ßische Journalistik leidet ganz unglaublich unter dem neuen Preßge- >etze, sie wird weit härter von ihm gedrückt, als man gemeinhin glaubt. Gar wohl scheint man in Berlin überlegt zu haben, wie mächtig unser aufstrebendes Zeitungswesen das Volk antreibt, in That und Gesinnung Theil zu nehmen am öffentlichen Leben, es vor¬ bildet zu würdigem, selbstbewußten: Staatöbürgerthum statt eines be¬ wußtlos dahin vegetirenden Untcrthancnwesens; wie es vor Allem das Gold neuer Ideen, welches sonst blos in den Truhen der wis¬ senschaftlichen und politischen Großmoguls ruhen würde, in Scheide¬ münze umsetzt und unter die Leute zu bringen weiß. Vielen Herren behagt dieses Treiben nun eben nicht sonderlich, und jener Paragraph des Preßgesetzcs, welcher nur eine ernste, bescheidene und möglichst gleichmäßig erschöpfende Besprechung öffentlicher Angelegenheiten ge¬ stattet, vermag in der That -- so unschuldig er lautet -- unter Um¬ ständen aller Journalistik den Todesstoß zu geben; denn er greift sie in ihrem innersten Wesen an,, er verbietet ihr jenes Flüchtige, Beweg¬ liche, Drastische, oft mit vollem Rechte auch Einseitige, was ge¬ rade die Zeitung vom Buche unterscheidet. Sie soll eben nicht in erschöpfenden, breitem, wissenschaftlichem Ernste ihr Thema behandeln; blos andeuten soll sie's, anregen, auf Einen Punkt sich werfen, ihn in grellen Schlaglichtern beleuchtet hervorheben, mit allen Waffen des Humors, der Ironie ihren Satz vertheidigen; denn sie ist blos auf den Moment berechnet, drum kann sie aber auch, weiß sie sich seiner zu bemächtigen, mit der vollen Blitzesgewalt des Momentes zünden. Jeder, der für preußische Journale arbeitet, wird gestehen, daß man sich hier beengter fühlt durch das neue Preßgcsctz, als durch die volle Strenge der alten Censur. Von der anderen Seite ist da¬ gegen die gedrückte Stellung der preußischen periodischen Presse heil¬ sam für die dortigen Blätter. Die Kölnische Zeitung hat z. B. sehr viele Abonnenten--Embonpoint; -- würde man sie ruhig und un¬ angefochten gewähren lassen, so dürste sie leicht zu fett und träge werden. Die Nachtigallen singen nur, so lange sie lieben, die Poeten, so lange sie hungern, und die Zeitungen sind in der Regel voll hei¬ ligen Eifers, so lange sie mit Concurrenz oder Censur zu kämpfen haben. -- Preußen fügt seiner Journalistik aber dadurch einen gro¬ ßen Schaden zu, daß es sie der eben als heilsam bezeichneten Riva-
ßische Journalistik leidet ganz unglaublich unter dem neuen Preßge- >etze, sie wird weit härter von ihm gedrückt, als man gemeinhin glaubt. Gar wohl scheint man in Berlin überlegt zu haben, wie mächtig unser aufstrebendes Zeitungswesen das Volk antreibt, in That und Gesinnung Theil zu nehmen am öffentlichen Leben, es vor¬ bildet zu würdigem, selbstbewußten: Staatöbürgerthum statt eines be¬ wußtlos dahin vegetirenden Untcrthancnwesens; wie es vor Allem das Gold neuer Ideen, welches sonst blos in den Truhen der wis¬ senschaftlichen und politischen Großmoguls ruhen würde, in Scheide¬ münze umsetzt und unter die Leute zu bringen weiß. Vielen Herren behagt dieses Treiben nun eben nicht sonderlich, und jener Paragraph des Preßgesetzcs, welcher nur eine ernste, bescheidene und möglichst gleichmäßig erschöpfende Besprechung öffentlicher Angelegenheiten ge¬ stattet, vermag in der That — so unschuldig er lautet — unter Um¬ ständen aller Journalistik den Todesstoß zu geben; denn er greift sie in ihrem innersten Wesen an,, er verbietet ihr jenes Flüchtige, Beweg¬ liche, Drastische, oft mit vollem Rechte auch Einseitige, was ge¬ rade die Zeitung vom Buche unterscheidet. Sie soll eben nicht in erschöpfenden, breitem, wissenschaftlichem Ernste ihr Thema behandeln; blos andeuten soll sie's, anregen, auf Einen