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Die Grenzboten. Jg. 3, 1844, I. Semester.

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Wienbavg über sich selbst. )
(Aus Kühn^ö "Porträts und Silhouetten".)



Ein altes goldschnittiges, in rothen Sammt gebundenes Gesangs
duch belehrt mich auf den ersten weißen genealogischen Blätter", daß
ich am 25. December (am ersten Weihnachtstage) 1802 geboren bin.
Meine Familie, väterlicherseits, stammt aus schwedisch-Pommer",
der Sage nach aus Schweden selbst. Mein Urgroßvater rettete durch
die Kenntniß der schwedischen Sprache sein Haus, als Altona durch
den General Steenbock in Brand gesteckt wurde. Er war ein Huf-
schmidt, wie mein Großvater, mein Vater und jetzt mein einziger äl¬
tester Bruder, der aber zugleich, wie mein Vater, ein ansehnliches
Geschäft als Wagenbauer mit der Schmiede verbindet. Mein im



<) Diese selbstbiographische Skizze scheint uns so bezeichnend sür Ludolf
Wienbarg, den eigentlichen Urheber de6 jungen Deutschland, daß wir
nicht umhin konnten, sie--ihrem wesentlichen Inhalte nach--unseren Lesern hier
.mitzutheilen. Wienbarq hat kein zahlreiches Publicum: dem gewöhnlichen Leih-
bibliothekcnlescr dürste"er vielleicht gar unbekannt sein. Er hat wenige, aber
innige Verehrer. Selbst Diejenigen, die einen mehr beschaulichen, als pro¬
duktiven Kopfgcring anzuschlagen geneigt sind, werden anerkennen müssen, daß das
Poetische, Jugendliche und wahrhaft Berechtigte der jungdeutschen Tendenzen
sich am reinsten in diesem ästhetisch-politischen Agitator ausgesprochen hat.
Vielleicht hängt die stolze Sprödigreit, der keusche germanische Purismus Wien-
barg's mit der, so oft angeklagten Trägheit und Unfruchtbarkeit seiner glän¬
zenden Feder zusammen- Wir machen bei dieser Gelegenheit auf Kühne's "Por¬
träts und Silhouetten" (Hannover bei Kius) aufmerksam. Das Buch ent¬
hält die Früchte einer mehrjährigen journalistischen Thätigkeit und ist für die
Literatur- und Eulturgeschichte d-S vorigen Jahrzehnts von Wiiki Wir
chtget-
Die Red. kommen nächstens darauf zurück.
"
Wienbavg über sich selbst. )
(Aus Kühn^ö „Porträts und Silhouetten".)



Ein altes goldschnittiges, in rothen Sammt gebundenes Gesangs
duch belehrt mich auf den ersten weißen genealogischen Blätter», daß
ich am 25. December (am ersten Weihnachtstage) 1802 geboren bin.
Meine Familie, väterlicherseits, stammt aus schwedisch-Pommer»,
der Sage nach aus Schweden selbst. Mein Urgroßvater rettete durch
die Kenntniß der schwedischen Sprache sein Haus, als Altona durch
den General Steenbock in Brand gesteckt wurde. Er war ein Huf-
schmidt, wie mein Großvater, mein Vater und jetzt mein einziger äl¬
tester Bruder, der aber zugleich, wie mein Vater, ein ansehnliches
Geschäft als Wagenbauer mit der Schmiede verbindet. Mein im



<) Diese selbstbiographische Skizze scheint uns so bezeichnend sür Ludolf
Wienbarg, den eigentlichen Urheber de6 jungen Deutschland, daß wir
nicht umhin konnten, sie—ihrem wesentlichen Inhalte nach—unseren Lesern hier
.mitzutheilen. Wienbarq hat kein zahlreiches Publicum: dem gewöhnlichen Leih-
bibliothekcnlescr dürste"er vielleicht gar unbekannt sein. Er hat wenige, aber
innige Verehrer. Selbst Diejenigen, die einen mehr beschaulichen, als pro¬
duktiven Kopfgcring anzuschlagen geneigt sind, werden anerkennen müssen, daß das
Poetische, Jugendliche und wahrhaft Berechtigte der jungdeutschen Tendenzen
sich am reinsten in diesem ästhetisch-politischen Agitator ausgesprochen hat.
Vielleicht hängt die stolze Sprödigreit, der keusche germanische Purismus Wien-
barg's mit der, so oft angeklagten Trägheit und Unfruchtbarkeit seiner glän¬
zenden Feder zusammen- Wir machen bei dieser Gelegenheit auf Kühne's „Por¬
träts und Silhouetten" (Hannover bei Kius) aufmerksam. Das Buch ent¬
hält die Früchte einer mehrjährigen journalistischen Thätigkeit und ist für die
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Die Red. kommen nächstens darauf zurück.
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[0531] Wienbavg über sich selbst. ) (Aus Kühn^ö „Porträts und Silhouetten".) Ein altes goldschnittiges, in rothen Sammt gebundenes Gesangs duch belehrt mich auf den ersten weißen genealogischen Blätter», daß ich am 25. December (am ersten Weihnachtstage) 1802 geboren bin. Meine Familie, väterlicherseits, stammt aus schwedisch-Pommer», der Sage nach aus Schweden selbst. Mein Urgroßvater rettete durch die Kenntniß der schwedischen Sprache sein Haus, als Altona durch den General Steenbock in Brand gesteckt wurde. Er war ein Huf- schmidt, wie mein Großvater, mein Vater und jetzt mein einziger äl¬ tester Bruder, der aber zugleich, wie mein Vater, ein ansehnliches Geschäft als Wagenbauer mit der Schmiede verbindet. Mein im <) Diese selbstbiographische Skizze scheint uns so bezeichnend sür Ludolf Wienbarg, den eigentlichen Urheber de6 jungen Deutschland, daß wir nicht umhin konnten, sie—ihrem wesentlichen Inhalte nach—unseren Lesern hier .mitzutheilen. Wienbarq hat kein zahlreiches Publicum: dem gewöhnlichen Leih- bibliothekcnlescr dürste"er vielleicht gar unbekannt sein. Er hat wenige, aber innige Verehrer. Selbst Diejenigen, die einen mehr beschaulichen, als pro¬ duktiven Kopfgcring anzuschlagen geneigt sind, werden anerkennen müssen, daß das Poetische, Jugendliche und wahrhaft Berechtigte der jungdeutschen Tendenzen sich am reinsten in diesem ästhetisch-politischen Agitator ausgesprochen hat. Vielleicht hängt die stolze Sprödigreit, der keusche germanische Purismus Wien- barg's mit der, so oft angeklagten Trägheit und Unfruchtbarkeit seiner glän¬ zenden Feder zusammen- Wir machen bei dieser Gelegenheit auf Kühne's „Por¬ träts und Silhouetten" (Hannover bei Kius) aufmerksam. Das Buch ent¬ hält die Früchte einer mehrjährigen journalistischen Thätigkeit und ist für die Literatur- und Eulturgeschichte d-S vorigen Jahrzehnts von Wiiki Wir chtget- Die Red. kommen nächstens darauf zurück. »

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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 3, 1844, I. Semester, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341546_179712/531>, abgerufen am 29.06.2024.