fen von Bernstorf-Gylvensteen, Enkels des berühmten dänischen Staats- ministerS. Unter den düsteren einsamen Tannen seiner Güter im Lauenburgischen führte ich als freiwillig Verbannter ein melancholi¬ sches Einsiedlerleben, das ich durch Briefwechsel, Studium der grie¬ chischen Tragiker, Entwürfe, namentlich aber durch spaziergängerische LiebeSertnneruugöschwärmereicn ausfüllte. Die Liebe führte mich so¬ gar zurück nach Kiel -- auf's Carcer, wo ich in meiner Eigenschaft als gräflicher Hofmeister über vier Wochen nachträglich Buße that für ein unglückliches Pistolenduell zwischen einem Studenten, der er¬ schossen wurde, und einem dänischen Offizier, an dem ich weiter nicht betheiligt war, als durch pflichtmäßige Lieferung von Waffen und Geld. Der Prozeß wurde erst nach meinem Abgange von der Uni¬ versität entschieden. Leicht hätte ich, besonders durch die mir ange¬ botene Vermittlung des Grafen die zuerkannte Carcerstrafe in Geld¬ buße verwandeln oder wohl ganz frei ausgehen können, aber ich zog Gefängniß in der Nähe eines geliebten Wesens meiner Tannenwäl- derfreihcit vor. Einige Abwechselung in diesem öden Leben boten Reisen nach Kopenhagen und den dänischen Inseln, wodurch ich mit jenem schönen, aber unglücklichen Lande bekannt wurde. Außerdem ward ich mit dem Leben des norddeutschen und dänischen Landadels bekannt. Dieses Lebens vielfach überdrüssig und voll Sehnsucht nach einer jugendlicheren, geistig belebteren Eristenz erkor ich auf Anrathen eines Freundes (Trendelenburg, jetzt Professor in Berlin) die Nhein- univcrsität zur Fortsetzung meiner philosophisch philologischen Studien. Hier beschäftigte ich mich vornehmlich mit griechischer Philosophie, Plato und Aristoteles. Die Frucht dieser Studien war eine Abhand¬ lung über die eigentliche Natur der Platonischen Ideen (später in Altona bei Hammerich gedruckt). -- Mein Bleiben in Bonn war leider nicht von langer Dauer. Wider Willen wurde ich in die är¬ gerlichsten Händel init der gesammten Landsmannschaft der Westpha- len verwickelt, die sich, nach Allem, was ich sonst höre, einmal aus¬ nahmsweise studentisch schlecht gegen einen Einzelnen benahm, der im Rufe eines furchtbaren Krummsäbelschlägerö und überhaupt eines im Beleidigungsfall verzweifelten Menschen stand. Bei dieser Gelegen¬ heit lernte ich Herrn NehfueS kenne!,. Er machte sich anständig, ertheilte mir jedoch den Rath, die Universität zu verlassen. Die letz¬ ten Wochen meines Nheinaufenthaltes, den ich zu manchen streife-
fen von Bernstorf-Gylvensteen, Enkels des berühmten dänischen Staats- ministerS. Unter den düsteren einsamen Tannen seiner Güter im Lauenburgischen führte ich als freiwillig Verbannter ein melancholi¬ sches Einsiedlerleben, das ich durch Briefwechsel, Studium der grie¬ chischen Tragiker, Entwürfe, namentlich aber durch spaziergängerische LiebeSertnneruugöschwärmereicn ausfüllte. Die Liebe führte mich so¬ gar zurück nach Kiel — auf's Carcer, wo ich in meiner Eigenschaft als gräflicher Hofmeister über vier Wochen nachträglich Buße that für ein unglückliches Pistolenduell zwischen einem Studenten, der er¬ schossen wurde, und einem dänischen Offizier, an dem ich weiter