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Die Grenzboten. Jg. 3, 1844, I. Semester.

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als vertheidigungslos und der Willkür preisgegeben waren. -- tuon
Eutin ging ich nach Altona, wo mich Gutzkow aufsuchte, der damals
noch mit Menzel im Bneswechsel stand, und durch denselben vor dem
Verfasser der ästhetischen Feldzüge gewarnt wurde. Mir war schon
damals und früher Menzel's aufgeblähtes, grobes, nichtssagendes
Wesen zuwider. Im Frühjahr 183" machte ich eine Reise durch die
Niederlande, den Rhein bis Mainz hinauf, nach Frankfurt, wo ich,
auf Gutzkow'S Antrag, mich freudig zur MithcrauSgabe einer dem
Zeitgange und den Bedürfnissen der zersplitterten Literatur entspreche
enden Wochenschrift unter dem (wohl schlechten) Titel einer "deutschen
Revue" willig fand. Menzel's persönlich diffamirenden Angriff auf
Gutzkow entgegnete ich durch das "Programm der deutschen Revue",
eine Broschüre, welche den zweifachen Fehler hat, daß sie sich l ) zu
viel mit Menzel und zu wenig mit der deutschen Revue beschäftigt,
und 2) daß sie mich in der Aufregung des Augenblicks und meiner
Freundschaft zu Gutzkow die parteilose höhere kritische Stellung ver¬
gessen ließ. Aber Menzel's Schnödigkeit war derartig, daß sie mir
nur eine persönliche Züchtigung zu verdienen schien, und die Ver¬
leumdung Gutzkow's war so platt und niederträchtig, daß ich mich
seiner, ohne weitere kritische Abwägung, mit Hallt und Haar anneh¬
men zu müssen glaubte. Der Fehler blieb indeß derselbe, oder viel¬
mehr, ich hätte diese persönliche Streitigkeit besonders abmachen und
nicht mit der Sache der deutschen Revue zusammenbringen sollen.
Zu Ostern dieses Jahres waren meine "Wal'dernngen durch den
Thierkreis" erschienen, das Product einer Stimmung, die ich von ^
leidenschaftlicher Bitterkeit nicht ganz freisprechen will. Jetzt begannen
die Regierungen auf eine junge Literatur aufmerksam zu werden, in
der sie eine geschlossene, Staats- und sittengefährliche Verbindung zwi¬
schen politisch-radicalen und sittlich-leichtfertigen Grundsätzen zu erblik-
ken glaubten. Zufällig wurde mir das aufsteigende Gewitter ziem¬
lich früh verrathen und ich erhielt actenmäßige Kenntniß von den
Verhandlungen gegen das sogenannte junge Deutschland (ein Name,
der auf wunderliche Weise aus einer Dedication der Feldzüge an die
gesammte und namentlich die studirende deutsche Jugend zu einer
reichsoffiziellen Geltung gelangte. Der preußische Gesandte machte
den Anfang mit der Anzeige, daß die ,.Wanderungen durch den Thier-
kreis" von Preußen verboten worden, weil sie Haß gegen die beste-


