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Die Grenzboten. Jg. 3, 1844, I. Semester.

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wußt ausgesprochenen eines "Kindes", dessen Wesen noch durch¬
drungen ist von einer paradiesischen Lauterkeit und der Weihe einer
GotteShcimath, aus welcher wir Alle stammen, von der aber das
Kind noch nicht so, lange getrennt ist als wir.

Doch allmälig begannen die Wellen der Empfindung sich zu
legen und nun war es die Aufgabe des Geistes, die von ihnen aus¬
geworfenen Schätze zu sammeln und sich zum Eigenthum zu machen.
Der willenlose Trieb zum Erhabenen, den die Natur dem kindlichen
Gemüthe geschenkt hatte, mußte zur Erkenntniß gesteigert, vom Geiste
selbst erkämpft und errungen werden, Und es ist ihm gelungen,
und welche Siegeskrone er sich selbst geschmiedet und aufgesetzt, da¬
von zeigt das lyrische Gedicht in Prosa, das an den König gerich¬
tet ist! Gleicht es nicht einer schönen Hand, die sich liebreich aus¬
streckt, um Jenen, die sich nicht durch eigene Kraft auf die Höhe des
Geistthums schwingen können, freundlich hinaufzuhelfen? Ist es
nicht begreiflich, daß sich diese hilfreiche Hand zuerst Demjenigen
entgegenstreckt, der sie am nothwendigsten braucht, -- weil Tausende
verpflichtet sind, seinen Schritten zu folgen und ihr Aufwärtsklimmen
von dem seinen abhängig ist? (?)

Auch Friedrich v. Sattel zeigt -- nur in anderer Form und auf
andere Art gewonnen, denn was für Bettina Goethe, war für Sat¬
tel Christus--den Weg, den er in sich vollendete und den die Mensch¬
heit zu gehen hat. Die Welt soll erhoben werden aus dem Staube
zum Lichte, bis das Diesseits schon zum gehofften, zum einzig mögli¬
chen Jenseits geworden. Nicht die Hände in den Schooß legen sollt
Ihr und dumm gegen Himmel blickend, warten, bis er Euch seine nach
Eueren niederen irdischen Wünsche-n gemodelten Seligkeiten in den of¬
fenen Mund fliegen läßt, nein! Euere Seele muß noch auf Erden
den Himmel, die Höhe der Geistesentwickelung selbst erklettern, und der
Tod soll nicht das Ende des Lebens, sondern seine Vollendung
sein. Erst wenn jeder Mensch ein Gottmensch, die Welt, zu Gott
genesen, frei in ihm sein wird, wie er in ihr, dann ist sie fertig und
vollbracht. Jahrtausende vielleicht haben noch dahin zu wirken, doch
schon jetzt kann Jeder ein Welterlöser werden, indem er die Aufgabe
der Menschheit erst in sich zur Vollendung bringt und, diese Vollen¬
dung in Wort oder That der Anschauung darstellend, dazu hilft,
"Gott dein Herrn sein Volk bereiten!" So hat Sattel seine Mission


wußt ausgesprochenen eines „Kindes", dessen Wesen noch durch¬
drungen ist von einer paradiesischen Lauterkeit und der Weihe einer
GotteShcimath, aus welcher wir Alle stammen, von der aber das
Kind noch nicht so, lange getrennt ist als wir.

Doch allmälig begannen die Wellen der Empfindung sich zu
legen und nun war es die Aufgabe des Geistes, die von ihnen aus¬
geworfenen Schätze zu sammeln und sich zum Eigenthum zu machen.
Der willenlose Trieb zum Erhabenen, den die Natur dem kindlichen
Gemüthe geschenkt hatte, mußte zur Erkenntniß gesteigert, vom Geiste
selbst erkämpft und errungen werden, Und es ist ihm gelungen,
und welche Siegeskrone er sich selbst geschmiedet und aufgesetzt, da¬
von zeigt das lyrische Gedicht in Prosa, das an den König gerich¬
tet ist! Gleicht es nicht einer schönen Hand, die sich liebreich aus¬
streckt, um Jenen, die sich nicht durch eigene Kraft auf die Höhe des
Geistthums schwingen können, freundlich hinaufzuhelfen? Ist es
nicht begreiflich, daß sich diese hilfreiche Hand zuerst Demjenigen
entgegenstreckt, der sie am nothwendigsten braucht, — weil Tausende
verpflichtet sind, seinen Schritten zu folgen und ihr Aufwärtsklimmen
von dem seinen abhängig ist? (?)

