Anmelden (DTAQ) DWDS     dlexDB     CLARIN-D

Die Grenzboten. Jg. 3, 1844, I. Semester.

Bild:
<< vorherige Seite

Die Wahrheit ist, daß Dupin so viel Muth zeigte, wie die
meiste" der übrigen Deputaten; man weiß recht gut, daß bis zum
29. Niemand, und selbst nicht das Volk, an einen Dynastiewechsel
glaubte. Die Gewalt der Umstände und das Loos der Waffen
vollendeten die Revolution, und Dupin hatte eben so großen Antheil
an ihr, wie die Mehrzahl seiner Kollegen.

Am 6. August einstimmig zum Berichterstatter über den Verfassungs¬
entwurf ernannt, vollendete er seinen Bericht in zwei Stunden, und am
folgenden Tag wurde die Redaction von der Commission genehmigt.

In den Tagen, welche der Errichtung des Julikönigthums vor¬
angingen, spaltete eine ernste Frage das Conseil. Eine Partei wollte
die Zukunft an die Vergangenheit knüpfen und zu diesem Zwecke die
alten Formen der königlichen Schriften beibehalten. Sie verlangten
daher die Annahme des Namens Philipp Vit. Dupin bekämpfte
auf das Lebhafteste diese Meinung und erklärte, daß der Herzog von
Orleans auf den Thron gerufen worden sei, nicht weil, sondern
obgleich er Bourbon sei, und unter der Voraussetzung, daß er sei¬
nen Ahnen nicht gleichen, sondern wesentlich sich von ihnen unter¬
scheiden werde; er fügte hinzu, daß das Princip der neuen Monar¬
chie nicht auf dem göttlichen, sondern auf einem positiven Vertrags-
recht beruhe.

Diese Zeit war es, wo Dupin die größte UnPopularität genos¬
sen hat, die sich je ein Staatsmann erwarb. Nicht, daß Dupin, wie
mancher Andere, ein nur halbbekehrter Anhänger der Julimonarchie
gewesen wäre; nicht, daß man ihm vorwerfen könnte, in seinem Her¬
zen einen Schatten des Bedauerns für die gestürzte Dynastie aufbe¬
wahrt zu haben, denn er hat nie angestanden, ihr die mißtönendsten
Beiworte nachzurufen; nicht, daß damals Männer in der Kammer
gefehlt hätten, die wie er von der Nothwendigkeit durchdrungen waren,
den allzuwilden Strom der drei Tage in seinem Bett zu beschränken;
aber Dupin ist vor Allem ein Mann ungenirter Freimüthigkeit, der
sich wenig um die Form dessen, was er sagt, kümmert, und dem
König, der Kammer, dem Volk, aller Welt die Wahrheit sagt und
zwar mit dürren Worten, die er wie einen Lichtauslöscher den flam¬
menden Geistern auf den Kopf stülpt. Daher wird er von den Mas¬
sen aufrichtig verabscheut und kann es nicht anders sein.


Die Wahrheit ist, daß Dupin so viel Muth zeigte, wie die
meiste» der übrigen Deputaten; man weiß recht gut, daß bis zum
29. Niemand, und selbst nicht das Volk, an einen Dynastiewechsel
glaubte. Die Gewalt der Umstände und das Loos der Waffen
vollendeten die Revolution, und Dupin hatte eben so großen Antheil
an ihr, wie die Mehrzahl seiner Kollegen.

Am 6. August einstimmig zum Berichterstatter über den Verfassungs¬
entwurf ernannt, vollendete er seinen Bericht in zwei Stunden, und am
folgenden Tag wurde die Redaction von der Commission genehmigt.

In den Tagen, welche der Errichtung des Julikönigthums vor¬
angingen, spaltete eine ernste Frage das Conseil. Eine Partei wollte
die Zukunft an die Vergangenheit knüpfen und zu diesem Zwecke die
alten Formen der königlichen Schriften beibehalten. Sie verlangten
daher die Annahme des Namens Philipp Vit. Dupin bekämpfte
auf das Lebhafteste diese Meinung und erklärte, daß der Herzog von
Orleans auf den Thron gerufen worden sei, nicht weil, sondern
obgleich er Bourbon sei, und unter der Voraussetzung, daß er sei¬
nen Ahnen nicht gleichen, sondern wesentlich sich von ihnen unter¬
scheiden werde; er fügte hinzu, daß das Princip der neuen Monar¬
chie nicht auf dem göttlichen, sondern auf einem positiven Vertrags-
recht beruhe.

