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Die Grenzboten. Jg. 3, 1844, I. Semester.

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Mir wurde das Vergnügen zu Theil, noch am letzten Abend
meiner Anwesenheit in Lübeck in die Gesellschaft eingeführt zu wer¬
den. Herr T..., dem ich ein Mal in Berlin eine kleine Ge¬
fälligkeit leisten konnte und der hier wohnhaft ist, hatte die Güte,
mich auf sein Landhaus einzuladen. Es ist hier allgemein Sitte,
für den Sommer "auf dem Garten" zu wohnen; wer kein Landhaus
als Eigenthum hat, der wohnt darin zur Miethe. Frau und Kinder
sind den ganzen Tag draußen, der Mann kommt Abends nach. Die
Gesellschaft, worin ich mich befand, war sehr liebenswürdig, und ich
bemerkte im Allgemeinen einen achtungswerthen Grad der Bildung,
namentlich unter den Damen. Man sagt in Deutschland allgemein,
daß die Lübecker die prächtigsten Kerle sind, aber sie müßten sich au¬
ßerhalb Lübecks befinden, und das schien sich auch mir zu bestätigen,
denn wir waren wirklich außerhalb Lübecks. Die alten Thürme der
Stadt wurden uns nur über den hohen Baumalleen des Walles
sichtbar. Der Ton verlor allmälig jene Steifheit und jene spanische
Grandezza, welche der norddeutsche einmal nicht ablegen kann, und
wurde dann durchaus ungezwungen. Man liebt hier Musik ganz
leidenschaftlich, und soll sich auch mehr und mehr mit Literatur be¬
schäftigen, seitdem mehrere Lübecker wie Geibel, Saß, Rose und an¬
dere von sich zu reden geben.

In allgemeiner Heiterkeit trennten wir uns am späten Abend,
nachdem schon viele beim Eintritt der Thorsperre gegangen waren.
Und ich beschloß am nächsten Morgen nach einer Schwesterstadt Lü¬
becks zu fahren, die ^auch noch an der Thorsperre leidet -- nach
Hamburg.




Mir wurde das Vergnügen zu Theil, noch am letzten Abend
meiner Anwesenheit in Lübeck in die Gesellschaft eingeführt zu wer¬
den. Herr T..., dem ich ein Mal in Berlin eine kleine Ge¬
fälligkeit leisten konnte und der hier wohnhaft ist, hatte die Güte,
mich auf sein Landhaus einzuladen. Es ist hier allgemein Sitte,
für den Sommer „auf dem Garten" zu wohnen; wer kein Landhaus
als Eigenthum hat, der wohnt darin zur Miethe. Frau und Kinder
sind den ganzen Tag draußen, der Mann kommt Abends nach. Die
Gesellschaft, worin ich mich befand, war sehr liebenswürdig, und ich
bemerkte im Allgemeinen einen achtungswerthen Grad der Bildung,
namentlich unter den Damen. Man sagt in Deutschland allgemein,
daß die Lübecker die prächtigsten Kerle sind, aber sie müßten sich au¬
ßerhalb Lübecks befinden, und das schien sich auch mir zu bestätigen,
denn wir waren wirklich außerhalb Lübecks. Die alten Thürme der
Stadt wurden uns nur über den hohen Baumalleen des Walles
sichtbar. Der Ton verlor allmälig jene Steifheit und jene spanische
Grandezza, welche der norddeutsche einmal nicht ablegen kann, und
wurde dann durchaus ungezwungen. Man liebt hier Musik ganz
leidenschaftlich, und soll sich auch mehr und mehr mit Literatur be¬
schäftigen, seitdem mehrere Lübecker wie Geibel, Saß, Rose und an¬
dere von sich zu reden geben.

In allgemeiner Heiterkeit trennten wir uns am späten Abend,
nachdem schon viele beim Eintritt der Thorsperre gegangen waren.
Und ich beschloß am nächsten Morgen nach einer Schwesterstadt Lü¬
becks zu fahren, die ^auch noch an der Thorsperre leidet — nach
Hamburg.




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[0570] Mir wurde das Vergnügen zu Theil, noch am letzten Abend meiner Anwesenheit in Lübeck in die Gesellschaft eingeführt zu wer¬ den. Herr T..., dem ich ein Mal in Berlin eine kleine Ge¬ fälligkeit leisten konnte und der hier wohnhaft ist, hatte die Güte, mich auf sein Landhaus einzuladen. Es ist hier allgemein Sitte, für den Sommer „auf dem Garten" zu wohnen; wer kein Landhaus als Eigenthum hat, der wohnt darin zur Miethe. Frau und Kinder sind den ganzen Tag draußen, der Mann kommt Abends nach. Die Gesellschaft, worin ich mich befand, war sehr liebenswürdig, und ich bemerkte im Allgemeinen einen achtungswerthen Grad der Bildung, namentlich unter den Damen. Man sagt in Deutschland allgemein, daß die Lübecker die prächtigsten Kerle sind, aber sie müßten sich au¬ ßerhalb Lübecks befinden, und das schien sich auch mir zu bestätigen, denn wir waren wirklich außerhalb Lübecks. Die alten Thürme der Stadt wurden uns nur über den hohen Baumalleen des Walles sichtbar. Der Ton verlor allmälig jene Steifheit und jene spanische Grandezza, welche der norddeutsche einmal nicht ablegen kann, und wurde dann durchaus ungezwungen. Man liebt hier Musik ganz leidenschaftlich, und soll sich auch mehr und mehr mit Literatur be¬ schäftigen, seitdem mehrere Lübecker wie Geibel, Saß, Rose und an¬ dere von sich zu reden geben. In allgemeiner Heiterkeit trennten wir uns am späten Abend, nachdem schon viele beim Eintritt der Thorsperre gegangen waren. Und ich beschloß am nächsten Morgen nach einer Schwesterstadt Lü¬ becks zu fahren, die ^auch noch an der Thorsperre leidet — nach Hamburg.

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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 3, 1844, I. Semester, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341546_179712/570>, abgerufen am 28.09.2024.