nicht betheiligt war, als durch pflichtmäßige Lieferung von Waffen und Geld. Der Prozeß wurde erst nach meinem Abgange von der Uni¬ versität entschieden. Leicht hätte ich, besonders durch die mir ange¬ botene Vermittlung des Grafen die zuerkannte Carcerstrafe in Geld¬ buße verwandeln oder wohl ganz frei ausgehen können, aber ich zog Gefängniß in der Nähe eines geliebten Wesens meiner Tannenwäl- derfreihcit vor. Einige Abwechselung in diesem öden Leben boten Reisen nach Kopenhagen und den dänischen Inseln, wodurch ich mit jenem schönen, aber unglücklichen Lande bekannt wurde. Außerdem ward ich mit dem Leben des norddeutschen und dänischen Landadels bekannt. Dieses Lebens vielfach überdrüssig und voll Sehnsucht nach einer jugendlicheren, geistig belebteren Eristenz erkor ich auf Anrathen eines Freundes (Trendelenburg, jetzt Professor in Berlin) die Nhein- univcrsität zur Fortsetzung meiner philosophisch philologischen Studien. Hier beschäftigte ich mich vornehmlich mit griechischer Philosophie, Plato und Aristoteles. Die Frucht dieser Studien war eine Abhand¬ lung über die eigentliche Natur der Platonischen Ideen (später in Altona bei Hammerich gedruckt). — Mein Bleiben in Bonn war leider nicht von langer Dauer. Wider Willen wurde ich in die är¬ gerlichsten Händel init der gesammten Landsmannschaft der Westpha- len verwickelt, die sich, nach Allem, was ich sonst höre, einmal aus¬ nahmsweise studentisch schlecht gegen einen Einzelnen benahm, der im Rufe eines furchtbaren Krummsäbelschlägerö und überhaupt eines im Beleidigungsfall verzweifelten Menschen stand. Bei dieser Gelegen¬ heit lernte ich Herrn NehfueS kenne!,. Er machte sich anständig, ertheilte mir jedoch den Rath, die Universität zu verlassen. Die letz¬ ten Wochen meines Nheinaufenthaltes, den ich zu manchen streife-
<TEI><text><body><div><divn="1"><pbfacs="#f0535"corresp="http://brema.suub.uni-bremen.de/grenzboten/periodical/pageview/180248"/><pxml:id="ID_1442"prev="#ID_1441"next="#ID_1443"> fen von Bernstorf-Gylvensteen, Enkels des berühmten dänischen Staats-<lb/>
ministerS. Unter den düsteren einsamen Tannen seiner Güter im<lb/>
Lauenburgischen führte ich als freiwillig Verbannter ein melancholi¬<lb/>
sches Einsiedlerleben, das ich durch Briefwechsel, Studium der grie¬<lb/>
chischen Tragiker, Entwürfe, namentlich aber durch spaziergängerische<lb/>
LiebeSertnneruugöschwärmereicn ausfüllte. Die Liebe führte mich so¬<lb/>
gar zurück nach Kiel — auf's Carcer, wo ich in meiner Eigenschaft<lb/>
als gräflicher Hofmeister über vier Wochen nachträglich Buße that<lb/>
für ein unglückliches Pistolenduell zwischen einem Studenten, der er¬<lb/>
schossen wurde, und einem dänischen Offizier, an dem ich weiter nicht<lb/>
betheiligt war, als durch pflichtmäßige Lieferung von Waffen und<lb/>
Geld. Der Prozeß wurde erst nach meinem Abgange von der Uni¬<lb/>
versität entschieden. Leicht hätte ich, besonders durch die mir ange¬<lb/>
botene Vermittlung des Grafen die zuerkannte Carcerstrafe in Geld¬<lb/>
buße verwandeln oder wohl ganz frei ausgehen können, aber ich zog<lb/>
Gefängniß in der Nähe eines geliebten Wesens meiner Tannenwäl-<lb/>
