Anmelden (DTAQ) DWDS     dlexDB     CLARIN-D

Die Grenzboten. Jg. 3, 1844, I. Semester.

Bild:
<< vorherige Seite

keine sanguinische Hoffnung, wenn wir von dem Verfasser des Mo-
naloeschi noch ein reiches und glückliches Repertoir für die deutsche
Bühne erwarten. (Wir dringen in Heft 20. eine ausführliche Wür¬
digung des Struensee aus der Feder Sigmund Schott's in Stuttgart.)

-- "Ein guter Deutscher" in der Augsburger Allge¬
meinen Zeitung erzählt von der russischen Akademie der Wissen¬
schaften. Es ist aber natürlich weniger von Wissenschaften, als von
Politik (respective Polizei) die Rede. "Der gute Deutsche" warnt die
Presse vor den leichtsinnigen Plänkeleien gegen Rußland in einem
Tone, der einen gar brünstigen Respect vor der nordischen Macht ver¬
räth. Er vergleicht sinnreich genug den Moscowiter, in seinem Ver¬
hältniß zu uns, mit einem dicken Nachbar auf der Eilpost, vor
dem man sich klüglich in die Ecke schmiegen muß, da er durch unsere
Klagen und Beschwerden doch nicht dünner werde! -- Bis zu solchem
Cynismus, -- im buchstäblichsten Sinne des Wortes genommen --
kann ein gesinnungsloser "guter Deutscher" herabsinken. ,,^!ii'<:ni"-
xm'co!" ruft er. "Man soll keinen Feind gering achten." Ganz Recht,
aber die deutschen Plänkler achten Rußland durchaus nicht gering;
vielmehr weisen sie stets darauf hin, daß Deutschland weder so poli¬
tisch klug, noch so eifrig für seine Interessen "circumspicire" wie Ru߬
land; und wir glauben, daß z. B. kein russischer Professor in einer
Petersburger Allgemeinen Zeitung sein Vaterland so einzuschüchtern
wagen dürfte, wie der deutsche Professor in der Augsburger. Wir
sollen aber nicht nur Nußland nicht gering, sondern als unseren Freund
achten, meint der "gute Deutsche" und uns hüten, sein Wohlwollen
durch fortwährende Theilnahme für polnische Grenzjudcn, Deserteurs
und kaukasisches Raubgesindel zu verscherzen. Wohlwollen? Natür¬
lich. Wir sollen die "Dankbarkeit" anerkennen, mit der Rußland
unsere schönen wissenschaftlichen Bestrebungen -- benützt und unsere
Bildung in sich -- aufnimmt. Triumphirend zahlt der Mann sechs¬
undzwanzig Namen von Deutschen auf, die als Mitglieder in der
russischen Akademie der Wissenschaften sitzen. Ware der Mann kein
Gelehrter, so würden wir ihm erzählen, wie viel griechische Bildung
und Wissenschaft die alten Römer als "Freunde" Griechenlands in
sich aufgenommen. So aber wollen wir nur bemerken, daß unsere
Dankbarkeit für die russische Anerkennung eigentlich noch viel weiter
gehen müßte. Denn Nußland hat mehr als diesen sechsundzwanzig
Deutschen Anstellungen gegeben; wie viele sind als Diplomaten, Cen¬
soren, Polizeibeamte, ja sogar als Spione von ihm angestellt! Und
wie viel Deutsche würden russische Anstellungen erhalten, -- wenn
nur Deutschland russisch wäre. Wir wissen, die Augsburger ist
keine deutsche Zeitung, sondern eine Allgemeine; sie hat das Recht,
Eulen und Lerchen, Adler und Löwen, Schlangen und Hunde durch


keine sanguinische Hoffnung, wenn wir von dem Verfasser des Mo-
naloeschi noch ein reiches und glückliches Repertoir für die deutsche
Bühne erwarten. (Wir dringen in Heft 20. eine ausführliche Wür¬
digung des Struensee aus der Feder Sigmund Schott's in Stuttgart.)