als vertheidigungslos und der Willkür preisgegeben waren. — tuon
Eutin ging ich nach Altona, wo mich Gutzkow aufsuchte, der damals
noch mit Menzel im Bneswechsel stand, und durch denselben vor dem
Verfasser der ästhetischen Feldzüge gewarnt wurde. Mir war schon
damals und früher Menzel's aufgeblähtes, grobes, nichtssagendes
Wesen zuwider. Im Frühjahr 183» machte ich eine Reise durch die
Niederlande, den Rhein bis Mainz hinauf, nach Frankfurt, wo ich,
auf Gutzkow'S Antrag, mich freudig zur MithcrauSgabe einer dem
Zeitgange und den Bedürfnissen der zersplitterten Literatur entspreche
enden Wochenschrift unter dem (wohl schlechten) Titel einer „deutschen
Revue" willig fand. Menzel's persönlich diffamirenden Angriff auf
Gutzkow entgegnete ich durch das „Programm der deutschen Revue",
eine Broschüre, welche den zweifachen Fehler hat, daß sie sich l ) zu
viel mit Menzel und zu wenig mit der deutschen Revue beschäftigt,
und 2) daß sie mich in der Aufregung des Augenblicks und meiner
Freundschaft zu Gutzkow die parteilose höhere kritische Stellung ver¬
gessen ließ. Aber Menzel's Schnödigkeit war derartig, daß sie mir
nur eine persönliche Züchtigung zu verdienen schien, und die Ver¬
leumdung Gutzkow's war so platt und niederträchtig, daß ich mich
seiner, ohne weitere kritische Abwägung, mit Hallt und Haar anneh¬
men zu müssen glaubte. Der Fehler blieb indeß derselbe, oder viel¬
mehr, ich hätte diese persönliche Streitigkeit besonders abmachen und
nicht mit der Sache der deutschen Revue zusammenbringen sollen.
Zu Ostern dieses Jahres waren meine „Wal'dernngen durch den
Thierkreis" erschienen, das Product einer Stimmung, die ich von ^
leidenschaftlicher Bitterkeit nicht ganz freisprechen will. Jetzt begannen
die Regierungen auf eine junge Literatur aufmerksam zu werden, in
der sie eine geschlossene, Staats- und sittengefährliche Verbindung zwi¬
schen politisch-radicalen und sittlich-leichtfertigen Grundsätzen zu erblik-
ken glaubten. Zufällig wurde mir das aufsteigende Gewitter ziem¬
lich früh verrathen und ich erhielt actenmäßige Kenntniß von den
Verhandlungen gegen das sogenannte junge Deutschland (ein Name,
der auf wunderliche Weise aus einer Dedication der Feldzüge an die
gesammte und namentlich die studirende deutsche Jugend zu einer
reichsoffiziellen Geltung gelangte. Der preußische Gesandte machte
den Anfang mit der Anzeige, daß die ,.Wanderungen durch den Thier-
kreis" von Preußen verboten worden, weil sie Haß gegen die beste-


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[0538] als vertheidigungslos und der Willkür preisgegeben waren. — tuon Eutin ging ich nach Altona, wo mich Gutzkow aufsuchte, der damals noch mit Menzel im Bneswechsel stand, und durch denselben vor dem Verfasser der ästhetischen Feldzüge gewarnt wurde. Mir war schon damals und früher Menzel's aufgeblähtes, grobes, nichtssagendes Wesen zuwider. Im Frühjahr 183» machte ich eine Reise durch die Niederlande, den Rhein bis Mainz hinauf, nach Frankfurt, wo ich, auf Gutzkow'S Antrag, mich freudig zur MithcrauSgabe einer dem Zeitgange und den Bedürfnissen der zersplitterten Literatur entspreche enden Wochenschrift unter dem (wohl schlechten) Titel einer „deutschen Revue" willig fand. Menzel's persönlich diffamirenden Angriff auf Gutzkow entgegnete ich durch das „Programm der deutschen Revue", eine Broschüre, welche den zweifachen Fehler hat, daß sie sich l ) zu viel mit Menzel und zu wenig mit der deutschen Revue beschäftigt, und 2) daß sie mich in der Aufregung des Augenblicks und meiner Freundschaft zu Gutzkow die parteilose höhere kritische Stellung ver¬ gessen ließ. Aber Menzel's Schnödigkeit war derartig, daß sie mir nur eine persönliche Züchtigung zu verdienen schien, und die Ver¬ leumdung Gutzkow's war so platt und niederträchtig, daß ich mich seiner, ohne weitere kritische Abwägung, mit Hallt und Haar anneh¬ men zu müssen glaubte. Der Fehler blieb indeß derselbe, oder viel¬ mehr, ich hätte diese persönliche Streitigkeit besonders abmachen und nicht mit der Sache der deutschen Revue zusammenbringen sollen. Zu Ostern dieses Jahres waren meine „Wal'dernngen durch den Thierkreis" erschienen, das Product einer Stimmung, die ich von ^ leidenschaftlicher Bitterkeit nicht ganz freisprechen will. Jetzt begannen die Regierungen auf eine junge Literatur aufmerksam zu werden, in der sie eine geschlossene, Staats- und sittengefährliche Verbindung zwi¬ schen politisch-radicalen und sittlich-leichtfertigen Grundsätzen zu erblik- ken glaubten. Zufällig wurde mir das aufsteigende Gewitter ziem¬ lich früh verrathen und ich erhielt actenmäßige Kenntniß von den Verhandlungen gegen das sogenannte junge Deutschland (ein Name, der auf wunderliche Weise aus einer Dedication der Feldzüge an die gesammte und namentlich die studirende deutsche Jugend zu einer reichsoffiziellen Geltung gelangte. Der preußische Gesandte machte den Anfang mit der Anzeige, daß die ,.Wanderungen durch den Thier- kreis" von Preußen verboten worden, weil sie Haß gegen die beste-

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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 3, 1844, I. Semester, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341546_179712/538>, abgerufen am 29.06.2024.