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Die Grenzboten. Jg. 3, 1844, I. Semester.

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schriftlichen Anklängen wieder. Lauremberg möchte wohl als der letzte
Dichter zu nennen sein, dem die niederdeutsche Sprache noch ganz
naturwüchsig zu Gebote stand; in seinen Satyren wächst sie noch
kräftig hervor; alle die neueren Bemühungen aber, den niederdeut¬
schen Dialekt wieder zur Schriftsprache zu erheben, sind von vorn¬
herein verfehlt. Es ist nicht gut, der niederdeutschen Sprache jetzt
durch Kunst noch mehr Wichtigkeit geben zu wollen, als sie hat, aber
man soll sie auch nichr mit Gewalt vertilgen wollen. Mag sie all-
mälig verklingen wie eine alte liebe Sage! Es liegt in ihr eine Ab-
sonderungölust und eine Begriffsbeschränktheit, zwar auch eine Ge,
müthlichkeit. Wenn man auch zur Noth das erhebende Wort Vater¬
land durch "Vaterland" auszudrücken vermag, so klingt doch auch
dieses "Vaterland" sehr kalt und fremd und es wird statt dessen, echt
altsächsisch, immer nur vom Hause, vom "Huus", von dem eigenen
kleinen Herde geredet. Eben diese Unfähigkeit, alle höheren Gefühle
und das Patriarchalische überragenden Gedanken klar auszudrücken,
abstracte Begriffe scharf hinzusetzen und festzuhalten, wird bei der
Verallgemeinerung einer höheren Bildung die niederdeutsche Sprache
unfehlbar vernichten müssen; ihre Wurzeln sind schon verdorrt und es
rauscht und weht nur noch wie Todesahnung in den Zweigen und
Blättern des alten Baumes.




"Lrenzboten I.78

schriftlichen Anklängen wieder. Lauremberg möchte wohl als der letzte
Dichter zu nennen sein, dem die niederdeutsche Sprache noch ganz
naturwüchsig zu Gebote stand; in seinen Satyren wächst sie noch
kräftig hervor; alle die neueren Bemühungen aber, den niederdeut¬
schen Dialekt wieder zur Schriftsprache zu erheben, sind von vorn¬
herein verfehlt. Es ist nicht gut, der niederdeutschen Sprache jetzt
durch Kunst noch mehr Wichtigkeit geben zu wollen, als sie hat, aber
man soll sie auch nichr mit Gewalt vertilgen wollen. Mag sie all-
mälig verklingen wie eine alte liebe Sage! Es liegt in ihr eine Ab-
sonderungölust und eine Begriffsbeschränktheit, zwar auch eine Ge,
müthlichkeit. Wenn man auch zur Noth das erhebende Wort Vater¬
land durch „Vaterland" auszudrücken vermag, so klingt doch auch
dieses „Vaterland" sehr kalt und fremd und es wird statt dessen, echt
altsächsisch, immer nur vom Hause, vom „Huus", von dem eigenen
kleinen Herde geredet. Eben diese Unfähigkeit, alle höheren Gefühle
und das Patriarchalische überragenden Gedanken klar auszudrücken,
abstracte Begriffe scharf hinzusetzen und festzuhalten, wird bei der
Verallgemeinerung einer höheren Bildung die niederdeutsche Sprache
unfehlbar vernichten müssen; ihre Wurzeln sind schon verdorrt und es
rauscht und weht nur noch wie Todesahnung in den Zweigen und
Blättern des alten Baumes.




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[0605] schriftlichen Anklängen wieder. Lauremberg möchte wohl als der letzte Dichter zu nennen sein, dem die niederdeutsche Sprache noch ganz naturwüchsig zu Gebote stand; in seinen Satyren wächst sie noch kräftig hervor; alle die neueren Bemühungen aber, den niederdeut¬ schen Dialekt wieder zur Schriftsprache zu erheben, sind von vorn¬ herein verfehlt. Es ist nicht gut, der niederdeutschen Sprache jetzt durch Kunst noch mehr Wichtigkeit geben zu wollen, als sie hat, aber man soll sie auch nichr mit Gewalt vertilgen wollen. Mag sie all- mälig verklingen wie eine alte liebe Sage! Es liegt in ihr eine Ab- sonderungölust und eine Begriffsbeschränktheit, zwar auch eine Ge, müthlichkeit. Wenn man auch zur Noth das erhebende Wort Vater¬ land durch „Vaterland" auszudrücken vermag, so klingt doch auch dieses „Vaterland" sehr kalt und fremd und es wird statt dessen, echt altsächsisch, immer nur vom Hause, vom „Huus", von dem eigenen kleinen Herde geredet. Eben diese Unfähigkeit, alle höheren Gefühle und das Patriarchalische überragenden Gedanken klar auszudrücken, abstracte Begriffe scharf hinzusetzen und festzuhalten, wird bei der Verallgemeinerung einer höheren Bildung die niederdeutsche Sprache unfehlbar vernichten müssen; ihre Wurzeln sind schon verdorrt und es rauscht und weht nur noch wie Todesahnung in den Zweigen und Blättern des alten Baumes. «Lrenzboten I.78

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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 3, 1844, I. Semester, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341546_179712/605>, abgerufen am 22.12.2024.