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Die Grenzboten. Jg. 3, 1844, I. Semester.

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Verfasserin schlechter fahren, als sie es von dem schärfsten Autor ge¬
wärtigen könnten. Besonders haben die Frauen einen harten Stand
und Frau von Stael, Frau von Humboldt und Andere, die auf die
Verfasserin keinen guten Eindruck gemacht, können ihr für die Züge,
welche sie zu ihren Bildnissen gibt, nicht eben dankbar sein. Doch
diese Frauen betrugen sich wenig zuvorkommend gegen Caroline Pich-
ler, -- die Scene, wo Frau von <StM zu ihr aus dem Spiegel spricht,
ist wirklich einzig -- und die Wiener Schriftstellerin und Wiener
Bürgerfrau hat ihre Ansprüche und ihr Selbstbewußtsein trotz jeder
Andern. Aber auch Dorothea von Schlegel, ihre gepriesene Freundin,
schont sie nicht und stellt sie ohne Noth herbem Tadel blos; über¬
haupt sagt sie oft mit unbefangener Naivheit, was die absichtlichste
Feindschaft nicht scharfer geben könnte, z. B. wenn sie von Häßlichkeit
der Personen spricht, von Weibern, die ihren Mannern entlaufen oder
doch nicht treu sind.

Doch wir wollen darüber nicht mit der guten Frau rechten! Sie
meint es im Ganzen doch sehr gut. Daß sie das Geniale nicht lei¬
den kann, daß ihr das Mittelmäßige, zum Herkömmlichen und Vor¬
gefundenen willig sich Beschrankende, allem Geistesfreien, schwung¬
vollen, Neugestaltenden vorzuziehen dünkt; daß sie mit der jüngeren
Literatur sich nicht mehr befreunden kann, Alles das dürfen wir, die
wir bekannt mit ihren Schriften sind, nicht anders erwarten. Auch
diese Schriften, obschon höchst ehrenwerth, stehen nicht in der Reihe
der genialen Productionen, welche in neuester Zeit so reich hervorge¬
treten sind; das Talent aber, welches in jenen sich darthut, und die
Würde und Kraft, mit der es von der edlen Verfasserin gehandhabt
worden, waren manchem genialen Fluge, der sich über sie erhebt, als
sichernde Begleitung zu wünschen!


-- Wir haben (in voriger Woche) Wu Münchenern Unrecht ge¬
than. Ihre Revolution war weder so bedeut-ach^os, noch so ohn¬
mächtig , als wir glaubten. Einerseits hört nZaH jetzt, wie es dem
Volke gelungen ist', die angesehensten Brauhäuser, zu stürmen und
halb zu demoliren, so daß der Bierpreis'am folgenden Tage wieder
um den verhängnißvollen ^ Kreuzer sank und König Ludwig selbst ein
beruhigendes und ruhiges Schreiben, ohne alle Participien, erließ;
anderseits erfahren wir (aus einer Correspondenz in der Deutschen
Allgemeinen), daß dem Aufstand wesentlich communistische Ideen zu
Grunde lagen. Za, der Hunger ist ein geborener Revolutionär, ein
unbewußter Communist seit ewigen Zeiten. Was, nach des Dichters
Worten, die Welt allein zusammenhält, der Hunger und die Liebe,
kann sie auch oft aus den Fugen reißen. Bei den Baiern aber ist
es lediglich Hunger gewesen, nicht etwa Liebe, -- ein ideologisches Ele-


Verfasserin schlechter fahren, als sie es von dem schärfsten Autor ge¬
wärtigen könnten. Besonders haben die Frauen einen harten Stand
und Frau von Stael, Frau von Humboldt und Andere, die auf die
Verfasserin keinen guten Eindruck gemacht, können ihr für die Züge,
welche sie zu ihren Bildnissen gibt, nicht eben dankbar sein. Doch
diese Frauen betrugen sich wenig zuvorkommend gegen Caroline Pich-
ler, — die Scene, wo Frau von <StM zu ihr aus dem Spiegel spricht,
ist wirklich einzig — und die Wiener Schriftstellerin und Wiener
Bürgerfrau hat ihre Ansprüche und ihr Selbstbewußtsein trotz jeder
Andern. Aber auch Dorothea von Schlegel, ihre gepriesene Freundin,
schont sie nicht und stellt sie ohne Noth herbem Tadel blos; über¬
haupt sagt sie oft mit unbefangener Naivheit, was die absichtlichste
Feindschaft nicht scharfer geben könnte, z. B. wenn sie von Häßlichkeit
der Personen spricht, von Weibern, die ihren Mannern entlaufen oder
doch nicht treu sind.

