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Die Grenzboten. Jg. 3, 1844, I. Semester.

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muthvolle That, und sie verschaffte Dupin seinen schönsten Ruhm:
die Vertheidigung des Marschalls Ney, mit der er gemeinschaftlich
mit den beiden Berryers, Vater und Sohn, beauftragt wurde. Man
kennt alle einzelnen Scenen dieses beklagenswerthen Dramas zur
Genüge; man weiß, daß den Advocaten verboten wurde, ihre Ver¬
theidigung auf den zwölften Artikel der Kapitulation von Paris zu
gründen; man weiß, daß Dupin, als er zur Rettung des Marschalls
durchführen wollte, daß Ney, als in Saarlouis geboren, durch den
Pariser Frieden Preuße geworden sei, von diesem unterbrochen wurde,
weil er lieber als Franzose sterben wolle.

Jener Urtheilsspruch ist in Dupin's Herzen wie eine bittere Er¬
innerung zurückgeblieben. Ich werde es sagen, so lange ich lebe, hat
er seitdem oft wiederholt, daß die Verurtheilung Ney'ö nicht gerecht
war, weil seine Vertheidigung nicht frei war.

Dieses schöne Debüt in politischen Prozessen machte Dupin zum
natürlichen Vertheidiger der berühmtesten Opfer der Reaction. Die
liberale Partei erwählte ihn zu ihrem Vertreter in ihren Kämpfen
mit der Justiz. So sprach er in dem Fall Merilhou für die Natio-
nalsubscription zu Gunsten der ohne Urtheil verhafteten Bürger; in
dem Fall Bcwour's für die Lehrfreiheit; für die Freiheit der Geschichte
in Jay's und Jouy's Prozeß und für die Freiheit der Chansons in
dem zweimaligen Prozeß Beranger's. Der Miroir, angeklagt wegen
Anspielungen, und der Constitutionnel in seinem großen Tendenzpro¬
zeß, welcher sein Triumph war, fanden in ihm einen warmen und
aufopfernden Vertheidiger. Und endlich, im December 1829, sieben
Monate vor der Julirevolution, trat er das letzte Mal auf den
Kampfplatz, um den berühmten und prophetischen Aufruf des Jour¬
nal des DebatS: Unglückliches Frankreich! Unglücklicher König! zu
vertheidigen.

Wir können hier nicht alle die großen Civilrechtsfälle aufzählen,
deren Führung er seinen großen Ruf als Advocat zu danken hat.
Einer der merkwürdigsten ist der des Ritters Deögraviers gegen die
Civilliste (1824). Dupin plaidirte gegen Se. Majestät, den König
von Frankreich lind Navarra, welcher seine Schulden nicht bezahlen
wollte. Er bewies, daß die Gelangung zu Kronen die Prinzen nicht
von ihren persönlichen Verbindlichkeiten befreien könne; er gewann


muthvolle That, und sie verschaffte Dupin seinen schönsten Ruhm:
die Vertheidigung des Marschalls Ney, mit der er gemeinschaftlich
mit den beiden Berryers, Vater und Sohn, beauftragt wurde. Man
kennt alle einzelnen Scenen dieses beklagenswerthen Dramas zur
Genüge; man weiß, daß den Advocaten verboten wurde, ihre Ver¬
theidigung auf den zwölften Artikel der Kapitulation von Paris zu
gründen; man weiß, daß Dupin, als er zur Rettung des Marschalls
durchführen wollte, daß Ney, als in Saarlouis geboren, durch den
Pariser Frieden Preuße geworden sei, von diesem unterbrochen wurde,
weil er lieber als Franzose sterben wolle.

Jener Urtheilsspruch ist in Dupin's Herzen wie eine bittere Er¬
innerung zurückgeblieben. Ich werde es sagen, so lange ich lebe, hat
er seitdem oft wiederholt, daß die Verurtheilung Ney'ö nicht gerecht
war, weil seine Vertheidigung nicht frei war.

