lent der Darstellung, des journalistischen Effects vorzugsweise aus¬ gebildet haben, ohne daß es dem Ernste der Auffassung Abbruch thut. Viel läßt sich hierdurch vorarbeiten im Interesse der Oeffentlichkeit über¬ haupt, so wie insbesondere eines allgemeinen ästhetischen Sinnes, ei¬ ner künstlerischen Erziehung des Volkes. Bei alledem aber arbeitet man aufs Entschiedenste häufig von einer Seite entgegen, von wel¬ cher man's nicht erwarten sollte. Ich erlaube mir eine kleine Ab¬ schweifung, um doch Ein Beispiel, statt vieler, anschaulich zu machen, wie man selbst in dem gepriesenen, an öffentlichen Denkmalen so reichen Köln aus egoistischen Zwecken dem Volke die Gelegenheit der Bildung durch Kunstgenuß zu schmälern weiß. Aller Welt ist's be¬ kannt, daß sich in der Peterskapelle daselbst jenes berühmte Altar¬ blatt des Rubens -- die Kreuzigung Petri -- vorfindet. Nun hatten die Franzosen vor Zeiten das prächtige Bild in ihr Pariser Welt¬ museum entführt, und man sah sich damals genöthigt, eine mittel¬ mäßige Copie an dem verwaisten Platze aufzustellen. Als aber im Jahre 1813 das Original wieder heimgebracht wurde, nahm man die schülerhafte Nachbildung wohl sogleich herunter und rollte das Meisterwerk wieder auf für die Augen der andächtigen Künstler und Beter? Mit Nichten. Der heilige Petrus sollte nicht umsonst seine Kunstreise nach Paris gemacht haben, und man wußte in recht ar¬ tiger Weise Vortheil davon zu ziehen. Die Copie blieb, wo sie war, auf die Rückseite des Rahmens aber spannte man das Original, un wenn nun Jemand den echten Rubens sehen will, so hat er, lau eines Anschlages, einen halben Thaler in den Kirchenfond zu ent richten, und der Küster dreht ihm das Bild um -- nicht wahr, da ist doch industrios? Also für einige Künstler und Kenner und fü ein Paar Dutzend reisende Engländer, die durch ihr Reisehandbu in die Kirche getrieben werden und für ihren guten halben Thale das Recht sich erkaufen, I.o-uitilül, vel? Il"ZcuuiüiI! zu rufen, hätt Rubens sein gewaltiges Bild gemalt? Nein, er malte es für da Volk, für die Schaaren der Andächtigen, die sich künstlerisch oder re ligiös an ihm erbauen sollten und jetzt vor der matten Copie sitzen an welcher wenig Erbauliches zu finden ist. -- Es ist so ein schöne Zug des Katholicismus, daß er die Kunst in seine Tempel herabbe schworen hat und die Thüren der Gotteshäuser täglich für den geöff net hält, der in ihrer Beschauung Freude, Stärkung, Genuß finde
lent der Darstellung, des journalistischen Effects vorzugsweise aus¬ gebildet haben, ohne daß es dem Ernste der Auffassung Abbruch thut. Viel läßt sich hierdurch vorarbeiten im Interesse der Oeffentlichkeit über¬ haupt, so wie insbesondere eines allgemeinen ästhetischen Sinnes, ei¬ ner künstlerischen Erziehung des Volkes. Bei alledem aber arbeitet man aufs Entschiedenste häufig von einer Seite entgegen, von wel¬ cher man's nicht erwarten sollte. Ich erlaube mir eine kleine Ab¬ schweifung, um doch Ein Beispiel, statt vieler, anschaulich zu machen, wie man selbst in dem gepriesenen, an öffentlichen Denkmalen so reichen Köln aus egoistischen Zwecken dem Volke die Gelegenheit der Bildung durch Kunstgenuß zu schmälern weiß. Aller Welt ist's be¬ kannt, daß sich in der Peterskapelle daselbst jenes berühmte Altar¬ blatt des Rubens — die Kreuzigung Petri — vorfindet. Nun hatten die Franzosen vor Zeiten das prächtige Bild in ihr Pariser Welt¬ museum entführt, und man sah sich damals genöthigt, eine mittel¬ mäßige Copie an dem verwaisten Platze aufzustellen. Als aber im Jahre 1813 das Original wieder heimgebracht wurde, nahm man die schülerhafte Nachbildung wohl sogleich herunter und rollte das Meisterwerk wieder auf für die Augen der andächtigen Künstler und Beter? Mit Nichten. Der heilige Petrus sollte nicht umsonst seine Kunstreise nach Paris gemacht