Vivat! auszurufen, welches ihn in den Verdacht bringt, für Herrn Eichhorn weniger Sympathie zu empfinden, als für Arndt oder Jor¬ dan, oder Hoffmann. Er wird aus der Residenz verwiesen. Gut. Er ist vielleicht aus einem Dorfe bei Danzig oder Stettin gebürtig; da er in diesem Dorfe nicht wohl seine Studien oder literarischen Ar¬ beiten fortsetzen kann, so verlangt er einen Paß auf ein Jahr, um in irgend einer andern Stadt des deutschen In- oder Auslandes sich aufzuhalten. Das Papier, welches den Spitzbuben vom ehrlichen Menschen scheiden -- soll, wird ihm in aller Form ausgestellt. Was nutzt es ihm? Er wird nirgendwo geduldet; in keiner preußischen, in keiner nichtpreußischen Stadt. Warum? weiß der Himmel. Das muß mit sympathetischer Dinte, oder mit dem Wasserzeichen in das Papier seines Passes geschrieben sein. Ein liberales Krähwinkel nach dem andern weist ihn fort, vielleicht nur, um dem großen Krähwin¬ kel, welches den Anfang gemacht hat, nicht nachzustehen. Er läuft förmlich Spießruthen zwischen den verschiedenen polizeilichen, stadträth- lichen und bürgermeisterlichcn Weisheiten aller der Groß- und Klein- Abderas seines theuern einigen Vaterlandes. , Vielleicht haben die er¬ leuchteten Behörden auch nur die Absicht, solche unruhige Köpfe auf die Wanderschaft zu schicken, damit sie ganz Deutschland gründlich kennen lernen und sich von der Thorheit ihrer Hoffnungen überzeugen. Wer seine Pappenheimer nicht kennt, der glaubt es nicht, was für Chinoiscrien dabei vorkommen. Ein Student wurde in Breslau in allem Ernst aufgefordert, seine Gesinnung zu andern. In Halle wurde ein Anderer wegen seiner Ansichten über Herwegh vernommen und man war verdrießlich, als blos ästhetische Urtheile zum Vorschein kamen: er sollte sich politisch äußern! ^n einer andern Universitäts¬ stadt wurde einem solchen deutschen Ausländer der gute Rath gegeben, nach Wien zu gehen; dort werde er am ehesten geduldet werden. Und das glauben wir selbst.
-- So weit ist es gekommen! Der Buch- und Musikalien¬ händler Schlesingcr kündigt Niccolini's in seinem Verlage nachgedruck¬ ten ^riwlllu lui lZn;"ein mit der gesperrten Bemerkung an: Vom Papste mit dem Jnterdicte belegt! Und diese Empfehlung ist gewiß höchst wirksam. Möchten sich doch endlich alle Sorten Papste, weltliche wie unweltliche, an dergleichen eine Lehre nehmen! --
-- Mcßfremde aus Russisch-Polen versicherten, das bekannte Werk Custine's sei in Rußland so verpönt, daß der Besitz eines Exemplars davon zur Bekanntschaft mit der Knute und zur "Ansiedelung" in Si¬ birien führen könne Und man will noch läugnen, daß Eustine tref¬ fende Wahrheiten gesagt hat?! Der flunkernde, witzelnde, echt russisch polirte Eavalier Tolstoi (in seiner Schrift für Rußland) thut freilich,
Vivat! auszurufen, welches ihn in den Verdacht bringt, für Herrn Eichhorn weniger Sympathie zu empfinden, als für Arndt oder Jor¬ dan, oder Hoffmann. Er wird aus der Residenz verwiesen. Gut. Er ist vielleicht aus einem Dorfe bei Danzig oder Stettin gebürtig; da er in diesem Dorfe nicht wohl seine Studien oder literarischen Ar¬ beiten fortsetzen kann, so verlangt er einen Paß auf ein Jahr, um in irgend einer andern Stadt des deutschen In- oder Auslandes sich aufzuhalten. Das Papier, welches den Spitzbuben vom ehrlichen Menschen scheiden — soll, wird ihm in aller Form ausgestellt. Was nutzt es ihm? Er wird nirgendwo geduldet; in keiner preußischen, in keiner nichtpreußischen Stadt. Warum? weiß der Himmel. Das muß mit sympathetischer Dinte, oder mit dem Wasserzeichen in das Papier seines Passes geschrieben sein. Ein liberales Krähwinkel nach dem andern weist ihn fort, vielleicht nur, um dem großen Krähwin¬ kel, welches den Anfang gemacht hat, nicht nachzustehen. Er läuft förmlich Spießruthen zwischen den verschiedenen polizeilichen, stadträth- lichen und bürgermeisterlichcn Weisheiten aller der Groß- und Klein- Abderas seines theuern einigen Vaterlandes. , Vielleicht haben die er¬ leuchteten Behörden auch nur die Absicht, solche unruhige Köpfe auf die Wanderschaft zu schicken, damit sie ganz Deutschland gründlich kennen lernen und sich von der Thorheit ihrer Hoffnungen überzeugen. Wer seine Pappenheimer nicht kennt, der glaubt es nicht, was für Chinoiscrien dabei vorkommen. Ein Student wurde in Breslau in allem Ernst aufgefordert, seine Gesinnung zu andern. In Halle wurde ein Anderer wegen seiner Ansichten über Herwegh vernommen und man war verdrießlich, als blos ästhetische Urtheile zum Vorschein kamen: er sollte sich politisch äußern! ^n einer andern Universitäts¬ stadt wurde einem solchen deutschen Ausländer der gute Rath gegeben, nach Wien zu gehen; dort werde er am ehesten geduldet werden. Und das glauben wir selbst.
