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Die Grenzboten. Jg. 3, 1844, I. Semester.

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mich seinen wohlverdienten Epauletten und wird sich fortwährend be¬
müht haben, Gerechtigkeit zu erlangen, Paul und Alexander waren
beide gerechtigkeitsliebend, Nikolaus regiert bereits seit 1^5; die rus¬
sischen Gouvernements sind keine Satrapien, wenn wir den Herren
Gretsch, Grimm !c. glauben wollen, es fehlt dort nicht an rechtlichen
Beamten, die einen so schreienden Fall berichten konnten -- warum
erhielt der Mann so späte Genugthuung? -- Möchten doch die Her¬
ren Gretsch, Grimm, und wie sie alle heißen, etwas dagegen schreibe".

-- Es bestätigt sich, daß Laube mit seinem neuen Drama,-
"Struensee" einen sehr glücklichen Wurf gethan hat. Nicht nur, daß
die Aufführung in Stuttgart ganz entschieden günstig ausfiel, sondern
von allen Seiten, wohin Laube sein Stück zur Darstellung versendet
hat, hört man von Direktoren und Schauspielern vortheilhafte Ur¬
theile über die Charakteristik und Scenerie desselben. So wäre denn
Laube's schönes Talent für die Bühne gerettet und die Unglückspro-
phetcn, die nach dem Schicksal der Bernsteinhexe gleich über die ganze
Zukunft des Autors schadenfroh und mißgünstig aburtheilten, werden
zum Schweigen gebracht. Die Bernsteinhexe war eine gute Lection
für Laube, der oft mit allzu leichtem Muthe an seine Stoffe geht.
Es liegt in mancher Laube'schen Eomposition eine Sorglosigkeit, die
oft seine Virtuosität in der Ausführung zu Schanden macht. Ich sah
ein Mal den Grafen sartor, den bekannten virtuosen Reiter mit
seinem Pferde in einen kleinen Donaukahn hineinreiten, der kaum
vier Menschen fassen konnte. Die Freunde am Ufer lachten über das son¬
derbare Wagstück und prophezeihten ihm, daß er es nicht durchsetzen
würde. Der kecke sorglose Reiter hörte nicht auf sie und richtig über-
purzelte der Kahn und er stürzte mit seiner Bestie in's Wasser, wor¬
auf Graf sartor sein Pferd beim Zügel faßte und selber lachend mit
ihm wieder an's Ufer schwamm. Laube wußte, als er an die Bernstein¬
hexe, mit ihrem freischützartigen Schluß und criminalgeschichtlichen
Inhalt ging, daß er ein Wagstück unternehme. Die Freunde riechen
ihm ab -- aber sorglos und leichtmüthig wollte er es doch versuchen
und plumpte richtig in's Wasser. Aber er ist in dem kalten Bade
nicht ertrunken, sondern hat sich schnell abgeschüttelt und sitzt nun
rüstig zu Pferde, als wäre Nichts vorgefallen. Diese Rüstigkeit, die¬
ses schnelle Ausfüllen der Bresche ist das Kennzeichen des echten,
gesunden Talentes. Bei der Bühne zumal ist der Dichter, der
nach einem ungünstigen Angriff sich zurückschrecken und die Hände in
den Schooß sinken lassen wollte, bald verloren. Die Bühnendichter,
welche in der neuesten Zeit die meisten Erfolge gehabt haben, sind in
ihrer ersten Periode oft genug ausgezischt worden. Scribe's und Rau-
pach's erste Stücke sind eclatant durchgefallen. So schlimm aber ist
es Laube's Bernsteinhexe nicht einmal ergangen, und es ist sicherlich


mich seinen wohlverdienten Epauletten und wird sich fortwährend be¬
müht haben, Gerechtigkeit zu erlangen, Paul und Alexander waren
beide gerechtigkeitsliebend, Nikolaus regiert bereits seit 1^5; die rus¬
sischen Gouvernements sind keine Satrapien, wenn wir den Herren
Gretsch, Grimm !c. glauben wollen, es fehlt dort nicht an rechtlichen
Beamten, die einen so schreienden Fall berichten konnten — warum
erhielt der Mann so späte Genugthuung? — Möchten doch die Her¬
ren Gretsch, Grimm, und wie sie alle heißen, etwas dagegen schreibe».

— Es bestätigt sich, daß Laube mit seinem neuen Drama,-
„Struensee" einen sehr glücklichen Wurf gethan hat. Nicht nur, daß
die Aufführung in Stuttgart ganz entschieden günstig ausfiel, sondern
von allen Seiten, wohin Laube sein Stück zur Darstellung versendet
hat, hört man von Direktoren und Schauspielern vortheilhafte Ur¬
theile über die Charakteristik und Scenerie desselben. So wäre denn
Laube's schönes Talent für die Bühne gerettet und die Unglückspro-
phetcn, die nach dem Schicksal der Bernsteinhexe gleich über die ganze
Zukunft des Autors schadenfroh und mißgünstig aburtheilten, werden
zum Schweigen gebracht. Die Bernsteinhexe war eine gute Lection
für Laube, der oft mit allzu leichtem Muthe an seine Stoffe geht.
Es liegt in mancher Laube'schen Eomposition eine Sorglosigkeit, die
oft seine Virtuosität in der Ausführung zu Schanden macht. Ich sah
ein Mal den Grafen sartor, den bekannten virtuosen Reiter mit
seinem Pferde in einen kleinen Donaukahn hineinreiten, der kaum
vier Menschen fassen konnte. Die Freunde am Ufer lachten über das son¬
derbare Wagstück und prophezeihten ihm, daß er es nicht durchsetzen
würde. Der kecke sorglose Reiter hörte nicht auf sie und richtig über-
purzelte der Kahn und er stürzte mit seiner Bestie in's Wasser, wor¬
auf Graf sartor sein Pferd beim Zügel faßte und selber lachend mit
ihm wieder an's Ufer schwamm. Laube wußte, als er an die Bernstein¬
hexe, mit ihrem freischützartigen Schluß und criminalgeschichtlichen
Inhalt ging, daß er ein Wagstück unternehme. Die Freunde riechen
ihm ab — aber sorglos und leichtmüthig wollte er es doch versuchen
und plumpte richtig in's Wasser. Aber er ist in dem kalten Bade
nicht ertrunken, sondern hat sich schnell abgeschüttelt und sitzt nun
rüstig zu Pferde, als wäre Nichts vorgefallen. Diese Rüstigkeit, die¬
ses schnelle Ausfüllen der Bresche ist das Kennzeichen des echten,
gesunden Talentes. Bei der Bühne zumal ist der Dichter, der
nach einem ungünstigen Angriff sich zurückschrecken und die Hände in
den Schooß sinken lassen wollte, bald verloren. Die Bühnendichter,
welche in der neuesten Zeit die meisten Erfolge gehabt haben, sind in
ihrer ersten Periode oft genug ausgezischt worden. Scribe's und Rau-
pach's erste Stücke sind eclatant durchgefallen. So schlimm aber ist
es Laube's Bernsteinhexe nicht einmal ergangen, und es ist sicherlich


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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 3, 1844, I. Semester, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341546_179712/610>, abgerufen am 29.06.2024.