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Die Grenzboten. Jg. 3, 1844, I. Semester.

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Vufttisenbah", Rothschild und die Nibelungen. -- Vortrüge im juridisch¬
politischen Lesevcrein. -- Dingelstedt'S Trauung. -- Kopitar, xour ne
inörite als Slave. -- Deinhardstein. --

Eine der interessantesten Novitäten unserer Residenz ist das dem
Generalsecretar der Ferdinands-Nordbahn, Herrn Heinrich Sichrowsky,
verliehene Privilegium, Wien mit Hitzing durÄ) eine atmosphärische
Eisenbahn zu verbinden. Hitzing ist bekanntlich der besuchteste unter
den benachbarten Orten, da er dicht neben Schönbrunn liegt. Die
Eisenbahn soll beim Kärnthner Thor angefangen, längs dem Flüßchen
Wien geführt werden und in Domeyers Casino also mitten
unter Strauß'schen Geigen -- münden. "Der große Handelsmann
aus Süden" (und aus Norden und aus Osten und aus Westen),
Rothschild, soll die Kosten vorläufig decken. Das Bedeutende dieser
Eisenbahn ist, daß sie Vorbild einer größern, die über den Sömme-
ring führen soll, werden dürfte, nachdem der Architekt Sprenger einen
vortheilhaften Bericht an den Hof gelangen ließ. Die größte Schwie¬
rigkeit, die sich der erwähnten Miniatur-Luftbahn entgegenstellte,, war
die Stadtfortisication und die aufgehobene Möglichkeit, Jeden, der
von dieser Seite die Linie Wiens passirt, wegen Contrebande zu un¬
tersuchen; was nebenbei vielleicht auch den Nibelungen passirte, wenn
sie die Donau herab nach dem alten Pechlaren zogen; sie würden kaum
ohne Paß in ihre alte Heimath reisen dürfen. Sie wissen vielleicht,
daß Ritter von Spann, landständischer Syndikus zu Linz, neuerdings
dem Dichter des Nibelungenliedes einen original-östreichischen Geburts¬
schein siegreich nachgewiesen hat. -- Der Verein zur Unterstützung
entlassener Sträflinge findet in allen Kreisen die lebhafteste Theilnahme
und Unterstützung; wiewohl er sich der Zustimmung des Polizeipräsi¬
diums nicht zu erfreuen hat, und vielleicht mit Recht, in so lange
das östreichische Gefängnißwesen keine zeit- und vernunftgemäße Re¬
organisation erlebt. Unser Gcfangnißwesen ist ganz dazu gemacht,
den Verbrecher durch Unthätigkeit und böse Nachbarschaft zu demora-
lisiren. Die etwas langen und breiten Vortrage des Doctor Wirth,
gehalten im juridisch-politischen Leseverein über das Gefängnißwesen
Frankreichs, Englands und Amerikas, die unsere anerkanntesten Eri-
minalrichter und Polizeibeamten mit anhörten, scheinen wenig Anklang
gesunden, vielmehr das Verbot hervorgerufen zu haben gegen andere
in dem Verein zu haltende Vorträge. So wurden z. B. Vorlesungen
über Phrenologie, "als dem Materialismus zu sehr huldigend," un¬
tersagt. -- Sie haben in der allgemeinen Zeitung die Neuigkeit ge¬
lesen, daß Hofrath Franz Dingelstedt sich mit der Sängerin Jenny


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Vufttisenbah», Rothschild und die Nibelungen. — Vortrüge im juridisch¬
politischen Lesevcrein. — Dingelstedt'S Trauung. — Kopitar, xour ne
inörite als Slave. — Deinhardstein. —

Eine der interessantesten Novitäten unserer Residenz ist das dem
Generalsecretar der Ferdinands-Nordbahn, Herrn Heinrich Sichrowsky,
verliehene Privilegium, Wien mit Hitzing durÄ) eine atmosphärische
Eisenbahn zu verbinden. Hitzing ist bekanntlich der besuchteste unter
den benachbarten Orten, da er dicht neben Schönbrunn liegt. Die
Eisenbahn soll beim Kärnthner Thor angefangen, längs dem Flüßchen
Wien geführt werden und in Domeyers Casino also mitten
unter Strauß'schen Geigen — münden. „Der große Handelsmann
aus Süden" (und aus Norden und aus Osten und aus Westen),
Rothschild, soll die Kosten vorläufig decken. Das Bedeutende dieser
Eisenbahn ist, daß sie Vorbild einer größern, die über den Sömme-
ring führen soll, werden dürfte, nachdem der Architekt Sprenger einen
vortheilhaften Bericht an den Hof gelangen ließ. Die größte Schwie¬
rigkeit, die sich der erwähnten Miniatur-Luftbahn entgegenstellte,, war
die Stadtfortisication und die aufgehobene Möglichkeit, Jeden, der
von dieser Seite die Linie Wiens passirt, wegen Contrebande zu un¬
tersuchen; was nebenbei vielleicht auch den Nibelungen passirte, wenn
sie die Donau herab nach dem alten Pechlaren zogen; sie würden kaum
ohne Paß in ihre alte Heimath reisen dürfen. Sie wissen vielleicht,
daß Ritter von Spann, landständischer Syndikus zu Linz, neuerdings
dem Dichter des Nibelungenliedes einen original-östreichischen Geburts¬
schein siegreich nachgewiesen hat. — Der Verein zur Unterstützung
entlassener Sträflinge findet in allen Kreisen die lebhafteste Theilnahme
und Unterstützung; wiewohl er sich der Zustimmung des Polizeipräsi¬
diums nicht zu erfreuen hat, und vielleicht mit Recht, in so lange
das östreichische Gefängnißwesen keine zeit- und vernunftgemäße Re¬
organisation erlebt. Unser Gcfangnißwesen ist ganz dazu gemacht,
den Verbrecher durch Unthätigkeit und böse Nachbarschaft zu demora-
lisiren. Die etwas langen und breiten Vortrage des Doctor Wirth,
gehalten im juridisch-politischen Leseverein über das Gefängnißwesen
Frankreichs, Englands und Amerikas, die unsere anerkanntesten Eri-
minalrichter und Polizeibeamten mit anhörten, scheinen wenig Anklang
gesunden, vielmehr das Verbot hervorgerufen zu haben gegen andere
in dem Verein zu haltende Vorträge. So wurden z. B. Vorlesungen
über Phrenologie, „als dem Materialismus zu sehr huldigend," un¬
tersagt. — Sie haben in der allgemeinen Zeitung die Neuigkeit ge¬
lesen, daß Hofrath Franz Dingelstedt sich mit der Sängerin Jenny


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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 3, 1844, I. Semester, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341546_179712/670>, abgerufen am 22.12.2024.