinen Eintrag, es erhöht noch die Poe¬
sie, die um ihn schwebt, und so lange man die schwedische Sprache
redet, so lange wird er unvergessen sein.'

Uns Ausländern bleiben Bellmcmns Dichtungen verschlossen;


87*
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[0679] sein Gemüth war von Eiderdaunen. Für den leisesten Hauch em¬ pfänglich, wollüstig weich, und stets voll Elasticität, Sobald der Eindruck nachgelassen hatte, erschien er wieder wie zuvor. Er konnte mit dein rechten Auge sich freuen über fremdes Glück, und zugleich mit dein linken weinen über fremden Schmerz. Untüchtige Schrift¬ steller haben den Bellmann nicht selten als Bänkelsänger und Hof¬ narren bezeichnet, doch solche Namen können ihn nicht verletzen und zeigen nur vom Unverstand derer, die sie ihm beilegten. Eher möchte ich ihn mit „Puck" vergleichen, der jetzt die tollsten Elfenstreiche macht, Alles durcheinander wirft, den Menschen tausend Schabernack spielt und sich darüber todt lachen will. Kurz darauf steigt er aber in eine öde Kammer hinab, wo arme Unglückliche sich schlummerlos auf dem Lager wälzen. Durch holde Klänge gießt Puck ihnen Trost und Ruhe in's Herz, und wenn sie am Morgen gestärkt erwachen, finden sie helles Gold in der Kammer, das er ihnen heimlich gebracht hat. Aehnlich machte es Bellmann. Mit den Hofdamen, an deren Unschuld Nichts mehr zu verderben war, trieb er Späße, so schlüpf¬ rig, so lasciv, wie unser Volksbuch sie kaum vom Eulenspiegel er¬ zählt. Aber wenn König Gustav durch solch eine Scene in die vollste Heiterkeit versetzt war, dann legte Bellmann Bitten bei ihm ein für ° Wittwen und Waisen, für herabgekommene Familienväter, für's ganze Volk, und sie wurden dann selten abgeschlagen. Wohl¬ zuthun war des Dichters höchste Lust, und obgleich selbst nicht mit Erdengütern gesegnet, fühlte er sich reich, wenn er nur Andern geben konnte. Als Beugt Lidner, ein schwedischer Poet, 1703 starb, trat Bellmann einige Tage nachher in's Zimmer der armen, traurigen Wittwe, gab ihr fünfzig Thaler und sagte mit freudeglänzendem An¬ gesicht: Siehe da, das habe ich für Dich zusammengesungen! Bellmann erlebte zu seinem Glück das schreckliche Ende Gustav's IN. nicht; er schloß am 10. Februar 1795 das frohe Auge für immer zu. Auf dein Klara-Kirchhof draußen in Nordermalm ist er begraben; .kein Kreuz, kein Stein bezeichnet seine Gruft, und der Hügel, unter dem er ruht, ist verloren gegangen. Allein das thut dem Andenken des Sängers keinen Eintrag, es erhöht noch die Poe¬ sie, die um ihn schwebt, und so lange man die schwedische Sprache redet, so lange wird er unvergessen sein.' Uns Ausländern bleiben Bellmcmns Dichtungen verschlossen; 87*

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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 3, 1844, I. Semester, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341546_179712/679>, abgerufen am 01.07.2024.