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Die Grenzboten. Jg. 3, 1844, I. Semester.

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genblicke läßt sich seine Lage der öffentlichen Meinung gegenüber nicht
genau charakterisiren; Viele tadeln ihn, Viele loben ihn, und die
Meisten loben und tadeln ihn zu gleicher Zeit.

Andre Marie Jean Jacques Dupin wurde zu Varzy im Niver-
nois am I. Februar 1783 geboren und hat noch zwei jüngere Brü¬
der, von denen der eine Baron Charles Dupin, Pair von Frankreich,
einen hohen Rang unter den wissenschaftlichen Berühmtheiten Frank¬
reichs einnimmt; der andere, Philipp Dupin, ist eine der Säulen der
Pariser Advocatur.

Ueber die Jugend Dupin's ist nicht viel mehr zu sagen, als daß
er in jener unruhigen Zeit einer der fleißigsten Schüler war. Diesen
Anstrengungen hatte er es zu danken, daß er bald ein ausgezeichne¬
ter Nechtsschüler war; put als 1802 Napoleon die Rechtsschulen
wieder eröffnete, war Dupin der Erste, welcher sich meldete, seine
Thesen zu vertheidigen und sein Eramen als Licentiat und bald
darauf als Doctor der Rechte machte. In den darauf folgenden
Jahren ließ der junge Gelehrte auch zwei oder drei Schriften erschei¬
nen, die einigen Erfolg hatten. Eine derselben war der ?r,lei8 ol"z-
meutaire ein <Zrc>it romiün und Dupin kommt gern darauf zurück,
daß dieses Heftchen die Ehre hatte, von der kaiserlichen Polizei,
die in einigen Bemerkungen über Tiberius und Germaniens Anspie¬
lungen aus Buonaparte und den Herzog von Enghien witterte, mit
Beschlag belegt zu werden.

Nach der zweiten Restauration trat er als Candidat bei den
Wahlcollegien von Chateau-Chiron und Clamecy auf, doch wurde er
nicht gewählt und widmete sich jetzt ganz der Advocatur. Der po¬
litische Horizont war noch sehr düster; es war die Zeit der Militär¬
commissionen und der politischen Füsilladen. Einen wegen Hoch¬
verraths Angeklagten zu vertheidigen, war keine gefahrlose Sache;
der Vertheidiger wurde fast als Mitschuldiger seines Clienten betrach¬
tet; man traf auch danach seine Maßregeln und bat gewissermaßen
um Erlaubniß, das Haupt eines Angeklagten dem Gerichtshofe ab¬
kämpfen zu dürfen. Unter solchen Umständen schrieb Dupin sein Werk
über die freie Vertheidigung von Angeklagten. Die Veröffentlichung
dieses Buches, das so ausgezeichnet durch Klarheit der Darstellung und
Schärfe der Logik, war in jenen Zeiten im vollen Sinne desWortes eine


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genblicke läßt sich seine Lage der öffentlichen Meinung gegenüber nicht
genau charakterisiren; Viele tadeln ihn, Viele loben ihn, und die
Meisten loben und tadeln ihn zu gleicher Zeit.

Andre Marie Jean Jacques Dupin wurde zu Varzy im Niver-
nois am I. Februar 1783 geboren und hat noch zwei jüngere Brü¬
der, von denen der eine Baron Charles Dupin, Pair von Frankreich,
einen hohen Rang unter den wissenschaftlichen Berühmtheiten Frank¬
reichs einnimmt; der andere, Philipp Dupin, ist eine der Säulen der
Pariser Advocatur.

Ueber die Jugend Dupin's ist nicht viel mehr zu sagen, als daß
er in jener unruhigen Zeit einer der fleißigsten Schüler war. Diesen
Anstrengungen hatte er es zu danken, daß er bald ein ausgezeichne¬
ter Nechtsschüler war; put als 1802 Napoleon die Rechtsschulen
wieder eröffnete, war Dupin der Erste, welcher sich meldete, seine
Thesen zu vertheidigen und sein Eramen als Licentiat und bald
darauf als Doctor der Rechte machte. In den darauf folgenden
Jahren ließ der junge Gelehrte auch zwei oder drei Schriften erschei¬
nen, die einigen Erfolg hatten. Eine derselben war der ?r,lei8 ol«z-
meutaire ein <Zrc>it romiün und Dupin kommt gern darauf zurück,
daß dieses Heftchen die Ehre hatte, von der kaiserlichen Polizei,
die in einigen Bemerkungen über Tiberius und Germaniens Anspie¬
lungen aus Buonaparte und den Herzog von Enghien witterte, mit
Beschlag belegt zu werden.

