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Die Grenzboten. Jg. 3, 1844, I. Semester.

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Schimmer sich die modernen Autoren drängten, wie die Mücken nach
der Flamme, Wienbarg rieth ja schon einmal, das Romanschlacht¬
feld den Frauen zu überlassen, und hypochondrische Literaturrichter
setzten die schwarze Mütze auf -- wie ein englischer ^usticv -- wie¬
sen die Suprematie des weiblichen Einflusses in der jetzigen Dich¬
tung nach und erklärten Jeden, der Glück machte und dem verdorbe¬
nen Zeitgeschmack genügte, für ein verkapptes Weib. Ist es in der
That so weit gekommen, ist die Zeit so ernst geworden, wie die Ei¬
nen sagen, oder so weichlich, wie es die Andern deuten, daß die
Männer alle zur herben, rhadamantusäugigen Publizistik verurtheilt
sein und in dem schönen Land der Musen blos rosige Frauenfinger
walten sollen? -- Die Männer mögen sich beruhigen. Es hängt ja
nur von ihnen ab, der Literatur eine andere Richtung zu geben, ei¬
nen anderen Ton anzustimmen; es gibt noch Gegenden in der
Welt des Geistes, wo kein hundert- und tausendfaches Echo den
ursprünglichen, urkräftiger Ton übertäubt, verhöhnt und wirkungslos
macht. Und dies sind recht eigentlich die Höhen, die freien Gipfel¬
punkte des Geistes, denen ja der echte Mann entgegenstrebt.

Mögen unsere schreibenden Damen nicht glauben, daß hier ein
Kreuzzug gegen sie gepredigt werden soll; ich wollte nur andeuten,
daß die Klagen über ihre angebliche Vorherrschaft in der Literatur
unmännlich sind. Die Bezeichnung "Echo" soll ihre geistige Thätig¬
keit nicht herabsetzen; vielmehr, glaube ich, ist damit die Berechtigung
derselben anerkannt und ihre Eigenthümlichkeit annäherungsweise be¬
zeichnet. Auch ist hier nicht von dem leeren und äußerlichen, unmit¬
telbar an seinen Urheber gebundenen Widerhall, sondern von dem
seelenvollen Echo, von der antwortenden Stimme des Herzens die
Rede. Es liegt in der weiblichen Natur, daß sie empfängt, nicht er¬
zeugt, das Empfangene aber in verklärter und zarterer, meist auch in
neuer und individueller Gestalt wiedergibt. Ist es nicht schön, ein
melodisches Echo alles Schönen und Großen zu sein? Stimmt dies
nicht vollkommen zu dem Beruf des Weibes überhaupt? Von Wich-
tigkeit aber wird es stets für den Denkenden sein müssen, zu hören,


wurf des Signalllirens und Porträtircns von Persönlichkeiten den meisten
modernen Schriftstellern gemacht wurde. Die Männer haben auch von dieser
Taktik Nichts zu fürchten. Dieselbe Waffe steht ja ihnen zu Gebote und sie
wäre, wenn sie unritterlich sein wollten, in ihrer Hand bedeutend furchtbarer.

Schimmer sich die modernen Autoren drängten, wie die Mücken nach
der Flamme, Wienbarg rieth ja schon einmal, das Romanschlacht¬
feld den Frauen zu überlassen, und hypochondrische Literaturrichter
setzten die schwarze Mütze auf — wie ein englischer ^usticv — wie¬
sen die Suprematie des weiblichen Einflusses in der jetzigen Dich¬
tung nach und erklärten Jeden, der Glück machte und dem verdorbe¬
nen Zeitgeschmack genügte, für ein verkapptes Weib. Ist es in der
That so weit gekommen, ist die Zeit so ernst geworden, wie die Ei¬
nen sagen, oder so weichlich, wie es die Andern deuten, daß die
Männer alle zur herben, rhadamantusäugigen Publizistik verurtheilt
sein und in dem schönen Land der Musen blos rosige Frauenfinger
walten sollen? — Die Männer mögen sich beruhigen. Es hängt ja
nur von ihnen ab, der Literatur eine andere Richtung zu geben, ei¬
nen anderen Ton anzustimmen; es gibt noch Gegenden in der
Welt des Geistes, wo kein hundert- und tausendfaches Echo den
ursprünglichen, urkräftiger Ton übertäubt, verhöhnt und wirkungslos
macht. Und dies sind recht eigentlich die Höhen, die freien Gipfel¬
punkte des Geistes, denen ja der echte Mann entgegenstrebt.

