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Die Grenzboten. Jg. 3, 1844, I. Semester.

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der von der Kirche der Kreuzhcrren, dem Clementinum :c. :c. gebildet
wird; ein der Brücke nahestehendes Haus würde dann weggerissen und
ein Kanal überdeckt, so daß die Stellung des Monumentes eine freie
und imposante wäre. Noch ein anderes Monument ist von den Pra¬
gern projectirt, welches sie dem Kaiser Franz I. setzen wollen. Ueber¬
haupt zeigt sich jetzt in Prag viel reges Leben und Streben für die
Kunst, namentlich hört man von großen Bauwerken, die vorgenom¬
men werden. -- Daß aber Genie und Talent vielleicht in unserer
Zeit schneller als je Bahn sich brechen und Anerkennung erwerben,
dürfen wir nicht läugnen ; in den plastischen Künsten haben wir neuer¬
dings, wie bei Kiß, so bei Hähnel den Beweis hiefür. Der letztge¬
nannte ist ein junger Mann von etwa zweiunddreißig Jahren; in
seiner äußeren Erscheinung und Bewegung viel an die alten italieni¬
schen Meister erinnernd, einen Benvenuto Cellini oder Michel Angelo.
Er ist hochgewachsen, ein voller dunkler Bart umgibt ihm Wangen
und Kinn. In seinem Wesen drückt sich Willenskraft und Selbst-
ständigkeit mit moralischer Sicherheit aus. Seine Rede ist voller
Laune, Witz und Schärfe. Seine Klarheit und Festigkeit in sich selbst
gibt ihm eine Überlegenheit, die in unseren socialen Verhältnissen nicht
verfehlen kann, sich Geltung zu verschaffen.

Dresden ist nicht reich an großen Baumonumenten, die man in
einer Stadt von seiner Größe und Bedeutung wohl zu finden hofft.
Seit Friedrich August dem Starken ist wenig geschehen, und erst in
neuerer Zeit hat uns Professor Semper einige bedeutende Werke her¬
gestellt. Schon lange hofften wir ein Museumsgebäude zu erhalten,
welches in angemessener Aufstellung die Gemäldegalerie und die ver¬
schiedenen anderen kostbaren Kunstsammlungen unserer Stadt in sich
aufnähme, und der Stadt zugleich als Zierde und schöner Anziehungs¬
punkt diente. Man kann sagen, es ist für diese Angelegenheit viel
vom glücklichen Moment verloren gegangen; wäre sie gleich vom
Anfang herein richtig erfaßt, den Ständen unseres Landes
der Plan des Baues mit dem Kostenanschlag ausführlich vorgelegt
und die ganze Sache mit Energie geführt worden, so ist kein Zweifel,
die Stände hätten den Bau bewilligt. Jetzt ist viel Zeit darüber
verflossen, eine Menge andrer Angelegenheiten, deren nothwendige Be¬
rücksichtigung den Ständen mehr in die Augen springen mag, sind
dazwischen gekommen, und es wird schwierig sein, die Kammern zu
vermögen, das Geld zum großen Bau eines Museums zu verwilligcn.
Demohngeachtet aber glaube ich,^ daß, wenn deutlich nachgewiesen
werden kann, daß in der jetzigen Aufstellung der Galerie die Gemälde
wesentlich Schaden leiden, die Galerie mit der Zeit zu Grunde gehen
müsse, die Stände von der Regierung darauf hingewiesen werden
können, den Bau eines zweckmäßigen Museums zu verwilligcn, da


Grcnzvvttn I.

der von der Kirche der Kreuzhcrren, dem Clementinum :c. :c. gebildet
wird; ein der Brücke nahestehendes Haus würde dann weggerissen und
ein Kanal überdeckt, so daß die Stellung des Monumentes eine freie
und imposante wäre. Noch ein anderes Monument ist von den Pra¬
gern projectirt, welches sie dem Kaiser Franz I. setzen wollen. Ueber¬
haupt zeigt sich jetzt in Prag viel reges Leben und Streben für die
Kunst, namentlich hört man von großen Bauwerken, die vorgenom¬
men werden. — Daß aber Genie und Talent vielleicht in unserer
Zeit schneller als je Bahn sich brechen und Anerkennung erwerben,
dürfen wir nicht läugnen ; in den plastischen Künsten haben wir neuer¬
dings, wie bei Kiß, so bei Hähnel den Beweis hiefür. Der letztge¬
nannte ist ein junger Mann von etwa zweiunddreißig Jahren; in
seiner äußeren Erscheinung und Bewegung viel an die alten italieni¬
schen Meister erinnernd, einen Benvenuto Cellini oder Michel Angelo.
Er ist hochgewachsen, ein voller dunkler Bart umgibt ihm Wangen
und Kinn. In seinem Wesen drückt sich Willenskraft und Selbst-
ständigkeit mit moralischer Sicherheit aus. Seine Rede ist voller
Laune, Witz und Schärfe. Seine Klarheit und Festigkeit in sich selbst
gibt ihm eine Überlegenheit, die in unseren socialen Verhältnissen nicht
verfehlen kann, sich Geltung zu verschaffen.

Dresden ist nicht reich an großen Baumonumenten, die man in
einer Stadt von seiner Größe und Bedeutung wohl zu finden hofft.
Seit Friedrich August dem Starken ist wenig geschehen, und erst in
neuerer Zeit hat uns Professor Semper einige bedeutende Werke her¬
gestellt. Schon lange hofften wir ein Museumsgebäude zu erhalten,
welches in angemessener Aufstellung die Gemäldegalerie und die ver¬
schiedenen anderen kostbaren Kunstsammlungen unserer Stadt in sich
aufnähme, und der Stadt zugleich als Zierde und schöner Anziehungs¬
punkt diente. Man kann sagen, es ist für diese Angelegenheit viel
vom glücklichen Moment verloren gegangen; wäre sie gleich vom
Anfang herein richtig erfaßt, den Ständen unseres Landes
der Plan des Baues mit dem Kostenanschlag ausführlich vorgelegt
und die ganze Sache mit Energie geführt worden, so ist kein Zweifel,
die Stände hätten den Bau bewilligt. Jetzt ist viel Zeit darüber
verflossen, eine Menge andrer Angelegenheiten, deren nothwendige Be¬
rücksichtigung den Ständen mehr in die Augen springen mag, sind
dazwischen gekommen, und es wird schwierig sein, die Kammern zu
vermögen, das Geld zum großen Bau eines Museums zu verwilligcn.
Demohngeachtet aber glaube ich,^ daß, wenn deutlich nachgewiesen
werden kann, daß in der jetzigen Aufstellung der Galerie die Gemälde
wesentlich Schaden leiden, die Galerie mit der Zeit zu Grunde gehen
müsse, die Stände von der Regierung darauf hingewiesen werden
können, den Bau eines zweckmäßigen Museums zu verwilligcn, da


Grcnzvvttn I.
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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 3, 1844, I. Semester, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341546_179712/545>, abgerufen am 29.06.2024.