Doch wir wollen darüber nicht mit der guten Frau rechten! Sie
meint es im Ganzen doch sehr gut. Daß sie das Geniale nicht lei¬
den kann, daß ihr das Mittelmäßige, zum Herkömmlichen und Vor¬
gefundenen willig sich Beschrankende, allem Geistesfreien, schwung¬
vollen, Neugestaltenden vorzuziehen dünkt; daß sie mit der jüngeren
Literatur sich nicht mehr befreunden kann, Alles das dürfen wir, die
wir bekannt mit ihren Schriften sind, nicht anders erwarten. Auch
diese Schriften, obschon höchst ehrenwerth, stehen nicht in der Reihe
der genialen Productionen, welche in neuester Zeit so reich hervorge¬
treten sind; das Talent aber, welches in jenen sich darthut, und die
Würde und Kraft, mit der es von der edlen Verfasserin gehandhabt
worden, waren manchem genialen Fluge, der sich über sie erhebt, als
sichernde Begleitung zu wünschen!


— Wir haben (in voriger Woche) Wu Münchenern Unrecht ge¬
than. Ihre Revolution war weder so bedeut-ach^os, noch so ohn¬
mächtig , als wir glaubten. Einerseits hört nZaH jetzt, wie es dem
Volke gelungen ist', die angesehensten Brauhäuser, zu stürmen und
halb zu demoliren, so daß der Bierpreis'am folgenden Tage wieder
um den verhängnißvollen ^ Kreuzer sank und König Ludwig selbst ein
beruhigendes und ruhiges Schreiben, ohne alle Participien, erließ;
anderseits erfahren wir (aus einer Correspondenz in der Deutschen
Allgemeinen), daß dem Aufstand wesentlich communistische Ideen zu
Grunde lagen. Za, der Hunger ist ein geborener Revolutionär, ein
unbewußter Communist seit ewigen Zeiten. Was, nach des Dichters
Worten, die Welt allein zusammenhält, der Hunger und die Liebe,
kann sie auch oft aus den Fugen reißen. Bei den Baiern aber ist
es lediglich Hunger gewesen, nicht etwa Liebe, — ein ideologisches Ele-


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[0673] Verfasserin schlechter fahren, als sie es von dem schärfsten Autor ge¬ wärtigen könnten. Besonders haben die Frauen einen harten Stand und Frau von Stael, Frau von Humboldt und Andere, die auf die Verfasserin keinen guten Eindruck gemacht, können ihr für die Züge, welche sie zu ihren Bildnissen gibt, nicht eben dankbar sein. Doch diese Frauen betrugen sich wenig zuvorkommend gegen Caroline Pich- ler, — die Scene, wo Frau von <StM zu ihr aus dem Spiegel spricht, ist wirklich einzig — und die Wiener Schriftstellerin und Wiener Bürgerfrau hat ihre Ansprüche und ihr Selbstbewußtsein trotz jeder Andern. Aber auch Dorothea von Schlegel, ihre gepriesene Freundin, schont sie nicht und stellt sie ohne Noth herbem Tadel blos; über¬ haupt sagt sie oft mit unbefangener Naivheit, was die absichtlichste Feindschaft nicht scharfer geben könnte, z. B. wenn sie von Häßlichkeit der Personen spricht, von Weibern, die ihren Mannern entlaufen oder doch nicht treu sind. Doch wir wollen darüber nicht mit der guten Frau rechten! Sie meint es im Ganzen doch sehr gut. Daß sie das Geniale nicht lei¬ den kann, daß ihr das Mittelmäßige, zum Herkömmlichen und Vor¬ gefundenen willig sich Beschrankende, allem Geistesfreien, schwung¬ vollen, Neugestaltenden vorzuziehen dünkt; daß sie mit der jüngeren Literatur sich nicht mehr befreunden kann, Alles das dürfen wir, die wir bekannt mit ihren Schriften sind, nicht anders erwarten. Auch diese Schriften, obschon höchst ehrenwerth, stehen nicht in der Reihe der genialen Productionen, welche in neuester Zeit so reich hervorge¬ treten sind; das Talent aber, welches in jenen sich darthut, und die Würde und Kraft, mit der es von der edlen Verfasserin gehandhabt worden, waren manchem genialen Fluge, der sich über sie erhebt, als sichernde Begleitung zu wünschen! — Wir haben (in voriger Woche) Wu Münchenern Unrecht ge¬ than. Ihre Revolution war weder so bedeut-ach^os, noch so ohn¬ mächtig , als wir glaubten. Einerseits hört nZaH jetzt, wie es dem Volke gelungen ist', die angesehensten Brauhäuser, zu stürmen und halb zu demoliren, so daß der Bierpreis'am folgenden Tage wieder um den verhängnißvollen ^ Kreuzer sank und König Ludwig selbst ein beruhigendes und ruhiges Schreiben, ohne alle Participien, erließ; anderseits erfahren wir (aus einer Correspondenz in der Deutschen Allgemeinen), daß dem Aufstand wesentlich communistische Ideen zu Grunde lagen. Za, der Hunger ist ein geborener Revolutionär, ein unbewußter Communist seit ewigen Zeiten. Was, nach des Dichters Worten, die Welt allein zusammenhält, der Hunger und die Liebe, kann sie auch oft aus den Fugen reißen. Bei den Baiern aber ist es lediglich Hunger gewesen, nicht etwa Liebe, — ein ideologisches Ele-

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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 3, 1844, I. Semester, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341546_179712/673>, abgerufen am 01.07.2024.