haben, und man wußte in recht ar¬ tiger Weise Vortheil davon zu ziehen. Die Copie blieb, wo sie war, auf die Rückseite des Rahmens aber spannte man das Original, un wenn nun Jemand den echten Rubens sehen will, so hat er, lau eines Anschlages, einen halben Thaler in den Kirchenfond zu ent richten, und der Küster dreht ihm das Bild um — nicht wahr, da ist doch industrios? Also für einige Künstler und Kenner und fü ein Paar Dutzend reisende Engländer, die durch ihr Reisehandbu in die Kirche getrieben werden und für ihren guten halben Thale das Recht sich erkaufen, I.o-uitilül, vel? Il«ZcuuiüiI! zu rufen, hätt Rubens sein gewaltiges Bild gemalt? Nein, er malte es für da Volk, für die Schaaren der Andächtigen, die sich künstlerisch oder re ligiös an ihm erbauen sollten und jetzt vor der matten Copie sitzen an welcher wenig Erbauliches zu finden ist. — Es ist so ein schöne Zug des Katholicismus, daß er die Kunst in seine Tempel herabbe schworen hat und die Thüren der Gotteshäuser täglich für den geöff net hält, der in ihrer Beschauung Freude, Stärkung, Genuß finde
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[0651]
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gebildet haben, ohne daß es dem Ernste der Auffassung Abbruch thut.
Viel läßt sich hierdurch vorarbeiten im Interesse der Oeffentlichkeit über¬
haupt, so wie insbesondere eines allgemeinen ästhetischen Sinnes, ei¬
ner künstlerischen Erziehung des Volkes. Bei alledem aber arbeitet
man aufs Entschiedenste häufig von einer Seite entgegen, von wel¬
cher man's nicht erwarten sollte. Ich erlaube mir eine kleine Ab¬
schweifung, um doch Ein Beispiel, statt vieler, anschaulich zu machen,
wie man selbst in dem gepriesenen, an öffentlichen Denkmalen so
reichen Köln aus egoistischen Zwecken dem Volke die Gelegenheit der
Bildung durch Kunstgenuß zu schmälern weiß. Aller Welt ist's be¬
kannt, daß sich in der Peterskapelle daselbst jenes berühmte Altar¬
blatt des Rubens — die Kreuzigung Petri — vorfindet. Nun hatten
die Franzosen vor Zeiten das prächtige Bild in ihr Pariser Welt¬
museum entführt, und man sah sich damals genöthigt, eine mittel¬
mäßige Copie an dem verwaisten Platze aufzustellen. Als aber im
Jahre 1813 das Original wieder heimgebracht wurde, nahm man
die schülerhafte Nachbildung wohl sogleich herunter und rollte das
Meisterwerk wieder auf für die Augen der andächtigen Künstler und
Beter? Mit Nichten. Der heilige Petrus sollte nicht umsonst seine
Kunstreise nach Paris gemacht haben, und man wußte in recht ar¬
tiger Weise Vortheil davon zu ziehen. Die Copie blieb, wo sie war,
auf die Rückseite des Rahmens aber spannte man das Original, un
wenn nun Jemand den echten Rubens sehen will, so hat er, lau
eines Anschlages, einen halben Thaler in den Kirchenfond zu ent
richten, und der Küster dreht ihm das Bild um — nicht wahr, da
ist doch industrios? Also für einige Künstler und Kenner und fü
ein Paar Dutzend reisende Engländer, die durch ihr Reisehandbu
in die Kirche getrieben werden und für ihren guten halben Thale
das Recht sich erkaufen, I.o-uitilül, vel? Il«ZcuuiüiI! zu rufen, hätt
Rubens sein gewaltiges Bild gemalt? Nein, er malte es für da
Volk, für die Schaaren der Andächtigen, die sich künstlerisch oder re
ligiös an ihm erbauen sollten und jetzt vor der matten Copie sitzen
an welcher wenig Erbauliches zu finden ist. — Es ist so ein schöne
Zug des Katholicismus, daß er die Kunst in seine Tempel herabbe
schworen hat und die Thüren der Gotteshäuser täglich für den geöff
net hält, der in ihrer Beschauung Freude, Stärkung, Genuß finde
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Die Grenzboten. Jg. 3, 1844, I. Semester, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341546_179712/651>, abgerufen am 05.01.2025.
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