Auch Friedrich v. Sattel zeigt — nur in anderer Form und auf
andere Art gewonnen, denn was für Bettina Goethe, war für Sat¬
tel Christus—den Weg, den er in sich vollendete und den die Mensch¬
heit zu gehen hat. Die Welt soll erhoben werden aus dem Staube
zum Lichte, bis das Diesseits schon zum gehofften, zum einzig mögli¬
chen Jenseits geworden. Nicht die Hände in den Schooß legen sollt
Ihr und dumm gegen Himmel blickend, warten, bis er Euch seine nach
Eueren niederen irdischen Wünsche-n gemodelten Seligkeiten in den of¬
fenen Mund fliegen läßt, nein! Euere Seele muß noch auf Erden
den Himmel, die Höhe der Geistesentwickelung selbst erklettern, und der
Tod soll nicht das Ende des Lebens, sondern seine Vollendung
sein. Erst wenn jeder Mensch ein Gottmensch, die Welt, zu Gott
genesen, frei in ihm sein wird, wie er in ihr, dann ist sie fertig und
vollbracht. Jahrtausende vielleicht haben noch dahin zu wirken, doch
schon jetzt kann Jeder ein Welterlöser werden, indem er die Aufgabe
der Menschheit erst in sich zur Vollendung bringt und, diese Vollen¬
dung in Wort oder That der Anschauung darstellend, dazu hilft,
„Gott dein Herrn sein Volk bereiten!" So hat Sattel seine Mission


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[0592] wußt ausgesprochenen eines „Kindes", dessen Wesen noch durch¬ drungen ist von einer paradiesischen Lauterkeit und der Weihe einer GotteShcimath, aus welcher wir Alle stammen, von der aber das Kind noch nicht so, lange getrennt ist als wir. Doch allmälig begannen die Wellen der Empfindung sich zu legen und nun war es die Aufgabe des Geistes, die von ihnen aus¬ geworfenen Schätze zu sammeln und sich zum Eigenthum zu machen. Der willenlose Trieb zum Erhabenen, den die Natur dem kindlichen Gemüthe geschenkt hatte, mußte zur Erkenntniß gesteigert, vom Geiste selbst erkämpft und errungen werden, Und es ist ihm gelungen, und welche Siegeskrone er sich selbst geschmiedet und aufgesetzt, da¬ von zeigt das lyrische Gedicht in Prosa, das an den König gerich¬ tet ist! Gleicht es nicht einer schönen Hand, die sich liebreich aus¬ streckt, um Jenen, die sich nicht durch eigene Kraft auf die Höhe des Geistthums schwingen können, freundlich hinaufzuhelfen? Ist es nicht begreiflich, daß sich diese hilfreiche Hand zuerst Demjenigen entgegenstreckt, der sie am nothwendigsten braucht, — weil Tausende verpflichtet sind, seinen Schritten zu folgen und ihr Aufwärtsklimmen von dem seinen abhängig ist? (?) Auch Friedrich v. Sattel zeigt — nur in anderer Form und auf andere Art gewonnen, denn was für Bettina Goethe, war für Sat¬ tel Christus—den Weg, den er in sich vollendete und den die Mensch¬ heit zu gehen hat. Die Welt soll erhoben werden aus dem Staube zum Lichte, bis das Diesseits schon zum gehofften, zum einzig mögli¬ chen Jenseits geworden. Nicht die Hände in den Schooß legen sollt Ihr und dumm gegen Himmel blickend, warten, bis er Euch seine nach Eueren niederen irdischen Wünsche-n gemodelten Seligkeiten in den of¬ fenen Mund fliegen läßt, nein! Euere Seele muß noch auf Erden den Himmel, die Höhe der Geistesentwickelung selbst erklettern, und der Tod soll nicht das Ende des Lebens, sondern seine Vollendung sein. Erst wenn jeder Mensch ein Gottmensch, die Welt, zu Gott genesen, frei in ihm sein wird, wie er in ihr, dann ist sie fertig und vollbracht. Jahrtausende vielleicht haben noch dahin zu wirken, doch schon jetzt kann Jeder ein Welterlöser werden, indem er die Aufgabe der Menschheit erst in sich zur Vollendung bringt und, diese Vollen¬ dung in Wort oder That der Anschauung darstellend, dazu hilft, „Gott dein Herrn sein Volk bereiten!" So hat Sattel seine Mission

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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 3, 1844, I. Semester, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341546_179712/592>, abgerufen am 29.06.2024.