— „Ein guter Deutscher" in der Augsburger Allge¬
meinen Zeitung erzählt von der russischen Akademie der Wissen¬
schaften. Es ist aber natürlich weniger von Wissenschaften, als von
Politik (respective Polizei) die Rede. „Der gute Deutsche" warnt die
Presse vor den leichtsinnigen Plänkeleien gegen Rußland in einem
Tone, der einen gar brünstigen Respect vor der nordischen Macht ver¬
räth. Er vergleicht sinnreich genug den Moscowiter, in seinem Ver¬
hältniß zu uns, mit einem dicken Nachbar auf der Eilpost, vor
dem man sich klüglich in die Ecke schmiegen muß, da er durch unsere
Klagen und Beschwerden doch nicht dünner werde! — Bis zu solchem
Cynismus, — im buchstäblichsten Sinne des Wortes genommen —
kann ein gesinnungsloser „guter Deutscher" herabsinken. ,,^!ii'<:ni»-
xm'co!" ruft er. „Man soll keinen Feind gering achten." Ganz Recht,
aber die deutschen Plänkler achten Rußland durchaus nicht gering;
vielmehr weisen sie stets darauf hin, daß Deutschland weder so poli¬
tisch klug, noch so eifrig für seine Interessen „circumspicire" wie Ru߬
land; und wir glauben, daß z. B. kein russischer Professor in einer
Petersburger Allgemeinen Zeitung sein Vaterland so einzuschüchtern
wagen dürfte, wie der deutsche Professor in der Augsburger. Wir
sollen aber nicht nur Nußland nicht gering, sondern als unseren Freund
achten, meint der „gute Deutsche" und uns hüten, sein Wohlwollen
durch fortwährende Theilnahme für polnische Grenzjudcn, Deserteurs
und kaukasisches Raubgesindel zu verscherzen. Wohlwollen? Natür¬
lich. Wir sollen die „Dankbarkeit" anerkennen, mit der Rußland
unsere schönen wissenschaftlichen Bestrebungen — benützt und unsere
Bildung in sich — aufnimmt. Triumphirend zahlt der Mann sechs¬
undzwanzig Namen von Deutschen auf, die als Mitglieder in der
russischen Akademie der Wissenschaften sitzen. Ware der Mann kein
Gelehrter, so würden wir ihm erzählen, wie viel griechische Bildung
und Wissenschaft die alten Römer als „Freunde" Griechenlands in
sich aufgenommen. So aber wollen wir nur bemerken, daß unsere
Dankbarkeit für die russische Anerkennung eigentlich noch viel weiter
gehen müßte. Denn Nußland hat mehr als diesen sechsundzwanzig
Deutschen Anstellungen gegeben; wie viele sind als Diplomaten, Cen¬
soren, Polizeibeamte, ja sogar als Spione von ihm angestellt! Und
wie viel Deutsche würden russische Anstellungen erhalten, — wenn
nur Deutschland russisch wäre. Wir wissen, die Augsburger ist
keine deutsche Zeitung, sondern eine Allgemeine; sie hat das Recht,
Eulen und Lerchen, Adler und Löwen, Schlangen und Hunde durch