Diese Zeit war es, wo Dupin die größte UnPopularität genos¬
sen hat, die sich je ein Staatsmann erwarb. Nicht, daß Dupin, wie
mancher Andere, ein nur halbbekehrter Anhänger der Julimonarchie
gewesen wäre; nicht, daß man ihm vorwerfen könnte, in seinem Her¬
zen einen Schatten des Bedauerns für die gestürzte Dynastie aufbe¬
wahrt zu haben, denn er hat nie angestanden, ihr die mißtönendsten
Beiworte nachzurufen; nicht, daß damals Männer in der Kammer
gefehlt hätten, die wie er von der Nothwendigkeit durchdrungen waren,
den allzuwilden Strom der drei Tage in seinem Bett zu beschränken;
aber Dupin ist vor Allem ein Mann ungenirter Freimüthigkeit, der
sich wenig um die Form dessen, was er sagt, kümmert, und dem
König, der Kammer, dem Volk, aller Welt die Wahrheit sagt und
zwar mit dürren Worten, die er wie einen Lichtauslöscher den flam¬
menden Geistern auf den Kopf stülpt. Daher wird er von den Mas¬
sen aufrichtig verabscheut und kann es nicht anders sein.


<TEI>
  <text>
    <body>
      <div>
        <div n="1">
          <div n="2">
            <pb facs="#f0658" corresp="http://brema.suub.uni-bremen.de/grenzboten/periodical/pageview/180371"/>
            <p xml:id="ID_1712"> Die Wahrheit ist, daß Dupin so viel Muth zeigte, wie die<lb/>
meiste» der übrigen Deputaten; man weiß recht gut, daß bis zum<lb/>
29. Niemand, und selbst nicht das Volk, an einen Dynastiewechsel<lb/>
glaubte. Die Gewalt der Umstände und das Loos der Waffen<lb/>
vollendeten die Revolution, und Dupin hatte eben so großen Antheil<lb/>
an ihr, wie die Mehrzahl seiner Kollegen.</p><lb/>
            <p xml:id="ID_1713"> Am 6. August einstimmig zum Berichterstatter über den Verfassungs¬<lb/>
entwurf ernannt, vollendete er seinen Bericht in zwei Stunden, und am<lb/>
folgenden Tag wurde die Redaction von der Commission genehmigt.</p><lb/>
            <p xml:id="ID_1714"> In den Tagen, welche der Errichtung des Julikönigthums vor¬<lb/>
angingen, spaltete eine ernste Frage das Conseil. Eine Partei wollte<lb/>
die Zukunft an die Vergangenheit knüpfen und zu diesem Zwecke die<lb/>
alten Formen der königlichen Schriften beibehalten. Sie verlangten<lb/>
daher die Annahme des Namens Philipp Vit. Dupin bekämpfte<lb/>
auf das Lebhafteste diese Meinung und erklärte, daß der Herzog von<lb/>
Orleans auf den Thron gerufen worden sei, nicht weil, sondern<lb/>
obgleich er Bourbon sei, und unter der Voraussetzung, daß er sei¬<lb/>
nen Ahnen nicht gleichen, sondern wesentlich sich von ihnen unter¬<lb/>
scheiden werde; er fügte hinzu, daß das Princip der neuen Monar¬<lb/>
chie nicht auf dem göttlichen, sondern auf einem positiven Vertrags-<lb/>
recht beruhe.</p><lb/>
            <p xml:id="ID_1715"> Diese Zeit war es, wo Dupin die größte UnPopularität genos¬<lb/>
sen hat, die sich je ein Staatsmann erwarb. Nicht, daß Dupin, wie<lb/>
mancher Andere, ein nur halbbekehrter Anhänger der Julimonarchie<lb/>
gewesen wäre; nicht, daß man ihm vorwerfen könnte, in seinem Her¬<lb/>
zen einen Schatten des Bedauerns für die gestürzte Dynastie aufbe¬<lb/>
wahrt zu haben, denn er hat nie angestanden, ihr die mißtönendsten<lb/>
Beiworte nachzurufen; nicht, daß damals Männer in der Kammer<lb/>
gefehlt hätten, die wie er von der Nothwendigkeit durchdrungen waren,<lb/>
den allzuwilden Strom der drei Tage in seinem Bett zu beschränken;<lb/>
aber Dupin ist vor Allem ein Mann ungenirter Freimüthigkeit, der<lb/>
sich wenig um die Form dessen, was er sagt, kümmert, und dem<lb/>
König, der Kammer, dem Volk, aller Welt die Wahrheit sagt und<lb/>
zwar mit dürren Worten, die er wie einen Lichtauslöscher den flam¬<lb/>
menden Geistern auf den Kopf stülpt. Daher wird er von den Mas¬<lb/>
sen aufrichtig verabscheut und kann es nicht anders sein.</p><lb/>
          </div>
        </div>
      </div>
    </body>
  </text>
</TEI>
[0658] Die Wahrheit ist, daß Dupin so viel Muth zeigte, wie die meiste» der übrigen Deputaten; man weiß recht gut, daß bis zum 29. Niemand, und selbst nicht das Volk, an einen Dynastiewechsel glaubte. Die Gewalt der Umstände und das Loos der Waffen vollendeten die Revolution, und Dupin hatte eben so großen Antheil an ihr, wie die Mehrzahl seiner Kollegen. Am 6. August einstimmig zum Berichterstatter über den Verfassungs¬ entwurf ernannt, vollendete er seinen Bericht in zwei Stunden, und am folgenden Tag wurde die Redaction von der Commission genehmigt. In den Tagen, welche der Errichtung des Julikönigthums vor¬ angingen, spaltete eine ernste Frage das Conseil. Eine Partei wollte die Zukunft an die Vergangenheit knüpfen und zu diesem Zwecke die alten Formen der königlichen Schriften beibehalten. Sie verlangten daher die Annahme des Namens Philipp Vit. Dupin bekämpfte auf das Lebhafteste diese Meinung und erklärte, daß der Herzog von Orleans auf den Thron gerufen worden sei, nicht weil, sondern obgleich er Bourbon sei, und unter der Voraussetzung, daß er sei¬ nen Ahnen nicht gleichen, sondern wesentlich sich von ihnen unter¬ scheiden werde; er fügte hinzu, daß das Princip der neuen Monar¬ chie nicht auf dem göttlichen, sondern auf einem positiven Vertrags- recht beruhe. Diese Zeit war es, wo Dupin die größte UnPopularität genos¬ sen hat, die sich je ein Staatsmann erwarb. Nicht, daß Dupin, wie mancher Andere, ein nur halbbekehrter Anhänger der Julimonarchie gewesen wäre; nicht, daß man ihm vorwerfen könnte, in seinem Her¬ zen einen Schatten des Bedauerns für die gestürzte Dynastie aufbe¬ wahrt zu haben, denn er hat nie angestanden, ihr die mißtönendsten Beiworte nachzurufen; nicht, daß damals Männer in der Kammer gefehlt hätten, die wie er von der Nothwendigkeit durchdrungen waren, den allzuwilden Strom der drei Tage in seinem Bett zu beschränken; aber Dupin ist vor Allem ein Mann ungenirter Freimüthigkeit, der sich wenig um die Form dessen, was er sagt, kümmert, und dem König, der Kammer, dem Volk, aller Welt die Wahrheit sagt und zwar mit dürren Worten, die er wie einen Lichtauslöscher den flam¬ menden Geistern auf den Kopf stülpt. Daher wird er von den Mas¬ sen aufrichtig verabscheut und kann es nicht anders sein.

