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Die Grenzboten. Jg. 3, 1844, I. Semester.

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Berlin und Paris. -- Sprcchscligkeir. -- Credit und Religion. -- Priester
und Industrie!. -- Schöne Welt. -- Dönng und Crelinger. -- Meyerbeer,
Mendelssohn, Hiller. -- Karl Beck.

Man spriÄ)t seit vierzehn Tagen von einem vollständigen Mini-
fterwcchsel und es circuliren im Publicum die verschiedensten Combi¬
nationen, wobei heute ganz andere Namen genannt werden, als gestern
und morgen wieder andere, als heute -- ganz ü I" it^is. So schwin¬
den mit jedem Tage auch noch die kleinen, geringfügigen Unterschiede,
welche die Hauptstadt Frankreichs von der Hauptstadt Preußens
trennen, und der Tag ist schon vor der Thüre, wo man beim Er¬
wachen nicht mehr wissen wird, ob dies die Spree oder die Seine
ist. Der philosophische Berliner, der Alles mit "Bewußtsein jenießt",
freut sich selbstbewußt dieses gewaltigen Fortschritts seiner großstädti¬
schen Herrlichkeit. -- Sehen Sie einmal, sagte ein hiesiger Zeitungs-
correspondent vor einigen Tagen zu mir: "Es ist nicht zu läugnen,
unsere Entwicklung ist ungeheuer. Unter dem seligen König wäre ein
solches Tagesgespräch unmöglich gewesen!" -- Aber der Ministcrwech-
sel hat ja noch nicht stattgefunden? -- "Thut Nichts, man spricht
davon;" "aber gesetzt, er findet statt, so ist doch dies Ereigniß ganz
anderer Art, als in Frankreich und England., Dort ist die Macht
des Ministers vom Parlament, von der Kammer abhangig, sein Ein¬
tritt oder Ausscheiden kündigt die Niederlage oder den Sieg einer
Partei an; es ist die Folge dieser oder jener Nationalstimmung, welche
die Oberhand gewonnen. Ein Ministerwechsel in einem absoluten
Staate ist aber nur der Ausdruck eines einzelnen Willens und hat


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Berlin und Paris. — Sprcchscligkeir. — Credit und Religion. — Priester
und Industrie!. — Schöne Welt. — Dönng und Crelinger. — Meyerbeer,
Mendelssohn, Hiller. — Karl Beck.

Man spriÄ)t seit vierzehn Tagen von einem vollständigen Mini-
fterwcchsel und es circuliren im Publicum die verschiedensten Combi¬
nationen, wobei heute ganz andere Namen genannt werden, als gestern
und morgen wieder andere, als heute — ganz ü I» it^is. So schwin¬
den mit jedem Tage auch noch die kleinen, geringfügigen Unterschiede,
welche die Hauptstadt Frankreichs von der Hauptstadt Preußens
trennen, und der Tag ist schon vor der Thüre, wo man beim Er¬
wachen nicht mehr wissen wird, ob dies die Spree oder die Seine
ist. Der philosophische Berliner, der Alles mit „Bewußtsein jenießt",
freut sich selbstbewußt dieses gewaltigen Fortschritts seiner großstädti¬
schen Herrlichkeit. — Sehen Sie einmal, sagte ein hiesiger Zeitungs-
correspondent vor einigen Tagen zu mir: „Es ist nicht zu läugnen,
unsere Entwicklung ist ungeheuer. Unter dem seligen König wäre ein
solches Tagesgespräch unmöglich gewesen!" — Aber der Ministcrwech-
sel hat ja noch nicht stattgefunden? — „Thut Nichts, man spricht
davon;" „aber gesetzt, er findet statt, so ist doch dies Ereigniß ganz
anderer Art, als in Frankreich und England., Dort ist die Macht
des Ministers vom Parlament, von der Kammer abhangig, sein Ein¬
tritt oder Ausscheiden kündigt die Niederlage oder den Sieg einer
Partei an; es ist die Folge dieser oder jener Nationalstimmung, welche
die Oberhand gewonnen. Ein Ministerwechsel in einem absoluten
Staate ist aber nur der Ausdruck eines einzelnen Willens und hat


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[0606] T a g e b u es. i. A »» S B c i l i n. Berlin und Paris. — Sprcchscligkeir. — Credit und Religion. — Priester und Industrie!. — Schöne Welt. — Dönng und Crelinger. — Meyerbeer, Mendelssohn, Hiller. — Karl Beck. Man spriÄ)t seit vierzehn Tagen von einem vollständigen Mini- fterwcchsel und es circuliren im Publicum die verschiedensten Combi¬ nationen, wobei heute ganz andere Namen genannt werden, als gestern und morgen wieder andere, als heute — ganz ü I» it^is. So schwin¬ den mit jedem Tage auch noch die kleinen, geringfügigen Unterschiede, welche die Hauptstadt Frankreichs von der Hauptstadt Preußens trennen, und der Tag ist schon vor der Thüre, wo man beim Er¬ wachen nicht mehr wissen wird, ob dies die Spree oder die Seine ist. Der philosophische Berliner, der Alles mit „Bewußtsein jenießt", freut sich selbstbewußt dieses gewaltigen Fortschritts seiner großstädti¬ schen Herrlichkeit. — Sehen Sie einmal, sagte ein hiesiger Zeitungs- correspondent vor einigen Tagen zu mir: „Es ist nicht zu läugnen, unsere Entwicklung ist ungeheuer. Unter dem seligen König wäre ein solches Tagesgespräch unmöglich gewesen!" — Aber der Ministcrwech- sel hat ja noch nicht stattgefunden? — „Thut Nichts, man spricht davon;" „aber gesetzt, er findet statt, so ist doch dies Ereigniß ganz anderer Art, als in Frankreich und England., Dort ist die Macht des Ministers vom Parlament, von der Kammer abhangig, sein Ein¬ tritt oder Ausscheiden kündigt die Niederlage oder den Sieg einer Partei an; es ist die Folge dieser oder jener Nationalstimmung, welche die Oberhand gewonnen. Ein Ministerwechsel in einem absoluten Staate ist aber nur der Ausdruck eines einzelnen Willens und hat

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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 3, 1844, I. Semester, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341546_179712/606>, abgerufen am 29.06.2024.