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Die Grenzboten. Jg. 3, 1844, I. Semester.

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tidal mit anderen sogenannten "ausländischen" Blättern ziemlich über¬
hebt durch den enormen Postausschlag, womit nicht sowohl jene Zei¬
tungen selbst, als ihre Tendenzen besteuert werden. Auf die Mannheimer
Abendzeitung abonnirt man in Mannheim mit vier Gulden
für den Jahrgang; in Köln, in demselben Köln, welches den deut¬
schen Einheitsdom in seine Mauern schließt, mit neun Thalern!
Als der Grundstein zum neuen Dombau gelegt wurde, hat man es
wahrscheinlich vergessen, ein solches ausländisches Neun-Thaler-Erem-
Vlar den übrigen Dokumenten zum Frommen der Nachwelt beizu-
schließen. -- Abgesehen übrigens von diesen blos äußerlichen, vielleicht
vorübergehenden Hemmungen dürften die preußischen Rheinlands, trotz
der.politischen Regsamkeit, die sich dort energisch genug im Volke
kund gibt, fin's Erste wohl wenig geeignet sein, eine recht vollkräf¬
tige nationale Journalistik zu Tage zu fördern, weil das religiöse
Element in schroffem Vortreten die Entfaltung des politischen gewal¬
tig beeinträchtigt. Die Kölnische Zeitung, als Hauptrepräsentantin
der Einen Seite, ist zu entschieden katholisch, um beim besten Willen
national sein zu können; ihr engeres Lesepublicum selbst nimmt es
in dieser Beziehung sehr genau und die Redaction hat mit vielen
störenden Rücksichten zu kämpfen. Die Elberfelder Zeitung hingegen,
welche man an die Spitze der protestantisch-pietistischen, also natürlich
konservativen Richtung stellen könnte, macht gar keinen Anspruch dar¬
auf, national zu sein, sie läßt sich's vielmehr recht gern daran genügen,
daß sie "echt Berlinisch" ist. Sie zählt auch manches Berliner Renommve
unter ihre Korrespondenten und Mitarbeiter, und mein journalisti¬
scher Scharfblick thut sich Etwas darauf zu Gute, den Herrn V. A. H.
gleich primit vise-l in diesem Blatte erkannt zu haben, an seinem
überaus originellen Style nämlich, den er in den Broschüren über
"die konservative Partei", über "die romantische Schule in Frankreich"
:c. so glänzend entfaltete, daß man ihn sein Leben lang gewiß nicht
wieder vergißt. Da der Herr Professor, von Gott und seinen Zu¬
hörern verlassen, nunmehr, wie man vernimmt, eine eigene Zeitschrift
zu begründen gedenkt, so nehmen wir uns die Freiheit, ihn auf ein
sehr passendes Thema zu einem einleitenden Artikel für besagtes Blatt
aufmerksam zu machen: "Warum schreiben fast alle ministeriellen Ber¬
liner von der Farbe des Herrn V. A. H. ein so überaus fließendes,