derfreihcit vor. Einige Abwechselung in diesem öden Leben boten<lb/>
Reisen nach Kopenhagen und den dänischen Inseln, wodurch ich mit<lb/>
jenem schönen, aber unglücklichen Lande bekannt wurde. Außerdem<lb/>
ward ich mit dem Leben des norddeutschen und dänischen Landadels<lb/>
bekannt. Dieses Lebens vielfach überdrüssig und voll Sehnsucht nach<lb/>
einer jugendlicheren, geistig belebteren Eristenz erkor ich auf Anrathen<lb/>
eines Freundes (Trendelenburg, jetzt Professor in Berlin) die Nhein-<lb/>
univcrsität zur Fortsetzung meiner philosophisch philologischen Studien.<lb/>
Hier beschäftigte ich mich vornehmlich mit griechischer Philosophie,<lb/>
Plato und Aristoteles. Die Frucht dieser Studien war eine Abhand¬<lb/>
lung über die eigentliche Natur der Platonischen Ideen (später in<lb/>
Altona bei Hammerich gedruckt). — Mein Bleiben in Bonn war<lb/>
leider nicht von langer Dauer. Wider Willen wurde ich in die är¬<lb/>
gerlichsten Händel init der gesammten Landsmannschaft der Westpha-<lb/>
len verwickelt, die sich, nach Allem, was ich sonst höre, einmal aus¬<lb/>
nahmsweise studentisch schlecht gegen einen Einzelnen benahm, der im<lb/>
Rufe eines furchtbaren Krummsäbelschlägerö und überhaupt eines im<lb/>
Beleidigungsfall verzweifelten Menschen stand. Bei dieser Gelegen¬<lb/>
heit lernte ich Herrn NehfueS kenne!,. Er machte sich anständig,<lb/>
ertheilte mir jedoch den Rath, die Universität zu verlassen. Die letz¬<lb/>
ten Wochen meines Nheinaufenthaltes, den ich zu manchen streife-</p><lb/></div></div></body></text></TEI>
[0535]
fen von Bernstorf-Gylvensteen, Enkels des berühmten dänischen Staats-
ministerS. Unter den düsteren einsamen Tannen seiner Güter im
Lauenburgischen führte ich als freiwillig Verbannter ein melancholi¬
sches Einsiedlerleben, das ich durch Briefwechsel, Studium der grie¬
chischen Tragiker, Entwürfe, namentlich aber durch spaziergängerische
LiebeSertnneruugöschwärmereicn ausfüllte. Die Liebe führte mich so¬
gar zurück nach Kiel — auf's Carcer, wo ich in meiner Eigenschaft
als gräflicher Hofmeister über vier Wochen nachträglich Buße that
für ein unglückliches Pistolenduell zwischen einem Studenten, der er¬
schossen wurde, und einem dänischen Offizier, an dem ich weiter nicht
betheiligt war, als durch pflichtmäßige Lieferung von Waffen und
Geld. Der Prozeß wurde erst nach meinem Abgange von der Uni¬
versität entschieden. Leicht hätte ich, besonders durch die mir ange¬
botene Vermittlung des Grafen die zuerkannte Carcerstrafe in Geld¬
buße verwandeln oder wohl ganz frei ausgehen können, aber ich zog
Gefängniß in der Nähe eines geliebten Wesens meiner Tannenwäl-
derfreihcit vor. Einige Abwechselung in diesem öden Leben boten
Reisen nach Kopenhagen und den dänischen Inseln, wodurch ich mit
jenem schönen, aber unglücklichen Lande bekannt wurde. Außerdem
ward ich mit dem Leben des norddeutschen und dänischen Landadels
bekannt. Dieses Lebens vielfach überdrüssig und voll Sehnsucht nach
einer jugendlicheren, geistig belebteren Eristenz erkor ich auf Anrathen
eines Freundes (Trendelenburg, jetzt Professor in Berlin) die Nhein-
univcrsität zur Fortsetzung meiner philosophisch philologischen Studien.