<TEI>
  <text>
    <body>
      <div>
        <div n="1">
          <div n="2">
            <pb facs="#f0611" corresp="http://brema.suub.uni-bremen.de/grenzboten/periodical/pageview/180324"/>
            <p xml:id="ID_1605" prev="#ID_1604"> keine sanguinische Hoffnung, wenn wir von dem Verfasser des Mo-<lb/>
naloeschi noch ein reiches und glückliches Repertoir für die deutsche<lb/>
Bühne erwarten. (Wir dringen in Heft 20. eine ausführliche Wür¬<lb/>
digung des Struensee aus der Feder Sigmund Schott's in Stuttgart.)</p><lb/>
            <p xml:id="ID_1606" next="#ID_1607"> &#x2014; &#x201E;Ein guter Deutscher" in der Augsburger Allge¬<lb/>
meinen Zeitung erzählt von der russischen Akademie der Wissen¬<lb/>
schaften. Es ist aber natürlich weniger von Wissenschaften, als von<lb/>
Politik (respective Polizei) die Rede. &#x201E;Der gute Deutsche" warnt die<lb/>
Presse vor den leichtsinnigen Plänkeleien gegen Rußland in einem<lb/>
Tone, der einen gar brünstigen Respect vor der nordischen Macht ver¬<lb/>
räth. Er vergleicht sinnreich genug den Moscowiter, in seinem Ver¬<lb/>
hältniß zu uns, mit einem dicken Nachbar auf der Eilpost, vor<lb/>
dem man sich klüglich in die Ecke schmiegen muß, da er durch unsere<lb/>
Klagen und Beschwerden doch nicht dünner werde! &#x2014; Bis zu solchem<lb/>
Cynismus, &#x2014; im buchstäblichsten Sinne des Wortes genommen &#x2014;<lb/>
kann ein gesinnungsloser &#x201E;guter Deutscher" herabsinken. ,,^!ii'&lt;:ni»-<lb/>
xm'co!" ruft er. &#x201E;Man soll keinen Feind gering achten." Ganz Recht,<lb/>
aber die deutschen Plänkler achten Rußland durchaus nicht gering;<lb/>
vielmehr weisen sie stets darauf hin, daß Deutschland weder so poli¬<lb/>
tisch klug, noch so eifrig für seine Interessen &#x201E;circumspicire" wie Ru߬<lb/>
land; und wir glauben, daß z. B. kein russischer Professor in einer<lb/>
Petersburger Allgemeinen Zeitung sein Vaterland so einzuschüchtern<lb/>
wagen dürfte, wie der deutsche Professor in der Augsburger. Wir<lb/>
sollen aber nicht nur Nußland nicht gering, sondern als unseren Freund<lb/>
achten, meint der &#x201E;gute Deutsche" und uns hüten, sein Wohlwollen<lb/>
durch fortwährende Theilnahme für polnische Grenzjudcn, Deserteurs<lb/>
und kaukasisches Raubgesindel zu verscherzen. Wohlwollen? Natür¬<lb/>
lich. Wir sollen die &#x201E;Dankbarkeit" anerkennen, mit der Rußland<lb/>
unsere schönen wissenschaftlichen Bestrebungen &#x2014; benützt und unsere<lb/>
Bildung in sich &#x2014; aufnimmt. Triumphirend zahlt der Mann sechs¬<lb/>
undzwanzig Namen von Deutschen auf, die als Mitglieder in der<lb/>
russischen Akademie der Wissenschaften sitzen. Ware der Mann kein<lb/>
Gelehrter, so würden wir ihm erzählen, wie viel griechische Bildung<lb/>
und Wissenschaft die alten Römer als &#x201E;Freunde" Griechenlands in<lb/>
sich aufgenommen. So aber wollen wir nur bemerken, daß unsere<lb/>
Dankbarkeit für die russische Anerkennung eigentlich noch viel weiter<lb/>
gehen müßte. Denn Nußland hat mehr als diesen sechsundzwanzig<lb/>
Deutschen Anstellungen gegeben; wie viele sind als Diplomaten, Cen¬<lb/>
soren, Polizeibeamte, ja sogar als Spione von ihm angestellt! Und<lb/>
wie viel Deutsche würden russische Anstellungen erhalten, &#x2014; wenn<lb/>
nur Deutschland russisch wäre. Wir wissen, die Augsburger ist<lb/>
keine deutsche Zeitung, sondern eine Allgemeine; sie hat das Recht,<lb/>
Eulen und Lerchen, Adler und Löwen, Schlangen und Hunde durch</p><lb/>
          </div>
        </div>
      </div>
    </body>
  </text>
</TEI>
[0611] keine sanguinische Hoffnung, wenn wir von dem Verfasser des Mo- naloeschi noch ein reiches und glückliches Repertoir für die deutsche Bühne erwarten. (Wir dringen in Heft 20. eine ausführliche Wür¬ digung des Struensee aus der Feder Sigmund Schott's in Stuttgart.) — „Ein guter Deutscher" in der Augsburger Allge¬ meinen Zeitung erzählt von der russischen Akademie der Wissen¬ schaften. Es ist aber natürlich weniger von Wissenschaften, als von Politik (respective Polizei) die Rede. „Der gute Deutsche" warnt die Presse vor den leichtsinnigen Plänkeleien gegen Rußland in einem Tone, der einen gar brünstigen Respect vor der nordischen Macht ver¬ räth. Er vergleicht sinnreich genug den Moscowiter, in seinem Ver¬ hältniß zu uns, mit einem dicken Nachbar auf der Eilpost, vor dem man sich klüglich in die Ecke schmiegen muß, da er durch unsere Klagen und Beschwerden doch nicht dünner werde! — Bis zu solchem Cynismus, — im buchstäblichsten Sinne des Wortes genommen — kann ein gesinnungsloser „guter Deutscher" herabsinken. ,,^!ii'<:ni»- xm'co!" ruft er. „Man soll keinen Feind gering achten." Ganz Recht, aber die deutschen Plänkler achten Rußland durchaus nicht gering; vielmehr weisen sie stets darauf hin, daß Deutschland weder so poli¬ tisch klug, noch so eifrig für seine Interessen „circumspicire" wie Ru߬ land; und wir glauben, daß z. B. kein russischer Professor in einer Petersburger Allgemeinen Zeitung sein Vaterland so einzuschüchtern wagen dürfte, wie der deutsche Professor in der Augsburger. Wir sollen aber nicht nur Nußland nicht gering, sondern als unseren Freund achten, meint der „gute Deutsche" und uns hüten, sein Wohlwollen durch fortwährende Theilnahme für polnische Grenzjudcn, Deserteurs und kaukasisches Raubgesindel zu verscherzen. Wohlwollen? Natür¬ lich. Wir sollen die „Dankbarkeit" anerkennen, mit der Rußland unsere schönen wissenschaftlichen Bestrebungen — benützt und unsere Bildung in sich — aufnimmt. Triumphirend zahlt der Mann sechs¬ undzwanzig Namen von Deutschen auf, die als Mitglieder in der russischen Akademie der Wissenschaften sitzen. Ware der Mann kein Gelehrter, so würden wir ihm erzählen, wie viel griechische Bildung und Wissenschaft die alten Römer als „Freunde" Griechenlands in sich aufgenommen. So aber wollen wir nur bemerken, daß unsere Dankbarkeit für die russische Anerkennung eigentlich noch viel weiter gehen müßte. Denn Nußland hat mehr als diesen sechsundzwanzig Deutschen Anstellungen gegeben; wie viele sind als Diplomaten, Cen¬ soren, Polizeibeamte, ja sogar als Spione von ihm angestellt! Und wie viel Deutsche würden russische Anstellungen erhalten, — wenn nur Deutschland russisch wäre. Wir wissen, die Augsburger ist keine deutsche Zeitung, sondern eine Allgemeine; sie hat das Recht, Eulen und Lerchen, Adler und Löwen, Schlangen und Hunde durch