— So weit ist es gekommen! Der Buch- und Musikalien¬ händler Schlesingcr kündigt Niccolini's in seinem Verlage nachgedruck¬ ten ^riwlllu lui lZn;«ein mit der gesperrten Bemerkung an: Vom Papste mit dem Jnterdicte belegt! Und diese Empfehlung ist gewiß höchst wirksam. Möchten sich doch endlich alle Sorten Papste, weltliche wie unweltliche, an dergleichen eine Lehre nehmen! —
— Mcßfremde aus Russisch-Polen versicherten, das bekannte Werk Custine's sei in Rußland so verpönt, daß der Besitz eines Exemplars davon zur Bekanntschaft mit der Knute und zur „Ansiedelung" in Si¬ birien führen könne Und man will noch läugnen, daß Eustine tref¬ fende Wahrheiten gesagt hat?! Der flunkernde, witzelnde, echt russisch polirte Eavalier Tolstoi (in seiner Schrift für Rußland) thut freilich,
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Vivat! auszurufen, welches ihn in den Verdacht bringt, für Herrn
Eichhorn weniger Sympathie zu empfinden, als für Arndt oder Jor¬
dan, oder Hoffmann. Er wird aus der Residenz verwiesen. Gut.
Er ist vielleicht aus einem Dorfe bei Danzig oder Stettin gebürtig;
da er in diesem Dorfe nicht wohl seine Studien oder literarischen Ar¬
beiten fortsetzen kann, so verlangt er einen Paß auf ein Jahr, um
in irgend einer andern Stadt des deutschen In- oder Auslandes sich
aufzuhalten. Das Papier, welches den Spitzbuben vom ehrlichen
Menschen scheiden — soll, wird ihm in aller Form ausgestellt. Was
nutzt es ihm? Er wird nirgendwo geduldet; in keiner preußischen, in
keiner nichtpreußischen Stadt. Warum? weiß der Himmel. Das
muß mit sympathetischer Dinte, oder mit dem Wasserzeichen in das
Papier seines Passes geschrieben sein. Ein liberales Krähwinkel nach
dem andern weist ihn fort, vielleicht nur, um dem großen Krähwin¬
kel, welches den Anfang gemacht hat, nicht nachzustehen. Er läuft
förmlich Spießruthen zwischen den verschiedenen polizeilichen, stadträth-
lichen und bürgermeisterlichcn Weisheiten aller der Groß- und Klein-
Abderas seines theuern einigen Vaterlandes. , Vielleicht haben die er¬
leuchteten Behörden auch nur die Absicht, solche unruhige Köpfe auf
die Wanderschaft zu schicken, damit sie ganz Deutschland gründlich
kennen lernen und sich von der Thorheit ihrer Hoffnungen überzeugen.
Wer seine Pappenheimer nicht kennt, der glaubt es nicht, was für
Chinoiscrien dabei vorkommen. Ein Student wurde in Breslau in
allem Ernst aufgefordert, seine Gesinnung zu andern. In Halle
wurde ein Anderer wegen seiner Ansichten über Herwegh vernommen
und man war verdrießlich, als blos ästhetische Urtheile zum Vorschein
kamen: er sollte sich politisch äußern! ^n einer andern Universitäts¬
stadt wurde einem solchen deutschen Ausländer der gute Rath gegeben,
nach Wien zu gehen; dort werde er am ehesten geduldet werden. Und
das glauben wir selbst.
— So weit ist es gekommen! Der Buch- und Musikalien¬
händler Schlesingcr kündigt Niccolini's in seinem Verlage nachgedruck¬
ten ^riwlllu lui lZn;«ein mit der gesperrten Bemerkung an: Vom
Papste mit dem Jnterdicte belegt! Und diese Empfehlung
ist gewiß höchst wirksam. Möchten sich doch endlich alle Sorten Papste,
weltliche wie unweltliche, an dergleichen eine Lehre nehmen! —
— Mcßfremde aus Russisch-Polen versicherten, das bekannte Werk
Custine's sei in Rußland so verpönt, daß der Besitz eines Exemplars
davon zur Bekanntschaft mit der Knute und zur „Ansiedelung" in Si¬
birien führen könne Und man will noch läugnen, daß Eustine tref¬
fende Wahrheiten gesagt hat?! Der flunkernde, witzelnde, echt russisch
polirte Eavalier Tolstoi (in seiner Schrift für Rußland) thut freilich,
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Die Grenzboten. Jg. 3, 1844, I. Semester, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341546_179712/675>, abgerufen am 23.12.2024.
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