Die Grenzboten. Jg. 3, 1844, I. Semester.alle Kunstsammlungen jetzt Fideicommiß des Landes sind, und dieses III. Ans Wien. Lucretia im Wurarheater. -- Die Enghaus. -- Löwe und Madame Rettich. -- Prechtler. -- Italienische Oper. -- Duelle. Lucretia ist endlich vom Stapel gelaufen. Als schlichter, herzens- alle Kunstsammlungen jetzt Fideicommiß des Landes sind, und dieses III. Ans Wien. Lucretia im Wurarheater. — Die Enghaus. — Löwe und Madame Rettich. — Prechtler. — Italienische Oper. — Duelle. Lucretia ist endlich vom Stapel gelaufen. Als schlichter, herzens- <TEI> <text> <body> <div> <div n="1"> <div n="2"> <pb facs="#f0546" corresp="http://brema.suub.uni-bremen.de/grenzboten/periodical/pageview/180259"/> <p xml:id="ID_1457" prev="#ID_1456"> alle Kunstsammlungen jetzt Fideicommiß des Landes sind, und dieses<lb/> für deren gewissenhafte Erhaltung Sorge tragen muß. Würden die<lb/> Kammern sich in diesem Falle nicht vereinigen, so könnte die Negie¬<lb/> rung gesetzlich sogar selbstmächtig einschreiten.</p><lb/> <milestone rendition="#hr" unit="section"/><lb/> </div> <div n="2"> <head> III.<lb/> Ans Wien.</head><lb/> <note type="argument"> Lucretia im Wurarheater. — Die Enghaus. — Löwe und Madame Rettich. —<lb/> Prechtler. — Italienische Oper. — Duelle.</note><lb/> <p xml:id="ID_1458" next="#ID_1459"> Lucretia ist endlich vom Stapel gelaufen. Als schlichter, herzens-<lb/> demüthiger Correspondent habe ich nicht über den selbständigen Ge¬<lb/> halt dieses Stückes zu discutiren, sondern Ihnen nur ganz einfach<lb/> über die Aufnahme zu berichten, die es bei uns fand; diese war im<lb/> Ganzen günstig. Daß es bei uns nicht denselben Beifallssturm er¬<lb/> regte, wie auf seinem heimathlichen Boden, laßt sich aus zwei Grün¬<lb/> den leicht erklaren: erstens konnte die republikanische Grundide«, die<lb/> auf Franzosen begeisternd wirken mußte, bei uns keinen Anklang<lb/> finden, und zweitens befinden wir uns auch nicht in der überreizten<lb/> literarischen Stimmung der Pariser, die nach so vielen gleichsam im<lb/> Opiumrausch geschriebenen Stücken, wie ihre neuere Literatur sie dar¬<lb/> bietet, nicht anders als höchst wohlthuend von einem Werke berührt<lb/> werden konnten, dessen edle Klarheit und verständige Besonnenheit<lb/> ihnen von allen den geistigen Orgien auszuruhen erlaubte. Solcher<lb/> Erauickung bedarf unser hiesiges Publikum nun keineswegs, die Ge¬<lb/> nüsse, die ihm geboten werden, sind nicht geeignet, ihm zum Kopf<lb/> zu steigen; das Epigramm, Menschenhaß und Reue, die Pagenstreiche<lb/> können seine Nerven nicht in dem Grade angreifen, daß eine Reaction<lb/> nothwendig wäre. Wie sich das Publikum bei der Aufführung der<lb/> Lucretia benahm? Es benahm sich eigentlich gar nicht, man merkte<lb/> es ihm an, daß es nicht recht wisse, ob ihm das Stück gefalle oder<lb/> nicht. Merkwürdig war mir aber der Jnstinct der Menge, der ihr,<lb/> trotz des Schwankens in Bezug auf Gefallen, sagte, sie befinde sich<lb/> einem ernsten, bedeutenden Werke gegenüber, dem nicht anders als<lb/> mit Achtung begegnet werden dürfe. In diesem Sinne war auch die<lb/> Aufnahme. Möglich, daß ich mich irre, allein ich möchte glauben,<lb/> das Publikum werde sich immer mehr und mehr mit dieser Tragödie<lb/> befreunden; und schenkt uns ein günstiger Stern noch einige andere<lb/> Stücke gleichen Werthes, so dürfte es ' wohl, endlich zu der Einsichr</p><lb/> </div> </div> </div> </body> </text> </TEI> [0546]
alle Kunstsammlungen jetzt Fideicommiß des Landes sind, und dieses
für deren gewissenhafte Erhaltung Sorge tragen muß. Würden die
Kammern sich in diesem Falle nicht vereinigen, so könnte die Negie¬
rung gesetzlich sogar selbstmächtig einschreiten.
III.
Ans Wien.
Lucretia im Wurarheater. — Die Enghaus. — Löwe und Madame Rettich. —
Prechtler. — Italienische Oper. — Duelle.
Lucretia ist endlich vom Stapel gelaufen. Als schlichter, herzens-
demüthiger Correspondent habe ich nicht über den selbständigen Ge¬
halt dieses Stückes zu discutiren, sondern Ihnen nur ganz einfach
über die Aufnahme zu berichten, die es bei uns fand; diese war im
Ganzen günstig. Daß es bei uns nicht denselben Beifallssturm er¬
regte, wie auf seinem heimathlichen Boden, laßt sich aus zwei Grün¬
den leicht erklaren: erstens konnte die republikanische Grundide«, die
auf Franzosen begeisternd wirken mußte, bei uns keinen Anklang
finden, und zweitens befinden wir uns auch nicht in der überreizten
literarischen Stimmung der Pariser, die nach so vielen gleichsam im
Opiumrausch geschriebenen Stücken, wie ihre neuere Literatur sie dar¬
bietet, nicht anders als höchst wohlthuend von einem Werke berührt
werden konnten, dessen edle Klarheit und verständige Besonnenheit
ihnen von allen den geistigen Orgien auszuruhen erlaubte. Solcher
Erauickung bedarf unser hiesiges Publikum nun keineswegs, die Ge¬
nüsse, die ihm geboten werden, sind nicht geeignet, ihm zum Kopf
zu steigen; das Epigramm, Menschenhaß und Reue, die Pagenstreiche
können seine Nerven nicht in dem Grade angreifen, daß eine Reaction
nothwendig wäre. Wie sich das Publikum bei der Aufführung der
Lucretia benahm? Es benahm sich eigentlich gar nicht, man merkte
es ihm an, daß es nicht recht wisse, ob ihm das Stück gefalle oder
nicht. Merkwürdig war mir aber der Jnstinct der Menge, der ihr,
trotz des Schwankens in Bezug auf Gefallen, sagte, sie befinde sich
einem ernsten, bedeutenden Werke gegenüber, dem nicht anders als
mit Achtung begegnet werden dürfe. In diesem Sinne war auch die
Aufnahme. Möglich, daß ich mich irre, allein ich möchte glauben,
das Publikum werde sich immer mehr und mehr mit dieser Tragödie
befreunden; und schenkt uns ein günstiger Stern noch einige andere
Stücke gleichen Werthes, so dürfte es ' wohl, endlich zu der Einsichr
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