Hier beschäftigte ich mich vornehmlich mit griechischer Philosophie,
Plato und Aristoteles. Die Frucht dieser Studien war eine Abhand¬
lung über die eigentliche Natur der Platonischen Ideen (später in
Altona bei Hammerich gedruckt). — Mein Bleiben in Bonn war
leider nicht von langer Dauer. Wider Willen wurde ich in die är¬
gerlichsten Händel init der gesammten Landsmannschaft der Westpha-
len verwickelt, die sich, nach Allem, was ich sonst höre, einmal aus¬
nahmsweise studentisch schlecht gegen einen Einzelnen benahm, der im
Rufe eines furchtbaren Krummsäbelschlägerö und überhaupt eines im
Beleidigungsfall verzweifelten Menschen stand. Bei dieser Gelegen¬
heit lernte ich Herrn NehfueS kenne!,. Er machte sich anständig,
ertheilte mir jedoch den Rath, die Universität zu verlassen. Die letz¬
ten Wochen meines Nheinaufenthaltes, den ich zu manchen streife-
Informationen zur CAB-Ansicht
Diese Ansicht bietet Ihnen die Darstellung des Textes in normalisierter Orthographie.
Diese Textvariante wird vollautomatisch erstellt und kann aufgrund dessen auch Fehler enthalten.
Alle veränderten Wortformen sind grau hinterlegt. Als fremdsprachliches Material erkannte
Textteile sind ausgegraut dargestellt.
Kay-Michael Würzner: Bearbeitung der digitalen Edition.
Weitere Informationen:
Verfahren der Texterfassung: OCR mit Nachkorrektur.
Bogensignaturen: gekennzeichnet;Druckfehler: ignoriert;fremdsprachliches Material: nicht gekennzeichnet;Geminations-/Abkürzungsstriche: wie Vorlage;Hervorhebungen (Antiqua, Sperrschrift, Kursive etc.): nicht ausgezeichnet;i/j in Fraktur: wie Vorlage;I/J in Fraktur: wie Vorlage;Kolumnentitel: gekennzeichnet;Kustoden: gekennzeichnet;langes s (ſ): als s transkribiert;Normalisierungen: stillschweigend;rundes r (ꝛ): als r/et transkribiert;Seitenumbrüche markiert: ja;Silbentrennung: wie Vorlage;u/v bzw. U/V: wie Vorlage;Vokale mit übergest. e: als ä/ö/ü transkribiert;Vollständigkeit: vollständig erfasst;Zeichensetzung: wie Vorlage;Zeilenumbrüche markiert: ja;
Die Grenzboten. Jg. 3, 1844, I. Semester, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341546_179712/535>, abgerufen am 23.12.2024.
Alle Inhalte dieser Seite unterstehen, soweit nicht anders gekennzeichnet, einer
Creative-Commons-Lizenz.
Die Rechte an den angezeigten Bilddigitalisaten, soweit nicht anders gekennzeichnet, liegen bei den besitzenden Bibliotheken.
Weitere Informationen finden Sie in den DTA-Nutzungsbedingungen.
Insbesondere im Hinblick auf die §§ 86a StGB und 130 StGB wird festgestellt, dass die auf
diesen Seiten abgebildeten Inhalte weder in irgendeiner Form propagandistischen Zwecken
dienen, oder Werbung für verbotene Organisationen oder Vereinigungen darstellen, oder
nationalsozialistische Verbrechen leugnen oder verharmlosen, noch zum Zwecke der
Herabwürdigung der Menschenwürde gezeigt werden.
Die auf diesen Seiten abgebildeten Inhalte (in Wort und Bild) dienen im Sinne des
§ 86 StGB Abs. 3 ausschließlich historischen, sozial- oder kulturwissenschaftlichen
Forschungszwecken. Ihre Veröffentlichung erfolgt in der Absicht, Wissen zur Anregung
der intellektuellen Selbstständigkeit und Verantwortungsbereitschaft des Staatsbürgers zu
vermitteln und damit der Förderung seiner Mündigkeit zu dienen.
Zitierempfehlung: Deutsches Textarchiv. Grundlage für ein Referenzkorpus der neuhochdeutschen Sprache. Herausgegeben von der Berlin-Brandenburgischen Akademie der Wissenschaften, Berlin 2024. URL: https://www.deutschestextarchiv.de/.