Dieses schöne Debüt in politischen Prozessen machte Dupin zum
natürlichen Vertheidiger der berühmtesten Opfer der Reaction. Die
liberale Partei erwählte ihn zu ihrem Vertreter in ihren Kämpfen
mit der Justiz. So sprach er in dem Fall Merilhou für die Natio-
nalsubscription zu Gunsten der ohne Urtheil verhafteten Bürger; in
dem Fall Bcwour's für die Lehrfreiheit; für die Freiheit der Geschichte
in Jay's und Jouy's Prozeß und für die Freiheit der Chansons in
dem zweimaligen Prozeß Beranger's. Der Miroir, angeklagt wegen
Anspielungen, und der Constitutionnel in seinem großen Tendenzpro¬
zeß, welcher sein Triumph war, fanden in ihm einen warmen und
aufopfernden Vertheidiger. Und endlich, im December 1829, sieben
Monate vor der Julirevolution, trat er das letzte Mal auf den
Kampfplatz, um den berühmten und prophetischen Aufruf des Jour¬
nal des DebatS: Unglückliches Frankreich! Unglücklicher König! zu
vertheidigen.

Wir können hier nicht alle die großen Civilrechtsfälle aufzählen,
deren Führung er seinen großen Ruf als Advocat zu danken hat.
Einer der merkwürdigsten ist der des Ritters Deögraviers gegen die
Civilliste (1824). Dupin plaidirte gegen Se. Majestät, den König
von Frankreich lind Navarra, welcher seine Schulden nicht bezahlen
wollte. Er bewies, daß die Gelangung zu Kronen die Prinzen nicht
von ihren persönlichen Verbindlichkeiten befreien könne; er gewann


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[0656] muthvolle That, und sie verschaffte Dupin seinen schönsten Ruhm: die Vertheidigung des Marschalls Ney, mit der er gemeinschaftlich mit den beiden Berryers, Vater und Sohn, beauftragt wurde. Man kennt alle einzelnen Scenen dieses beklagenswerthen Dramas zur Genüge; man weiß, daß den Advocaten verboten wurde, ihre Ver¬ theidigung auf den zwölften Artikel der Kapitulation von Paris zu gründen; man weiß, daß Dupin, als er zur Rettung des Marschalls durchführen wollte, daß Ney, als in Saarlouis geboren, durch den Pariser Frieden Preuße geworden sei, von diesem unterbrochen wurde, weil er lieber als Franzose sterben wolle. Jener Urtheilsspruch ist in Dupin's Herzen wie eine bittere Er¬ innerung zurückgeblieben. Ich werde es sagen, so lange ich lebe, hat er seitdem oft wiederholt, daß die Verurtheilung Ney'ö nicht gerecht war, weil seine Vertheidigung nicht frei war. Dieses schöne Debüt in politischen Prozessen machte Dupin zum natürlichen Vertheidiger der berühmtesten Opfer der Reaction. Die liberale Partei erwählte ihn zu ihrem Vertreter in ihren Kämpfen mit der Justiz. So sprach er in dem Fall Merilhou für die Natio- nalsubscription zu Gunsten der ohne Urtheil verhafteten Bürger; in dem Fall Bcwour's für die Lehrfreiheit; für die Freiheit der Geschichte in Jay's und Jouy's Prozeß und für die Freiheit der Chansons in dem zweimaligen Prozeß Beranger's. Der Miroir, angeklagt wegen Anspielungen, und der Constitutionnel in seinem großen Tendenzpro¬ zeß, welcher sein Triumph war, fanden in ihm einen warmen und aufopfernden Vertheidiger. Und endlich, im December 1829, sieben Monate vor der Julirevolution, trat er das letzte Mal auf den Kampfplatz, um den berühmten und prophetischen Aufruf des Jour¬ nal des DebatS: Unglückliches Frankreich! Unglücklicher König! zu vertheidigen. Wir können hier nicht alle die großen Civilrechtsfälle aufzählen, deren Führung er seinen großen Ruf als Advocat zu danken hat. Einer der merkwürdigsten ist der des Ritters Deögraviers gegen die Civilliste (1824). Dupin plaidirte gegen Se. Majestät, den König von Frankreich lind Navarra, welcher seine Schulden nicht bezahlen wollte. Er bewies, daß die Gelangung zu Kronen die Prinzen nicht von ihren persönlichen Verbindlichkeiten befreien könne; er gewann

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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 3, 1844, I. Semester, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341546_179712/656>, abgerufen am 22.12.2024.