Punkt sich werfen, ihn in grellen Schlaglichtern beleuchtet hervorheben, mit allen Waffen des Humors, der Ironie ihren Satz vertheidigen; denn sie ist blos auf den Moment berechnet, drum kann sie aber auch, weiß sie sich seiner zu bemächtigen, mit der vollen Blitzesgewalt des Momentes zünden. Jeder, der für preußische Journale arbeitet, wird gestehen, daß man sich hier beengter fühlt durch das neue Preßgcsctz, als durch die volle Strenge der alten Censur. Von der anderen Seite ist da¬ gegen die gedrückte Stellung der preußischen periodischen Presse heil¬ sam für die dortigen Blätter. Die Kölnische Zeitung hat z. B. sehr viele Abonnenten—Embonpoint; — würde man sie ruhig und un¬ angefochten gewähren lassen, so dürste sie leicht zu fett und träge werden. Die Nachtigallen singen nur, so lange sie lieben, die Poeten, so lange sie hungern, und die Zeitungen sind in der Regel voll hei¬ ligen Eifers, so lange sie mit Concurrenz oder Censur zu kämpfen haben. — Preußen fügt seiner Journalistik aber dadurch einen gro¬ ßen Schaden zu, daß es sie der eben als heilsam bezeichneten Riva-
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ßische Journalistik leidet ganz unglaublich unter dem neuen Preßge-
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mächtig unser aufstrebendes Zeitungswesen das Volk antreibt, in That
und Gesinnung Theil zu nehmen am öffentlichen Leben, es vor¬
bildet zu würdigem, selbstbewußten: Staatöbürgerthum statt eines be¬
wußtlos dahin vegetirenden Untcrthancnwesens; wie es vor Allem
das Gold neuer Ideen, welches sonst blos in den Truhen der wis¬
senschaftlichen und politischen Großmoguls ruhen würde, in Scheide¬
münze umsetzt und unter die Leute zu bringen weiß. Vielen Herren
behagt dieses Treiben nun eben nicht sonderlich, und jener Paragraph
des Preßgesetzcs, welcher nur eine ernste, bescheidene und möglichst
gleichmäßig erschöpfende Besprechung öffentlicher Angelegenheiten ge¬
stattet, vermag in der That — so unschuldig er lautet — unter Um¬
ständen aller Journalistik den Todesstoß zu geben; denn er greift sie
in ihrem innersten Wesen an,, er verbietet ihr jenes Flüchtige, Beweg¬
liche, Drastische, oft mit vollem Rechte auch Einseitige, was ge¬
rade die Zeitung vom Buche unterscheidet. Sie soll eben nicht in
erschöpfenden, breitem, wissenschaftlichem Ernste ihr Thema behandeln;
blos andeuten soll sie's, anregen, auf Einen Punkt sich werfen, ihn
in grellen Schlaglichtern beleuchtet hervorheben, mit allen Waffen des
Humors, der Ironie ihren Satz vertheidigen; denn sie ist blos auf
den Moment berechnet, drum kann sie aber auch, weiß sie sich
seiner zu bemächtigen, mit der vollen Blitzesgewalt des Momentes
zünden. Jeder, der für preußische Journale arbeitet, wird gestehen,
daß man sich hier beengter fühlt durch das neue Preßgcsctz, als durch
die volle Strenge der alten Censur. Von der anderen Seite ist da¬
gegen die gedrückte Stellung der preußischen periodischen Presse heil¬
sam für die dortigen Blätter. Die Kölnische Zeitung hat z. B. sehr
viele Abonnenten—Embonpoint; — würde man sie ruhig und un¬
angefochten gewähren lassen, so dürste sie leicht zu fett und träge
werden. Die Nachtigallen singen nur, so lange sie lieben, die Poeten,
so lange sie hungern, und die Zeitungen sind in der Regel voll hei¬
ligen Eifers, so lange sie mit Concurrenz oder Censur zu kämpfen
haben. — Preußen fügt seiner Journalistik aber dadurch einen gro¬
ßen Schaden zu, daß es sie der eben als heilsam bezeichneten Riva-
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Die Grenzboten. Jg. 3, 1844, I. Semester, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341546_179712/646>, abgerufen am 29.06.2024.
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