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tidal mit anderen sogenannten „ausländischen" Blättern ziemlich über¬
hebt durch den enormen Postausschlag, womit nicht sowohl jene Zei¬
tungen selbst, als ihre Tendenzen besteuert werden. Auf die Mannheimer
Abendzeitung abonnirt man in Mannheim mit vier Gulden
für den Jahrgang; in Köln, in demselben Köln, welches den deut¬
schen Einheitsdom in seine Mauern schließt, mit neun Thalern!
Als der Grundstein zum neuen Dombau gelegt wurde, hat man es
wahrscheinlich vergessen, ein solches ausländisches Neun-Thaler-Erem-
Vlar den übrigen Dokumenten zum Frommen der Nachwelt beizu-
schließen. — Abgesehen übrigens von diesen blos äußerlichen, vielleicht
vorübergehenden Hemmungen dürften die preußischen Rheinlands, trotz
der.politischen Regsamkeit, die sich dort energisch genug im Volke
kund gibt, fin's Erste wohl wenig geeignet sein, eine recht vollkräf¬
tige nationale Journalistik zu Tage zu fördern, weil das religiöse
Element in schroffem Vortreten die Entfaltung des politischen gewal¬
tig beeinträchtigt. Die Kölnische Zeitung, als Hauptrepräsentantin
der Einen Seite, ist zu entschieden katholisch, um beim besten Willen
national sein zu können; ihr engeres Lesepublicum selbst nimmt es
in dieser Beziehung sehr genau und die Redaction hat mit vielen
störenden Rücksichten zu kämpfen. Die Elberfelder Zeitung hingegen,
welche man an die Spitze der protestantisch-pietistischen, also natürlich
konservativen Richtung stellen könnte, macht gar keinen Anspruch dar¬
auf, national zu sein, sie läßt sich's vielmehr recht gern daran genügen,
daß sie „echt Berlinisch" ist. Sie zählt auch manches Berliner Renommve
unter ihre Korrespondenten und Mitarbeiter, und mein journalisti¬
scher Scharfblick thut sich Etwas darauf zu Gute, den Herrn V. A. H.
gleich primit vise-l in diesem Blatte erkannt zu haben, an seinem
überaus originellen Style nämlich, den er in den Broschüren über
„die konservative Partei", über „die romantische Schule in Frankreich"
:c. so glänzend entfaltete, daß man ihn sein Leben lang gewiß nicht
wieder vergißt. Da der Herr Professor, von Gott und seinen Zu¬
hörern verlassen, nunmehr, wie man vernimmt, eine eigene Zeitschrift
zu begründen gedenkt, so nehmen wir uns die Freiheit, ihn auf ein
sehr passendes Thema zu einem einleitenden Artikel für besagtes Blatt
aufmerksam zu machen: „Warum schreiben fast alle ministeriellen Ber¬
liner von der Farbe des Herrn V. A. H. ein so überaus fließendes,


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[0647] tidal mit anderen sogenannten „ausländischen" Blättern ziemlich über¬ hebt durch den enormen Postausschlag, womit nicht sowohl jene Zei¬ tungen selbst, als ihre Tendenzen besteuert werden. Auf die Mannheimer Abendzeitung abonnirt man in Mannheim mit vier Gulden für den Jahrgang; in Köln, in demselben Köln, welches den deut¬ schen Einheitsdom in seine Mauern schließt, mit neun Thalern! Als der Grundstein zum neuen Dombau gelegt wurde, hat man es wahrscheinlich vergessen, ein solches ausländisches Neun-Thaler-Erem- Vlar den übrigen Dokumenten zum Frommen der Nachwelt beizu- schließen. — Abgesehen übrigens von diesen blos äußerlichen, vielleicht vorübergehenden Hemmungen dürften die preußischen Rheinlands, trotz der.politischen Regsamkeit, die sich dort energisch genug im Volke kund gibt, fin's Erste wohl wenig geeignet sein, eine recht vollkräf¬ tige nationale Journalistik zu Tage zu fördern, weil das religiöse Element in schroffem Vortreten die Entfaltung des politischen gewal¬ tig beeinträchtigt. Die Kölnische Zeitung, als Hauptrepräsentantin der Einen Seite, ist zu entschieden katholisch, um beim besten Willen national sein zu können; ihr engeres Lesepublicum selbst nimmt es in dieser Beziehung sehr genau und die Redaction hat mit vielen störenden Rücksichten zu kämpfen. Die Elberfelder Zeitung hingegen, welche man an die Spitze der protestantisch-pietistischen, also natürlich konservativen Richtung stellen könnte, macht gar keinen Anspruch dar¬ auf, national zu sein, sie läßt sich's vielmehr recht gern daran genügen, daß sie „echt Berlinisch" ist. Sie zählt auch manches Berliner Renommve unter ihre Korrespondenten und Mitarbeiter, und mein journalisti¬ scher Scharfblick thut sich Etwas darauf zu Gute, den Herrn V. A. H. gleich primit vise-l in diesem Blatte erkannt zu haben, an seinem überaus originellen Style nämlich, den er in den Broschüren über „die konservative Partei", über „die romantische Schule in Frankreich" :c. so glänzend entfaltete, daß man ihn sein Leben lang gewiß nicht wieder vergißt. Da der Herr Professor, von Gott und seinen Zu¬ hörern verlassen, nunmehr, wie man vernimmt, eine eigene Zeitschrift zu begründen gedenkt, so nehmen wir uns die Freiheit, ihn auf ein sehr passendes Thema zu einem einleitenden Artikel für besagtes Blatt aufmerksam zu machen: „Warum schreiben fast alle ministeriellen Ber¬ liner von der Farbe des Herrn V. A. H. ein so überaus fließendes, 83-«-

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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 3, 1844, I. Semester, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341546_179712/647>, abgerufen am 29.06.2024.