Informationen zum Werk

Download dieses Werks

XML (TEI P5) · HTML · Text
TCF (text annotation layer)

Metadaten zum Werk

TEI-Header · CMDI · Dublin Core

Ansichten dieser Seite

Feedback

Sie haben einen Fehler gefunden? Dann können Sie diesen über unsere Qualitätssicherungsplattform DTAQ melden.

Kommentar zur DTA-Ausgabe

Dieses Werk wurde im Rahmen des Moduls DTA-Erweiterungen (DTAE) digitalisiert. Weitere Informationen …

Staats- und Universitätsbibliothek (SuUB) Bremen: Bereitstellung der Texttranskription.
Kay-Michael Würzner: Bearbeitung der digitalen Edition.

Weitere Informationen:

Verfahren der Texterfassung: OCR mit Nachkorrektur.

Bogensignaturen: gekennzeichnet;Druckfehler: ignoriert;fremdsprachliches Material: nicht gekennzeichnet;Geminations-/Abkürzungsstriche: wie Vorlage;Hervorhebungen (Antiqua, Sperrschrift, Kursive etc.): nicht ausgezeichnet;i/j in Fraktur: wie Vorlage;I/J in Fraktur: wie Vorlage;Kolumnentitel: gekennzeichnet;Kustoden: gekennzeichnet;langes s (ſ): als s transkribiert;Normalisierungen: stillschweigend;rundes r (&#xa75b;): als r/et transkribiert;Seitenumbrüche markiert: ja;Silbentrennung: wie Vorlage;u/v bzw. U/V: wie Vorlage;Vokale mit übergest. e: als ä/ö/ü transkribiert;Vollständigkeit: vollständig erfasst;Zeichensetzung: wie Vorlage;Zeilenumbrüche markiert: ja;

Nachkorrektur erfolgte automatisch.




Ansicht auf Standard zurückstellen

URL zu diesem Werk: https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341546_179712
URL zu dieser Seite: https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341546_179712/658
Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 3, 1844, I. Semester, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341546_179712/658>, abgerufen am 01.07.2024.