Die Grenzboten. Jg. 3, 1844, I. Semester.Sendung verstehen und, zum Volke heruntersteigend, auf seine Bil¬ Ob die Menschheit jemals zu jenem Endpunkte gelangen Zu jenen Einzelnen aber gehören vor Allen: Bettina und Fried¬ Die Entwickelung von der Empfindung zum Begriffe, die wir 7V"
Sendung verstehen und, zum Volke heruntersteigend, auf seine Bil¬ Ob die Menschheit jemals zu jenem Endpunkte gelangen Zu jenen Einzelnen aber gehören vor Allen: Bettina und Fried¬ Die Entwickelung von der Empfindung zum Begriffe, die wir 7V»
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Sendung verstehen und, zum Volke heruntersteigend, auf seine Bil¬
dung wirken, indem sie sich seinem Verständnisse anschmiegt. Denn
nie wird etwas für das Volk gewonnen sein, so lange es nicht fähig
ist, selbst darnach zu greifen; was ihm geschenkt wird, besitzt es nicht,
nur was es sich selbst errungen hat, ist sein Eigenthum.
Ob die Menschheit jemals zu jenem Endpunkte gelangen
wird, ob nicht vielleicht ihr Bestehen daran geknüpft ist, daß sie ewig
nach diesem Ziele schreite, wird stets unentschieden bleiben; für un¬
seren Zweck genügt es, auf jene Einzelnen hinzuweisen, die es durch
die lyrischen Ausbrüche einer entzückten und gotttrunkenen Seele kund
geben, daß sie sich zur Höhe des Geistthums emporgeschwungen ha¬
ben und es will uns bedünken, daß wir mit ihnen die neue Hedschra
der deutschen Lyrik beginnen können.
Zu jenen Einzelnen aber gehören vor Allen: Bettina und Fried¬
rich von Sattel,
Die Entwickelung von der Empfindung zum Begriffe, die wir
oben als die der Menschheit nothwendige, bezeichnen wollten, spiegelt
sich auch im Seelenleben deö Einzelnen ab. Jedem Menschen ward
eine Sendung, die sich ihm in der Liebe dunkel lind nur halbver¬
standen ankündigt, die er aber, indem er die Empfindung zum Begriffe
erhöht, im Geiste klar und selbstbewußt zu vollenden hat. So ge¬
langte anch Bettina erst durch das stürmisch aufgeregte Meer der
Empfindung zur ruhigen und kalten Polarhöhe des Gedankens. Das
Gefühl strich, wie ein belebender Frühlingshauch, über alle Keime des
Göttlichen in ihrem Gemüthe hin und entfaltete sie zur hellen Blüthe;
und die Gewalt der Leidenschaft zerbrach die Muscheln, in denen die
reinsten Perlen ihrer Seele verborgen waren. Der Gegenstand, dem
sie diese Blüthen und Perlen zu Füßen legte, war es nicht, der das
Gefühl, das sie dazu trieb, in ihr erweckt hatte. Dieses Gefühl war
eine nothwendige Consequenz ihrer Natur, sie wandte es dem Ersten
Besten zu, und nur ein Zufall erschien es, daß dieser der Erste und
der Beste war. Sie sprach nicht in ihren Briefen, sie sang, sie weinte,
sie lachte; nur der Ausdruck der Empfindung, nicht der bewußte,
geistiger Erkenntniß stand ihr zu Gebote, in rhythmischer Raserei um
tanzte sie das Bild, auf das sie die glühendsten Entzückungen über¬
trug, und wenn sich unter die Iubelgesänge ihres Herzens tiefsinnige
Offenbarungen mischten, so waren es eben die willenlos und unde
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