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Die Grenzboten. Jg. 3, 1844, I. Semester.

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senden Ordnungen, gegen die Reichen (!)u.s.w. verbreiteten; worauf der
Bundestagöpräsldent überhaupt auf die höchst gefährlichen, combinirten
Tendenzen einer auftauchenden sogenannten jungen Literatur oder
eines jungen Deutschlands aufmerksam machte, die um so gefährli¬
cher, da sich das Talent der Darstellung damit verbinde, wobei dann
die bekannten Fünf namentlicher Designation gewürdigt wurden. Daß
er bei dieser Gelegenheit, wie ich glaube, meinen Namen voraus¬
schickte, scheint mir zu beweisen, daß die politische oder unmittelbare
Tendenz der Hauptdorn im Auge war; sonst traue ich dem Onkel
des Dichters der Griseldiö mehr Geschmack und Einsicht zu. Hieran
knüpfte sich die Aufforderung an sämmtliche Gesandte, an ihre resp,
hohen und höchsten Höfe über dies Unwesen zu berichten, und ge¬
meinschaftliche Maßregeln zur Unterdrückung desselben zu treffen. Ich
war also so ziemlich auf die Schläge vorbereitet, welche die ju"ge
Literatur treffen sollten. Mittlerweile war man perfid genug, einen
Roman wie die Wally, dessen größtes Verbrechen seine Gebrechen,
als die Quintessenz der jungen Literatur umherzutrommeln und wie
diese theologisch, moralisch, ästhetisch herunterzumachen. Die Resul¬
tate obiger BundestagSverhandlungen sind bekannt. Weniger sind es
die persönlichen Widerwärtigkeiten, die ich in Folge ti'ches Verbotes
erleben mußte. Es schien, als wenn nicht allein meine Schriften,
sondern auch meine Person in Deutschland verboten werden sollte.
Aus Frankfurt verwiesen, ging ich nach Mainz; aus Mainz verwie¬
sen, (wo sich der Civilgouvcmeur Präsident von Lichtenstein auf das
humanste, jedoch erfolglos, meiner annahm) ließ ich mich in Nieder-
Jngelheim nieder; von hier vertrieben (es wurde mir sogar im Wei¬
gerungsfalle mit Dragonern gedroht), reiste ich nach Cassel ab, wo
mir ebenfalls die Weisung, die Stadt zu räumen, ertheilt wurde, bis
ich endlich in meinem Geburtsorte Altona die Erlaubniß erhielt,
deutsche Luft zu ath man. Den Schmerz und die Entrüstung über
dies Verfahren und die Unwürdigkeit so mancher Behörden, mit de¬
nen ich bei dieser Jagd in Berührung kam, habe ich in dem Vor¬
worte zu meinem "Tagebuche von Helgoland" ausgesprochen, freilich
nicht in der Stärke, wie ley'6 empfand. Nach Helgoland begab ich
mich im eigentlichsten Sinne aus Ekel vor dieser continental-deutschen
Polizeiluft im Frühlinge 1^36 und lebte dort bis zum Herbste. Ein
anfangs mit großer Lust begonnener Roman geriet!) in s Stocken;


