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Die Grenzboten. Jg. 3, 1844, I. Semester.

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cher der Anwesenden getroffen fühlen. Alexander von Humboldt, der
in der königlichen Galerie saß, lachte sehr viel! Der König selbst war
im ersten Act heiterer gestimmt, als im zweiten. (Man lese das
Stück nach.) -- ' .

Im Ganzen machte das Stück den Eindruck einer Curiosttät.
Von einer Befriedigung oder inneren Ergötzung konnte nicht die Rede
sein. Ein Theaterdirector, der es sich einfallen ließe, den gestiefelten
Kater einem gewöhnlichen Publicum vorzuführen, würde schlimm an¬
kommen. Um dieses Schauspiel zu goutiren, gehört eben eine Aus¬
wahl von hochgebildeten Zuschauern, welche alle literaturgeschichtlichen
Anspielungen verstehen, und die nicht ungeduldig werden, wenn sich
der Dichter in einige bedeutungslose Privatspielereien verliert und pu"i
ftüstuin gegen die Abschaffung des Hanswursts und den Unsinn der
Zauberflöte dramatisch polemisirt. Was das Interesse des gestrigen
Abends hauptsächlich begründete, das war die Stellung des Publicums,
das, wie Hamlet in der bekannten Schauspielscene, seine Aufmerksam¬
keit zwischen dem Stücke und dem Könige theilte und in den Zügen
des letzteren immer forschte, welch einen Eindruck das letztere auf ihn
machte. Bei der derben Persifflage des Königthums, welche im ge¬
stiefelten Kater stattfindet, war diese Neugier sehr erklärlich. Der König
jedoch, weit entfernt, beleidigt zu sein, hat vielmehr dem Dichter, heute
Morgen ein eigenhändiges freundliches Billet geschrieben und dem
Herrn von Küstner seine Zufriedenheit über die glückliche Darstellung
melden lassen. Sollte sich darandieTheatercensur nichteineLchrenehmen?

Gespiele wurde mit einer Vortrefflichkeit und namentlich mit ei¬
nem Ineinandergreifen seltenster Art. Acht Proben wurden früher
gemacht. Acht Proben für ein Stück, welches nur ein Mal aufge¬
führt wird! Wie sehr wäre zu wünschen, man möchte nur die Hälfte
dieser Mühe auf Stücke verwenden, die auf dem Repertoir bleiben
sollen. Döring wirkte mit" er spielte den alten Böttcher. (Auch eine
Polemik pill-t t^lion. Wer von der jüngeren Generation kennt den
ehemaligen Dresdner Kritiker?)




IV.
Notizen.

Die 'Grenzboten und ihre Freunde. -- Püttmann's Tscherkessen- und Dith-
marschenlieder. -- Adam Gurowski.

Unsere Leser erinnern sich noch, daß wir in einer unserer letzten
Nummern von dem Unfug des Nachdruckes in den deutschen Jour¬
nalen sprachen und der Earlsruher Zeitung erwähnten, die seit vielen
Wochen schon ihr Feuilleton mit der Novelle "der Inquisitor"
nährt, die sie den Grenzboten nachdruckt. Wir hätten uns nicht be¬
klagt, wenn dieser Nachdruck einen Artikel von mehreren Seiten betrof¬
fen hätte. Wir wollen nicht knickerig mit unsern Eollegen abrech-


cher der Anwesenden getroffen fühlen. Alexander von Humboldt, der
in der königlichen Galerie saß, lachte sehr viel! Der König selbst war
im ersten Act heiterer gestimmt, als im zweiten. (Man lese das
Stück nach.) — ' .

Im Ganzen machte das Stück den Eindruck einer Curiosttät.
Von einer Befriedigung oder inneren Ergötzung konnte nicht die Rede
sein. Ein Theaterdirector, der es sich einfallen ließe, den gestiefelten
Kater einem gewöhnlichen Publicum vorzuführen, würde schlimm an¬
kommen. Um dieses Schauspiel zu goutiren, gehört eben eine Aus¬
wahl von hochgebildeten Zuschauern, welche alle literaturgeschichtlichen
Anspielungen verstehen, und die nicht ungeduldig werden, wenn sich
der Dichter in einige bedeutungslose Privatspielereien verliert und pu«i
ftüstuin gegen die Abschaffung des Hanswursts und den Unsinn der
Zauberflöte dramatisch polemisirt. Was das Interesse des gestrigen
Abends hauptsächlich begründete, das war die Stellung des Publicums,
das, wie Hamlet in der bekannten Schauspielscene, seine Aufmerksam¬
keit zwischen dem Stücke und dem Könige theilte und in den Zügen
des letzteren immer forschte, welch einen Eindruck das letztere auf ihn
machte. Bei der derben Persifflage des Königthums, welche im ge¬
stiefelten Kater stattfindet, war diese Neugier sehr erklärlich. Der König
jedoch, weit entfernt, beleidigt zu sein, hat vielmehr dem Dichter, heute
Morgen ein eigenhändiges freundliches Billet geschrieben und dem
Herrn von Küstner seine Zufriedenheit über die glückliche Darstellung
melden lassen. Sollte sich darandieTheatercensur nichteineLchrenehmen?