Informationen zum Werk

Download dieses Werks

XML (TEI P5) · HTML · Text
TCF (text annotation layer)

Metadaten zum Werk

TEI-Header · CMDI · Dublin Core

Ansichten dieser Seite

Feedback

Sie haben einen Fehler gefunden? Dann können Sie diesen über unsere Qualitätssicherungsplattform DTAQ melden.

Kommentar zur DTA-Ausgabe

Dieses Werk wurde im Rahmen des Moduls DTA-Erweiterungen (DTAE) digitalisiert. Weitere Informationen …

Staats- und Universitätsbibliothek (SuUB) Bremen: Bereitstellung der Texttranskription.
Kay-Michael Würzner: Bearbeitung der digitalen Edition.

Weitere Informationen:

Verfahren der Texterfassung: OCR mit Nachkorrektur.

Bogensignaturen: gekennzeichnet;Druckfehler: ignoriert;fremdsprachliches Material: nicht gekennzeichnet;Geminations-/Abkürzungsstriche: wie Vorlage;Hervorhebungen (Antiqua, Sperrschrift, Kursive etc.): nicht ausgezeichnet;i/j in Fraktur: wie Vorlage;I/J in Fraktur: wie Vorlage;Kolumnentitel: gekennzeichnet;Kustoden: gekennzeichnet;langes s (ſ): als s transkribiert;Normalisierungen: stillschweigend;rundes r (&#xa75b;): als r/et transkribiert;Seitenumbrüche markiert: ja;Silbentrennung: wie Vorlage;u/v bzw. U/V: wie Vorlage;Vokale mit übergest. e: als ä/ö/ü transkribiert;Vollständigkeit: vollständig erfasst;Zeichensetzung: wie Vorlage;Zeilenumbrüche markiert: ja;

Nachkorrektur erfolgte automatisch.




Ansicht auf Standard zurückstellen

URL zu diesem Werk: https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341546_179712
URL zu dieser Seite: https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341546_179712/611
Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 3, 1844, I. Semester, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341546_179712/611>, abgerufen am 22.12.2024.