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senden Ordnungen, gegen die Reichen (!)u.s.w. verbreiteten; worauf der
Bundestagöpräsldent überhaupt auf die höchst gefährlichen, combinirten
Tendenzen einer auftauchenden sogenannten jungen Literatur oder
eines jungen Deutschlands aufmerksam machte, die um so gefährli¬
cher, da sich das Talent der Darstellung damit verbinde, wobei dann
die bekannten Fünf namentlicher Designation gewürdigt wurden. Daß
er bei dieser Gelegenheit, wie ich glaube, meinen Namen voraus¬
schickte, scheint mir zu beweisen, daß die politische oder unmittelbare
Tendenz der Hauptdorn im Auge war; sonst traue ich dem Onkel
des Dichters der Griseldiö mehr Geschmack und Einsicht zu. Hieran
knüpfte sich die Aufforderung an sämmtliche Gesandte, an ihre resp,
hohen und höchsten Höfe über dies Unwesen zu berichten, und ge¬
meinschaftliche Maßregeln zur Unterdrückung desselben zu treffen. Ich
war also so ziemlich auf die Schläge vorbereitet, welche die ju"ge
Literatur treffen sollten. Mittlerweile war man perfid genug, einen
Roman wie die Wally, dessen größtes Verbrechen seine Gebrechen,
als die Quintessenz der jungen Literatur umherzutrommeln und wie
diese theologisch, moralisch, ästhetisch herunterzumachen. Die Resul¬
tate obiger BundestagSverhandlungen sind bekannt. Weniger sind es
die persönlichen Widerwärtigkeiten, die ich in Folge ti'ches Verbotes
erleben mußte. Es schien, als wenn nicht allein meine Schriften,
sondern auch meine Person in Deutschland verboten werden sollte.
Aus Frankfurt verwiesen, ging ich nach Mainz; aus Mainz verwie¬
sen, (wo sich der Civilgouvcmeur Präsident von Lichtenstein auf das
humanste, jedoch erfolglos, meiner annahm) ließ ich mich in Nieder-
Jngelheim nieder; von hier vertrieben (es wurde mir sogar im Wei¬
gerungsfalle mit Dragonern gedroht), reiste ich nach Cassel ab, wo
mir ebenfalls die Weisung, die Stadt zu räumen, ertheilt wurde, bis
ich endlich in meinem Geburtsorte Altona die Erlaubniß erhielt,
deutsche Luft zu ath man. Den Schmerz und die Entrüstung über
dies Verfahren und die Unwürdigkeit so mancher Behörden, mit de¬
nen ich bei dieser Jagd in Berührung kam, habe ich in dem Vor¬
worte zu meinem „Tagebuche von Helgoland" ausgesprochen, freilich
nicht in der Stärke, wie ley'6 empfand. Nach Helgoland begab ich
mich im eigentlichsten Sinne aus Ekel vor dieser continental-deutschen
Polizeiluft im Frühlinge 1^36 und lebte dort bis zum Herbste. Ein
anfangs mit großer Lust begonnener Roman geriet!) in s Stocken;


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[0539] senden Ordnungen, gegen die Reichen (!)u.s.w. verbreiteten; worauf der Bundestagöpräsldent überhaupt auf die höchst gefährlichen, combinirten Tendenzen einer auftauchenden sogenannten jungen Literatur oder eines jungen Deutschlands aufmerksam machte, die um so gefährli¬ cher, da sich das Talent der Darstellung damit verbinde, wobei dann die bekannten Fünf namentlicher Designation gewürdigt wurden. Daß er bei dieser Gelegenheit, wie ich glaube, meinen Namen voraus¬ schickte, scheint mir zu beweisen, daß die politische oder unmittelbare Tendenz der Hauptdorn im Auge war; sonst traue ich dem Onkel des Dichters der Griseldiö mehr Geschmack und Einsicht zu. Hieran knüpfte sich die Aufforderung an sämmtliche Gesandte, an ihre resp, hohen und höchsten Höfe über dies Unwesen zu berichten, und ge¬ meinschaftliche Maßregeln zur Unterdrückung desselben zu treffen. Ich war also so ziemlich auf die Schläge vorbereitet, welche die ju"ge Literatur treffen sollten. Mittlerweile war man perfid genug, einen Roman wie die Wally, dessen größtes Verbrechen seine Gebrechen, als die Quintessenz der jungen Literatur umherzutrommeln und wie diese theologisch, moralisch, ästhetisch herunterzumachen. Die Resul¬ tate obiger BundestagSverhandlungen sind bekannt. Weniger sind es die persönlichen Widerwärtigkeiten, die ich in Folge ti'ches Verbotes erleben mußte. Es schien, als wenn nicht allein meine Schriften, sondern auch meine Person in Deutschland verboten werden sollte. Aus Frankfurt verwiesen, ging ich nach Mainz; aus Mainz verwie¬ sen, (wo sich der Civilgouvcmeur Präsident von Lichtenstein auf das humanste, jedoch erfolglos, meiner annahm) ließ ich mich in Nieder- Jngelheim nieder; von hier vertrieben (es wurde mir sogar im Wei¬ gerungsfalle mit Dragonern gedroht), reiste ich nach Cassel ab, wo mir ebenfalls die Weisung, die Stadt zu räumen, ertheilt wurde, bis ich endlich in meinem Geburtsorte Altona die Erlaubniß erhielt, deutsche Luft zu ath man. Den Schmerz und die Entrüstung über dies Verfahren und die Unwürdigkeit so mancher Behörden, mit de¬ nen ich bei dieser Jagd in Berührung kam, habe ich in dem Vor¬ worte zu meinem „Tagebuche von Helgoland" ausgesprochen, freilich nicht in der Stärke, wie ley'6 empfand. Nach Helgoland begab ich mich im eigentlichsten Sinne aus Ekel vor dieser continental-deutschen Polizeiluft im Frühlinge 1^36 und lebte dort bis zum Herbste. Ein anfangs mit großer Lust begonnener Roman geriet!) in s Stocken; 69 *

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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 3, 1844, I. Semester, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341546_179712/539>, abgerufen am 29.06.2024.