Nach der zweiten Restauration trat er als Candidat bei den
Wahlcollegien von Chateau-Chiron und Clamecy auf, doch wurde er
nicht gewählt und widmete sich jetzt ganz der Advocatur. Der po¬
litische Horizont war noch sehr düster; es war die Zeit der Militär¬
commissionen und der politischen Füsilladen. Einen wegen Hoch¬
verraths Angeklagten zu vertheidigen, war keine gefahrlose Sache;
der Vertheidiger wurde fast als Mitschuldiger seines Clienten betrach¬
tet; man traf auch danach seine Maßregeln und bat gewissermaßen
um Erlaubniß, das Haupt eines Angeklagten dem Gerichtshofe ab¬
kämpfen zu dürfen. Unter solchen Umständen schrieb Dupin sein Werk
über die freie Vertheidigung von Angeklagten. Die Veröffentlichung
dieses Buches, das so ausgezeichnet durch Klarheit der Darstellung und
Schärfe der Logik, war in jenen Zeiten im vollen Sinne desWortes eine


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[0655] genblicke läßt sich seine Lage der öffentlichen Meinung gegenüber nicht genau charakterisiren; Viele tadeln ihn, Viele loben ihn, und die Meisten loben und tadeln ihn zu gleicher Zeit. Andre Marie Jean Jacques Dupin wurde zu Varzy im Niver- nois am I. Februar 1783 geboren und hat noch zwei jüngere Brü¬ der, von denen der eine Baron Charles Dupin, Pair von Frankreich, einen hohen Rang unter den wissenschaftlichen Berühmtheiten Frank¬ reichs einnimmt; der andere, Philipp Dupin, ist eine der Säulen der Pariser Advocatur. Ueber die Jugend Dupin's ist nicht viel mehr zu sagen, als daß er in jener unruhigen Zeit einer der fleißigsten Schüler war. Diesen Anstrengungen hatte er es zu danken, daß er bald ein ausgezeichne¬ ter Nechtsschüler war; put als 1802 Napoleon die Rechtsschulen wieder eröffnete, war Dupin der Erste, welcher sich meldete, seine Thesen zu vertheidigen und sein Eramen als Licentiat und bald darauf als Doctor der Rechte machte. In den darauf folgenden Jahren ließ der junge Gelehrte auch zwei oder drei Schriften erschei¬ nen, die einigen Erfolg hatten. Eine derselben war der ?r,lei8 ol«z- meutaire ein <Zrc>it romiün und Dupin kommt gern darauf zurück, daß dieses Heftchen die Ehre hatte, von der kaiserlichen Polizei, die in einigen Bemerkungen über Tiberius und Germaniens Anspie¬ lungen aus Buonaparte und den Herzog von Enghien witterte, mit Beschlag belegt zu werden. Nach der zweiten Restauration trat er als Candidat bei den Wahlcollegien von Chateau-Chiron und Clamecy auf, doch wurde er nicht gewählt und widmete sich jetzt ganz der Advocatur. Der po¬ litische Horizont war noch sehr düster; es war die Zeit der Militär¬ commissionen und der politischen Füsilladen. Einen wegen Hoch¬ verraths Angeklagten zu vertheidigen, war keine gefahrlose Sache; der Vertheidiger wurde fast als Mitschuldiger seines Clienten betrach¬ tet; man traf auch danach seine Maßregeln und bat gewissermaßen um Erlaubniß, das Haupt eines Angeklagten dem Gerichtshofe ab¬ kämpfen zu dürfen. Unter solchen Umständen schrieb Dupin sein Werk über die freie Vertheidigung von Angeklagten. Die Veröffentlichung dieses Buches, das so ausgezeichnet durch Klarheit der Darstellung und Schärfe der Logik, war in jenen Zeiten im vollen Sinne desWortes eine 84-i-

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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 3, 1844, I. Semester, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341546_179712/655>, abgerufen am 01.07.2024.