Gespiele wurde mit einer Vortrefflichkeit und namentlich mit ei¬
nem Ineinandergreifen seltenster Art. Acht Proben wurden früher
gemacht. Acht Proben für ein Stück, welches nur ein Mal aufge¬
führt wird! Wie sehr wäre zu wünschen, man möchte nur die Hälfte
dieser Mühe auf Stücke verwenden, die auf dem Repertoir bleiben
sollen. Döring wirkte mit» er spielte den alten Böttcher. (Auch eine
Polemik pill-t t^lion. Wer von der jüngeren Generation kennt den
ehemaligen Dresdner Kritiker?)




IV.
Notizen.

Die 'Grenzboten und ihre Freunde. — Püttmann's Tscherkessen- und Dith-
marschenlieder. — Adam Gurowski.

Unsere Leser erinnern sich noch, daß wir in einer unserer letzten
Nummern von dem Unfug des Nachdruckes in den deutschen Jour¬
nalen sprachen und der Earlsruher Zeitung erwähnten, die seit vielen
Wochen schon ihr Feuilleton mit der Novelle „der Inquisitor"
nährt, die sie den Grenzboten nachdruckt. Wir hätten uns nicht be¬
klagt, wenn dieser Nachdruck einen Artikel von mehreren Seiten betrof¬
fen hätte. Wir wollen nicht knickerig mit unsern Eollegen abrech-


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[0578] cher der Anwesenden getroffen fühlen. Alexander von Humboldt, der in der königlichen Galerie saß, lachte sehr viel! Der König selbst war im ersten Act heiterer gestimmt, als im zweiten. (Man lese das Stück nach.) — ' . Im Ganzen machte das Stück den Eindruck einer Curiosttät. Von einer Befriedigung oder inneren Ergötzung konnte nicht die Rede sein. Ein Theaterdirector, der es sich einfallen ließe, den gestiefelten Kater einem gewöhnlichen Publicum vorzuführen, würde schlimm an¬ kommen. Um dieses Schauspiel zu goutiren, gehört eben eine Aus¬ wahl von hochgebildeten Zuschauern, welche alle literaturgeschichtlichen Anspielungen verstehen, und die nicht ungeduldig werden, wenn sich der Dichter in einige bedeutungslose Privatspielereien verliert und pu«i ftüstuin gegen die Abschaffung des Hanswursts und den Unsinn der Zauberflöte dramatisch polemisirt. Was das Interesse des gestrigen Abends hauptsächlich begründete, das war die Stellung des Publicums, das, wie Hamlet in der bekannten Schauspielscene, seine Aufmerksam¬ keit zwischen dem Stücke und dem Könige theilte und in den Zügen des letzteren immer forschte, welch einen Eindruck das letztere auf ihn machte. Bei der derben Persifflage des Königthums, welche im ge¬ stiefelten Kater stattfindet, war diese Neugier sehr erklärlich. Der König jedoch, weit entfernt, beleidigt zu sein, hat vielmehr dem Dichter, heute Morgen ein eigenhändiges freundliches Billet geschrieben und dem Herrn von Küstner seine Zufriedenheit über die glückliche Darstellung melden lassen. Sollte sich darandieTheatercensur nichteineLchrenehmen? Gespiele wurde mit einer Vortrefflichkeit und namentlich mit ei¬ nem Ineinandergreifen seltenster Art. Acht Proben wurden früher gemacht. Acht Proben für ein Stück, welches nur ein Mal aufge¬ führt wird! Wie sehr wäre zu wünschen, man möchte nur die Hälfte dieser Mühe auf Stücke verwenden, die auf dem Repertoir bleiben sollen. Döring wirkte mit» er spielte den alten Böttcher. (Auch eine Polemik pill-t t^lion. Wer von der jüngeren Generation kennt den ehemaligen Dresdner Kritiker?) IV. Notizen. Die 'Grenzboten und ihre Freunde. — Püttmann's Tscherkessen- und Dith- marschenlieder. — Adam Gurowski. Unsere Leser erinnern sich noch, daß wir in einer unserer letzten Nummern von dem Unfug des Nachdruckes in den deutschen Jour¬ nalen sprachen und der Earlsruher Zeitung erwähnten, die seit vielen Wochen schon ihr Feuilleton mit der Novelle „der Inquisitor" nährt, die sie den Grenzboten nachdruckt. Wir hätten uns nicht be¬ klagt, wenn dieser Nachdruck einen Artikel von mehreren Seiten betrof¬ fen hätte. Wir wollen nicht knickerig mit unsern Eollegen abrech-

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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 3, 1844, I. Semester, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341546_179712/578>, abgerufen am 29.06.2024.