Mögen unsere schreibenden Damen nicht glauben, daß hier ein
Kreuzzug gegen sie gepredigt werden soll; ich wollte nur andeuten,
daß die Klagen über ihre angebliche Vorherrschaft in der Literatur
unmännlich sind. Die Bezeichnung „Echo" soll ihre geistige Thätig¬
keit nicht herabsetzen; vielmehr, glaube ich, ist damit die Berechtigung
derselben anerkannt und ihre Eigenthümlichkeit annäherungsweise be¬
zeichnet. Auch ist hier nicht von dem leeren und äußerlichen, unmit¬
telbar an seinen Urheber gebundenen Widerhall, sondern von dem
seelenvollen Echo, von der antwortenden Stimme des Herzens die
Rede. Es liegt in der weiblichen Natur, daß sie empfängt, nicht er¬
zeugt, das Empfangene aber in verklärter und zarterer, meist auch in
neuer und individueller Gestalt wiedergibt. Ist es nicht schön, ein
melodisches Echo alles Schönen und Großen zu sein? Stimmt dies
nicht vollkommen zu dem Beruf des Weibes überhaupt? Von Wich-
tigkeit aber wird es stets für den Denkenden sein müssen, zu hören,


wurf des Signalllirens und Porträtircns von Persönlichkeiten den meisten
modernen Schriftstellern gemacht wurde. Die Männer haben auch von dieser
Taktik Nichts zu fürchten. Dieselbe Waffe steht ja ihnen zu Gebote und sie
wäre, wenn sie unritterlich sein wollten, in ihrer Hand bedeutend furchtbarer.
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[0550] Schimmer sich die modernen Autoren drängten, wie die Mücken nach der Flamme, Wienbarg rieth ja schon einmal, das Romanschlacht¬ feld den Frauen zu überlassen, und hypochondrische Literaturrichter setzten die schwarze Mütze auf — wie ein englischer ^usticv — wie¬ sen die Suprematie des weiblichen Einflusses in der jetzigen Dich¬ tung nach und erklärten Jeden, der Glück machte und dem verdorbe¬ nen Zeitgeschmack genügte, für ein verkapptes Weib. Ist es in der That so weit gekommen, ist die Zeit so ernst geworden, wie die Ei¬ nen sagen, oder so weichlich, wie es die Andern deuten, daß die Männer alle zur herben, rhadamantusäugigen Publizistik verurtheilt sein und in dem schönen Land der Musen blos rosige Frauenfinger walten sollen? — Die Männer mögen sich beruhigen. Es hängt ja nur von ihnen ab, der Literatur eine andere Richtung zu geben, ei¬ nen anderen Ton anzustimmen; es gibt noch Gegenden in der Welt des Geistes, wo kein hundert- und tausendfaches Echo den ursprünglichen, urkräftiger Ton übertäubt, verhöhnt und wirkungslos macht. Und dies sind recht eigentlich die Höhen, die freien Gipfel¬ punkte des Geistes, denen ja der echte Mann entgegenstrebt. Mögen unsere schreibenden Damen nicht glauben, daß hier ein Kreuzzug gegen sie gepredigt werden soll; ich wollte nur andeuten, daß die Klagen über ihre angebliche Vorherrschaft in der Literatur unmännlich sind. Die Bezeichnung „Echo" soll ihre geistige Thätig¬ keit nicht herabsetzen; vielmehr, glaube ich, ist damit die Berechtigung derselben anerkannt und ihre Eigenthümlichkeit annäherungsweise be¬ zeichnet. Auch ist hier nicht von dem leeren und äußerlichen, unmit¬ telbar an seinen Urheber gebundenen Widerhall, sondern von dem seelenvollen Echo, von der antwortenden Stimme des Herzens die Rede. Es liegt in der weiblichen Natur, daß sie empfängt, nicht er¬ zeugt, das Empfangene aber in verklärter und zarterer, meist auch in neuer und individueller Gestalt wiedergibt. Ist es nicht schön, ein melodisches Echo alles Schönen und Großen zu sein? Stimmt dies nicht vollkommen zu dem Beruf des Weibes überhaupt? Von Wich- tigkeit aber wird es stets für den Denkenden sein müssen, zu hören, wurf des Signalllirens und Porträtircns von Persönlichkeiten den meisten modernen Schriftstellern gemacht wurde. Die Männer haben auch von dieser Taktik Nichts zu fürchten. Dieselbe Waffe steht ja ihnen zu Gebote und sie wäre, wenn sie unritterlich sein wollten, in ihrer Hand bedeutend furchtbarer.

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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 3, 1844, I. Semester, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341546_179712/550>, abgerufen am 22.12.2024.